Sie ist gewissermaßen die Metropole der Deutsch-Schweizer Grenzregion. Man könnte auch vom Nabel des Hochrheins sprechen...naja, aber vielleicht wäre das dann doch übertrieben. Jedenfalls ist Basel, das weiß jeder, immer einen Besuch wert. Was nur wenige wissen, ist, dass sie bei so einem Besuch einiges über die bewegte Geschichte der Weiler Grenznachbarn erfahren können. Denn der Verein Frauenstadtrundgang Basel hat es sich auf die Fahnen geschrieben, die Vergangenheit der Kantonsstadt wieder zum Leben zu erwecken.
Unbekannte Geschichten ans Tageslicht fördern
Treffpunkt ist an der Alten Universität, dem Ort, der auch als Geburtsstätte der Basler Frauenstadtrundgänge angesehen werden kann. Seit der Gründung des Vereins 1990 versuchen die Mitglieder, unbekannte Geschichten der Stadt ans Tageslicht zu fördern. Gefunden und erzählt werden diese Geschichten seit jeher von Studierenden und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Basel.
Zwei davon warten schon auf der Gartenterrasse des Universitätsgebäudes. Die letzten Sonnenstrahlen können Lena Heizmann und Linda Falcetta trotz Rheinblick nicht so ganz genießen. Noch 15 Minuten bis Führungsbeginn. Nochmal alle Materialien überprüfen, bevor sie in einer breiten Taschen verschwinden. Nach und nach trudelt Besucherin für Besucherin ein.

Und so manche Frau hat auch ihren Mann mitgebracht. Denn die Frauenstadtrundgänge richten sich, anders als der Name vielleicht vermuten ließe, ausdrücklich an ein Publikum aller Geschlechter und Herkünfte. Zweites Kriterium spielt bei Führungsbeginn doch eine Rolle. „Verstehen uns alle, wenn wir Schweizerdeutsch reden?“, fragt Lena Heizmann die mittlerweile versammelte Gruppe. Heute zwar nicht notwendig, doch bei Bedarf könnten die Führerinnen auch auf hochdeutsch referieren.
Reise durch das Basel des Jahres 68
Nach dieser klärenden Frage kann es auch schon ab in die Geschichte gehen. Das Thema, dem die Zuhörerinnen und Zuhörer im Laufe des Abends näher kommen werden, lautet „Basel‘ 68 – Sex, Drugs and Rock ‚n‘ Roll“.
Dazu bringen Heizmann und Falcetta die Versammlung an einen bei diesem Titel unerwarteten Ort. Nämlich zum Kirchplatz der nahegelegenen Martinskirche. Hier schlüpfen die beiden Stadtführerinnen in die Rolle zweier Studenten im Jahre 1968: Der eine umstürzerisch und voller Stolz für die Errungenschaften der progressiven Bewegung, der andere skeptisch und schwer zu überzeugen. Zwangsläufig kommt es zur amüsanten Diskussion.
Nach dem Wortwechsel geht es die Treppe herab zum Basler Rathaus. Hier gab es einen besonderen Moment in der Schweizer Geschichte. Denn am 17. März 1968 wählte das Basler Volk erstmals Frauen in den Großen Rat, dem gesetzgebenden Gremium des Kantons Basel-Stadt.
Umrahmt von einem schwarzen Pappgestell, das gehalten von zwei hilfsbereiten Besucherinnen einen klassischen Fernseher ergibt, berichten die beiden Stadtführerinnen über das Ereignis. Lena Heizmann interviewt im Rahmen der Abendnachrichten Linda Falcetta, die in wechselnden Rollen die verschiedenen Perspektiven des damaligen Aufregerthemas rekapituliert.
Zum Schluss der „Übertragung“ kündigt Heizmann (sie ist im Jahre 2024 34 Jahre alt) noch die baldige Umstellung von Schwarz-weiß- auf Farbfernsehen an. Gelächter geht durch die Runde.
Recherche und Führungen sind Ehrensache
Nun gibt es ein Stück zu laufen, wobei die beiden Stadtführerinnen aufpassen müssen, ihre Gefolgschaft nicht zu verlieren. Für die beiden sind nicht nur die 90 Minuten auf dem Rundgang sondern auch die gesamte Recherchezeit Ehrenamt. Finanziert werden die Rundgänge vor allem durch fundraising, in Räumlichkeiten der Uni Basel können sich die Mitglieder zur Vorbereitung treffen.
Hauptberuflich ist Lena Heizmann Historikerin und die 31-jährige Linda Falcetta ist Koordinatorin für Freiwilligenarbeit in der Flüchtlingshilfe. Beide haben an der Universität Basel studiert.
Nun folgt ein Stopp beim Rümelinsplatz, bei dem Falcetta und Heizmann in der Rolle eines Einwandererpaares aus den 60ern auf einige Ungerechtigkeiten hinweisen, die damals bestanden. Nicht nur, wie schwer es auch und vor allem Frauen aus Einwandererfamilien hatten, sondern auch wie kompliziert und teils unmenschlich sowohl die Gesetzes- als auch die Stimmungslage in dieser gar nicht so weit entfernten Zeit für Eingewanderte war, wird in diesem Sketch deutlich. Den Hinweis auf Parallelen zum Hier und Jetzt verkneift sich Linda Falcetta nicht.
Basel ist kulturell vorneweg geprescht
Nach kleineren Ausführungen über die lebendige Drogenszene im Basel des Jahres 68 erreicht die Führung ihre Endstation. Vor dem Stadttheater bekommen die Teilnehmenden in Form von 60s-Rock eins auf die Ohren. Denn auch Musik kann als zeitgeschichtliche Quelle dienen, sind sich Falcetta und Heizmann einig. Als Grenzstadt sei Basel kulturell in der Schweiz vorweg geprescht. Angelehnt an ihre amerikanischen und britischen Vorbilder kleideten sich Bands wie „the dynamite“ oder die spektakulär benannten „Swiss Ladies“ in extravaganten Outfits und schmetterten Gitarrensolos.

Bei all der Revolution und Provokation weist Lena Heizmann darauf hin, dass diese wilden 68er in Basel in einer „typisch schwyzerisch zurückhaltenden“ Art stattgefunden habe. Nichtsdestotrotz haben einige Veränderungen bezüglich Geschlechterrollen, Sexualmoral und Toleranz jeglicher Art ihren Ursprung im Jahre 1968. Und eindeutig liegt ein Teil dieses Erbes auch mitten in der schweizerdeutschen Grenzstadt Basel.