Deutlich über vier Meter Schnee lagen vor einem Jahr noch auf dem Säntis. Am 15. Juni des laufenden Jahres registrierte die Messstation auf 2501 Meter über Meer zum letzten Mal Schnee. Die fünf Zentimeter am Sonntag überlebten den Tag nicht. Am Montag, 16. Juni, meldete Meteo Schweiz zum ersten Mal für 2025: Der Säntis ist schneefrei.
Doch nicht nur der Vergleich mit dem letzten, schneereichen Jahr zeigt, wie außergewöhnlich das aktuelle Jahr ist. Klimaforscher betrachten jeweils Normen, die 30 Jahre umfassen und alle zehn Jahre aktualisiert werden. Im Schnitt der jüngsten Normperiode (1991 bis 2020) liegen Mitte Juni noch rund zweieinhalb Meter Schnee auf dem Säntis.
Ab Mai wurde es immer weniger
Am Ende des Winter war die Schneemenge auf dem Säntis noch gar nicht allzu weit von den durchschnittlichen Werten entfernt. Dass die Entwicklung danach so anders verlief, liegt mehr an fehlendem Niederschlag als an hohen Temperaturen. Zwar war der Frühling im Vergleich mild, er war aber vor allem niederschlagsarm. Meteo Schweiz schreibt: „Der fehlende Niederschlag der vergangenen Monate führte im ersten Maidrittel in den Bergen lokal zu einer extrem geringen Schneedecke.“
Und im Klimabulletin Frühling fasst Meteo Schweiz zusammen: „Die drei Frühlingsmonate zusammen brachten auf der Alpennordseite sowie in Nord- und Mittelbünden unterdurchschnittliche Niederschlagsmengen.“ Im unweit vom Säntis entfernten St. Gallen gab es gemäß Meteo Schweiz gar seit 1934 nicht mehr so wenig Frühlingsniederschlag.
Fast nie war der Schnee schon früher weg
Früher schneefrei als in diesem Jahr meldete die Säntis-Messstation seit 1959 erst vier Mal (1960, 1964, 1968, 2010). In einem Jahr (1969) war es am genau gleichen Tag so weit. Vor 1959 sind die Messreihen unvollständig.
Keinen Einfluss hat diese Schneelage auf den Bodensee-Pegel: Das Schmelzwasser vom Säntis fließt in die Thur, diese mündet nahe des Jestetter Zipfels in den Rhein. Der wenige Schnee könnte also der Thur im Verlauf des Sommers fehlen. Vergleicht man aber die Entwicklung 2025 mit dem Hitzesommer 2003 und den sehr trockenen Jahren 2018 und 2022, sieht man: Selbst damals hatte es auf dem Säntis mehr Schnee. Und er blieb länger liegen.
Für den Bodensee ist hingegen eher das Weissfluhjoch ein guter Indikator. Dort liegt ebenfalls schon so gut wie kein Schnee mehr, wie insgesamt in den Schweizer Bergen.
Bergbahnen sehen Vorteile
Bei den Bergbahnen ist man nicht nur unglücklich über das frühe Schneeende am Säntis, wie Jakob Gülünay, Geschäftsführer der Säntis-Schwebebahn AG, sagt. Die Sommer- und Wandersaison ist Hochsaison. Je früher der Schnee weg ist, desto länger dauert sie. Und desto eher dürfen die Verantwortlichen mit einem umsatzstarken Sommer rechnen.
Gerade in diesem Jahr wäre ein solcher als Polster für das kommende Jahr, wenn die Schwebebahn aufgrund des Neubaus für einige Zeit den Betrieb komplett einstellt, wünschenswert. Gülünay sagt: „Alles, was wir dieses Jahr mitnehmen dürfen, hilft uns im kommenden und den darauffolgenden Jahren.“
Wandersaison ist bereits angelaufen
Man spüre jetzt schon, dass mehr Wanderer unterwegs seien. Trotz der fortgeschrittenen Schneeschmelze auf dem Gipfel warnt Gülünay aber: „Es hat einzelne Schneefelder unterhalb der Tierwis, die sehr exponiert sind. Dazu kommen die üblichen Schneefelder Richtung Gipfel.“
Die Wanderung auf den Gipfel sei darum nur etwas für geübte Berggänger mit richtiger Ausrüstung. Generell erfolge der Weg aber immer auf eigene Verantwortung, die Bergbahnen würden keine Empfehlungen abgeben.
Dieser Text erschien zuerst beim St. Galler Tagblatt.