Die begehrte Ware lagert 200 Meter hinter der Grenze. Hier, noch in Sichtweite des Emmishofer Zolls in Konstanz, befindet sich ein unauffälliges Geschäft. „Es ist schon kurios“, sagt Giuseppe Pezzarossa, während er bunte Dosen in Regale einräumt. „Da wird Cannabis legalisiert in Deutschland, aber Snus ist verboten.“

Gerade viele junge Menschen kennen sie inzwischen, die kleinen Tabakpäckchen. Snus kommt ursprünglich aus Schweden. Das Land ist damit fast rauchfrei geworden – das ist laut Weltgesundheitsorganisation der Fall, wenn weniger als fünf Prozent der Bevölkerung rauchen.

Wachsende Anhängerschaft in Deutschland

Und auch in Deutschland hat Snus eine wachsende Anhängerschaft. Nur sind die Päckchen, die unter die Oberlippe geschoben werden, hierzulande verboten. Aber nicht so richtig. Besitzen und benutzen darf man es. Und manche Sorten dürfen auch verkauft werden. Die meisten jedoch nicht. Kompliziert. Und deswegen fahren Konsumenten in die nahe Schweiz, wo der Verkauf legal ist.

Reger Grenzverkehr also für ein bisschen Nikotin? Der 29-jährige Pezzarossa arbeitet seit der Eröffnung im März 2022 im „Snushus“ genannten Geschäft in Kreuzlingen. Vorher hatte er nichts mit Snus am Hut, erzählt er, dann suchte er Arbeit – und ist inzwischen ein regelrechter Experte in Nikotinfragen.

Die Auswahl verschiedener Geschmacksrichtungen und Wirkstoffe ist groß.
Die Auswahl verschiedener Geschmacksrichtungen und Wirkstoffe ist groß. | Bild: Jann-Luca Künßberg

Er erklärt die unterschiedlichen Produkte: Losen Snus gibt es, das traditionelle Produkt, das kauften eher ältere Konsumenten. Die klassischen Tabakpäckchen, deren Material an das von Teebeuteln erinnert, werden rege verkauft. Das ganz junge Publikum – im Snushus bedeutet das ab 18, nach Schweizer Gesetz ab 16 Jahren – kaufe aber meist die neueren weißen Päckchen.

„Da ist kein Tabak drin, das verfärbt die Zähne nicht so“, sagt Pezzarossa. Inzwischen gebe es auch besonders umweltverträgliche Produktvarianten, zum Beispiel aus Kokosfaser oder aus Seetang. In der TV-Reality-Show „Die Höhle der Löwen“ stellten zwei Männer vor einigen Jahren koffeinhaltiges Snus vor, ohne Tabak, so etwas wie der Energydrink unter den Zigaretten-Ersatzprodukten.

Auch eine CBD-haltige Sorte wird verkauft. CBD, das ist ein legales Extrakt aus der weiblichen Hanfpflanze. Und all diese Varianten gibt es mit unterschiedlichen Geschmäckern und Stärken. „Die ganz starken verkaufen wir aber nicht“, sagt Pezzarossa, „da ist das Gesundheitsrisiko zu groß.“

Die Kundschaft komme etwa zur Hälfte aus Deutschland, die andere Hälfte aus der Schweiz, sagt er. „Bei den Deutschen merkt man schon eine gewisse Genervtheit – Kautabak ist dort erlaubt, Snus aber nicht. Das versteht keiner.“

Konsum harter Drogen geht zurück

Während der Konsum harter Drogen unter jungen Menschen zuletzt zurückging, wächst die Zahl der Snuskonsumenten. Das zeigt etwa eine Monitoring-Studie der Stadt Frankfurt, die Ergebnisse dürften andernorts aber ähnlich ausfallen.

Snus-Verkäufer Giuseppe Pezzarossa sieht als Hauptgrund für den Trend, dass sich das Gesundheitsbewusstsein gerade unter Jugendlichen schnell entwickelt: „Früher war Rauchen cool. Der eigentliche Sinn von Snus ist, mit dem Rauchen aufzuhören. Es schädigt die Lungen nicht und stinkt nicht.“

In der Schweiz wird mittlerweile auch Snus hergestellt. Hier zu sehen mit patriotisch angehauchtem Verpackungsdesign und passendem ...
In der Schweiz wird mittlerweile auch Snus hergestellt. Hier zu sehen mit patriotisch angehauchtem Verpackungsdesign und passendem Geschmack „Bergluft“. | Bild: Jann-Luca Künßberg

Harmlos ist das Ersatzprodukt aber auch nicht. Es schädigt die Mundgesundheit und erhöht die Wahrscheinlichkeit, an Bauchspeicheldrüsenkrebs zu erkranken. Das Risiko ist allerdings geringer als bei Zigaretten.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung berichtet von einigen Vergiftungsfällen mit Nikotinbeuteln, die aber keine schweren Verläufe nahmen. Die Nikotinmenge unterscheidet sich je nach Produkt teilweise deutlich, ungeübten Konsumenten könnte das schnell zu schaffen machen.

Die rechtliche Situation

Und die rechtliche Situation? In der Europäischen Union ist Snus seit 1992 verboten, Schweden ist die Ausnahme, weil es dort eine besondere Tradition hat. Bei den neueren sogenannten Nicotine Pouches (deutsch: Nikotinpäckchen) handelt es sich allerdings um tabakfreie Produkte. In Deutschland gelten sie als nikotinhaltiges Lebensmittel und sind legal.

In der EU werden diese Produkte aber unterschiedlich bewertet: „Einige Mitgliedstaaten stufen die Erzeugnisse als Arzneimittel ein, andere als Verbraucherprodukte; manche Mitgliedstaaten streben auch nationale Regelungen im Tabakrecht an“, heißt es vom Informationsdienst der baden-württembergischen Untersuchungsämter für Lebensmittelüberwachung und Tiergesundheit.

Dass Snus in der EU irgendwann legal wird, gilt als eher unwahrscheinlich – es sollen nicht noch mehr Tabakerzeugnisse in Verkehr gebracht werden. Ob die tabakfreien weißen Päckchen legal bleiben, lässt sich derzeit kaum einschätzen. Und solange die Lage so unübersichtlich bleibt, wird er weitergehen, der Tabak-Tourismus in die Schweiz.