FC Denzlingen – SC Pfullendorf (Samstag, 13 Uhr, Einbollenstadion). – Helgi Kolvidsson ist ein Isländer, wie er im Buche steht: breites Kreuz, langes Haar, blaue Augen. Auch einige charakterliche Klischees, die den Nordmännern zugeschrieben werden, erfüllt er geradezu vorbildlich mit seiner ruhigen, unkomplizierten und trocken-humorvollen Art. „Viel Schlaf bekomme ich gerade nicht“, sagt er auf der Terrasse über dem Wasser des Seepark Linzgau und lacht.

Der Grund dafür ist ein weiteres Stereotyp: Isländer gelten gemeinhin als hilfsbereit, und so ist Kolvidsson eben nicht nur seit diesem Jahr Chef des Seeparks, sondern hat auch seit knapp zwei Monaten wieder das Sagen als Trainer eines Fußballteams: beim SC Pfullendorf in der Verbandsliga. „Ich habe dem Verein sehr viel zu verdanken. Ich bin vor 30 Jahren hierhergekommen und habe meine Karriere hier gestartet. Da steckt sehr viel Herzblut drin“, erklärt der 53-Jährige seine spontane Rückkehr auf die Trainerbank des SCP.

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Idyllisch präsentiert sich die Anlage an diesem Tag im Mai. Die Morgensonne kündigt mit kühlen Strahlen die spätere Wärme an. Ein Entenpaar zieht seine Runden auf dem ruhigen Wasser. Eine echtes Naturidyll vor den Toren Pfullendorfs. Auf der Terrasse sitzt Kolvidsson, ganz in Schwarz, eine rote Basecap über den langen Haaren. Mit einem zufriedenen Lächeln schaut er auf den Wasserskipark, der am Nachmittag seine Tore für die Gäste öffnet.

Nach seiner Laufbahn als Fußballer studierte er Sporttourismus-Management, da lag es nahe, sich zu bewerben, als der Seepark nach einem Jahr Pause zur Pacht ausgeschrieben wurde. „Es macht mir einen Riesenspaß, aber ich habe hier eine Sieben-Tage-Woche und arbeite 14 bis 15 Stunden am Tag“, sagt Kolvidsson, der trotzdem ohne zu zögern zusagte, als der SC Pfullendorf anfragte, nachdem er sich Ende März von seinem Coach Andreas Keller getrennt hatte.

Dankbar für den Start ins Profileben

Wie ist das nur zu stemmen neben dem Seepark? „Das fragt meine Frau auch immer“, sagt Kolvidsson und lacht laut. Die Antwort ist, dass er den Linzgauern, die ihm den Start in eine Profi-Laufbahn ermöglichten, etwas zurückgeben möchte.

Im zarten Alter von 22 Jahren heuerte das Abwehrtalent 1994 beim damaligen Oberligisten an. Bald darauf wurde Kolvidsson in die isländische Nationalmannschaft berufen, 1996 schaffte er mit Lustenau den Aufstieg in die österreichische Bundesliga, ehe er mit Jürgen Klopp beim FSV Mainz 05 sowie später beim SSV Ulm in der 2. Bundesliga spielte. Die letzten vier Jahre seiner aktiven Karriere verbrachte der 29-fache isländische Nationalspieler von 2004 bis 2008 wieder beim SC Pfullendorf, bei dem er anschließend auch Trainer und Sportlicher Leiter war.

„Es hat mir immer gut gefallen in Pfullendorf“, sagt Kolvidsson, der mit seiner Frau und den drei Töchtern auch im nahen Ostrach lebte, als er Co-Trainer der Nationalmannschaft Islands und Chefcoach der Nationalelf Liechtensteins war.

„Ich fahre gerne Motorrad und Ski und mag die vier Jahreszeiten hier“, sagt Helgi Kolvidsson. „Pfullendorf liegt sehr zentral in Europa. Ich bin von hier aus schnell am Flughafen Zürich und kann nach Island fliegen. Die Region gefällt mir einfach gut.“

Helgi Kolvidsson auf der Trainerbank des SC Pfullendorf.
Helgi Kolvidsson auf der Trainerbank des SC Pfullendorf. | Bild: Fischer, Eugen

Mit dem Isländer als Trainer starteten die Linzgauer eine schier unglaubliche Erfolgsserie. Als Kolvidsson die Pfullendorfer übernahm, hatten sie in 21 Spielen 18 Punkte geholt, von den folgenden acht Partien gewannen sie sieben und stehen nun mit 38 Zählern auf Rang elf dicht vor dem Klassenerhalt.

„Es lief bis jetzt gut, ganz geschafft haben wir es jedoch noch nicht“, warnt der Uefa-Pro-Lizenzinhaber, „wir haben vier Punkte Vorsprung und noch drei Spiele. Wir haben es aber selber in der Hand und sind nicht abhängig von anderen.“

„Es wird schon gut gehen“

Doch wie hat er seine Spieler nur zurück in die Spur gebracht? Nordisch-kühl oder mit Ansprachen, heiß wie ein isländischer Vulkan? „Die Stimmung war nicht schlecht, als ich die Mannschaft übernommen habe, die Jungs waren auch fit“, sagt er. Was fehlte, war das nötige Selbstvertrauen, das es für die folgende Siegesserie brauchte. Ein Lebensmotto vieler Isländer lautet „Þetta reddast“, was zu Deutsch etwa soviel bedeutet wie: „Es wird schon gut gehen.“

Daher hat Kolvidsson keine tiefschürfenden Erklärungsansätze für die Wende. Nur, dass er seinen in vielen Profijahren gesammelten Erfahrungsschatz einbringen konnte – und dass eine ordentliche Portion Glück dazugehörte. „In meinem ersten Spiel gegen Auggen lagen wir zweimal hinten und haben noch 3:2 gewonnen. Dann sind wir von Spiel zu Spiel stabiler geworden und mit jedem Sieg ist das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten gestiegen.“

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Ob er über diese Saison hinaus bei seinem Herzensverein an der Seitenlinie stehen wird, will er weder bejahen noch verneinen. „Ich weiß nicht, ob ich das zeitlich packe. Ich habe noch nicht ab- oder zugesagt.“ Am fehlenden Spaß liege es jedenfalls nicht. „Der Job gibt mir viel. Fußball ist meine Leidenschaft. Den Wettkampfmodus treibt man nicht einfach so aus einem heraus“, sagt Kolvidsson, dessen Team dem Bezirksrivalen und Tabellenzweiten Türk. SV Singen eine große Hilfe sein könnte.

In der vergangenen Woche besiegten die Pfullendorfer den Verbandsligadritten und TSV-Konkurrenten SV Linx mit 3:1, am Samstag sind sie zu Gast beim Spitzenreiter FC Denzlingen. „Der Druck liegt nicht bei uns. Wir spielen auswärts beim Tabellenführer und werden unser Bestes geben, mehr können wir nicht“, sagt Kolvidsson. „Spaß haben wir sowieso. Aber am schönsten ist der Fußball immer, wenn du gewinnst.“

Und wenn nicht: Þetta reddast...