„Es war ein deutliches Signal der Vernunft – und ein starkes Zeichen für gute Nachbarschaft.“ So fasst die SPD-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter, das Abstimmungsergebnis der Rafzer Gemeindeversammlung zusammen. Mit 678 Stimmen votierte dort eine überdeutliche Mehrheit der Bürger gegen die geplante Deponie Bleiki. 176 Bürger stimmten dafür, drei enthielten sich. Damit sind die Deponie-Pläne auf dem Gelände einer ehemaligen Lehmgrube, die über Monate hinweg für kontroverse Diskussionen im Jestetter Zipfel gesorgt hatten, vom Tisch. Groß ist auch die Erleichterung auf deutscher Seite – denn die Anlage hätte keine 100 Meter von Lottstetter Gemarkung entfernt direkt an die deutsch-Schweizer Grenze gebaut werden sollen.
Bürger haben massive Sicherheitsbedenken
Tatsächlich hatte sich eine deutliche Mehrheit der Rafzer von Anfang an gegen das Vorhaben gestellt, das in Gemeindebesitz befindliche Gelände einer ehemaligen Lehmgrube für die Errichtung einer kantonalen Mülldeponie zur Verfügung zu stellen. Vorgesehen war dort die Lagerung von Abfall der Schadstoffklassen B (belasteter Bauschutt) bis E (schwer belastete Abfälle).
Immer wieder wies die Firma Eberhard, die den Betrieb der Deponie hätte bewerkstelligen sollen, darauf hin, dass keineswegs giftige Abfälle gelagert oder die Anlage auch keine Sondermülldeponie sei. Doch alle Bemühungen, die Sicherheitsbedenken in der Bevölkerung zu entschärfen, blieben letztlich erfolglos.
Gemeinderat vollführt Kehrtwende
Dass der Gemeinderat von Rafz unter Vorsitz von Gemeindepräsident Kurt Altenburger im Zuge der Debatte eine Kehrtwende vollzog und nach anfänglicher Ablehnung das Vorhaben befürwortete, wurde in der öffentlichen Diskussion alles andere als vertrauensfördernde Maßnahme wahrgenommen. Zumal: Mit der Befürwortung einer solchen Anlage auf dem eigenen Gemeindegebiet begab sich Rafz in eine Sonderposition. Die übrigen Gemeinden im Kanton Zürich, die als Standorte gehandelt werden, haben sich nach Schweizer Medienberichten nämlich rigoros gegen etwaige Pläne auf ihrem Territorium ausgesprochen und auch die Bevölkerung entsprechend mobilisiert.
Anders die Lage in Rafz: Wie die Gegner der Deponie bis zum Schluss immer wieder bei Veranstaltungen und in den sozialen Medien kritisierten, sei viel zu deutlich der finanzielle Aspekt in den Vordergrund gestellt worden. Für Bau und Betrieb der Deponie Bleiki hätte die Gemeinde Rafz jährlich eine Entschädigung von einer Million Franken erhalten – für eine geplante Laufzeit von 33 Jahren.
„Rekordhohe“ Teilnehmerzahl bei Gemeindeversammlung
Wie groß der Leidensdruck der Rafzer Bürger letztlich war, zeigte sich laut Darstellung der Gemeinde Rafz bereits anhand der „rekordhohen“ Zahl an Bürgern, die zu der Gemeindeversammlung strömten. 500 seien erwartet worden, gekommen waren fast doppelt so viele. Auch das überdeutliche Abstimmungsergebnis sei vor diesem Hintergrund „erwartungsgemäß“ ausgefallen, wie die Gemeinde mitteilt.
Deutsche Anrainer kritisieren schlechte Informationen
Das Vorhaben hatte unterdessen auch das Verhältnis von Rafz zu seinen deutschen Nachbargemeinden Lottstetten und Jestetten vor eine Herausforderung gestellt. Dort hatten nämlich insbesondere der mangelhafte Informationsfluss und fehlende Mitsprachemöglichkeiten für Besorgnis, Kritik und Verärgerung gesorgt. Lottstettens Bürgermeister Andreas Morasch brachte seine Enttäuschung über das wenig partnerschaftliche Verhalten der Schweizer Behörden bei einer öffentlichen Informationsveranstaltung zum Ausdruck, deutlich zum Ausdruck: „Ich fordere Sie auf, auf das Projekt zu verzichten.“
SPD-Abgeordnete: „Rafzer haben Verantwortung übernommen“
Groß fällt folglich die Erleichterung bei Morasch aus: „Das war ein klares Statement der Bürger. Wir hoffen, dass die Sache damit endgültig vom Tisch ist“, konstatiert der Bürgermeister im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Betroffenheit wäre für die Gemeinde groß gewesen. Dennoch habe man sich bewusst zurückgehalten, um kein unnötiges Öl ins Feuer zu gießen.
In einer Stellungnahme brachte indes Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD) die Erleichterung der deutschen Seite über die Entscheidung der Schweizer Nachbarn zum Ausdruck: „Ich bin froh, dass die Bevölkerung in Rafz Verantwortung übernommen und sich nicht vom Geld hat locken lassen. Damit ist eine ernst zu nehmende Belastung für die Menschen in Lottstetten vom Tisch.“
Auch sei der Weg „zurück zu einem respektvollen nachbarschaftlichen Miteinander“ wieder offen. Das sei auch dringend erforderlich, denn die grenzüberschreitende Zusammenarbeit sei gerade mit Blick auf den ebenso umstrittenen geplanten Doppelspurausbau der SBB essenziell.
Alternative Pläne für Lehmgrube
Mit Blick auf die Lehmgrube Bleiki kündigt die Gemeinde Rafz derweil „Szenarien für eine weitere Nutzung an“. Aktuell befinde sich das Areal „nicht in einem Zustand, der längerfristig beibehalten werden kann“, heißt es in einer Mitteilung. Und: „Im nächsten Jahr steht zudem der Entscheid des Kantonsrats über die Eintragung der Deponie Bleiki im kantonalen Richtplan an.“ Da das notwendige Quorum für die Durchführung einer Volksabstimmung nicht erreicht wurde, dürfte die Wahrscheinlichkeit einer Intervention des Kantonsrats nach Einschätzung von Experten eher gering sein.