Mit seinen riesigen Dampfwolken ist das Kernkraftwerk Leibstadt (KKL) normalerweise nur aus der Ferne zu sehen. Doch 28 Leserinnen und Leser des SÜDKURIER erhielten nun die Gelegenheit, das größte Kernkraftwerk der Schweiz von innen zu besichtigen.
Großes Interesse
Die Teilnehmer hatten Glück, denn es hatten sich über 250 Leser für die Aktion „SÜDKURIER öffnet Türen“ im Kernkraftwerk gemeldet.
Die 28 ausgewählten Besucher wurden von den KKL-Mitarbeiterinnen Martina Garmann und Marcella Gold nicht nur durch das Besucherzentrum geführt, sondern erhielten auch einen exklusiven Einblick in einzelne Gebäude des Kernkraftwerkes.
Modernes Besucherzentrum
„Eigentlich machen wir nichts weiter als Wasser zu kochen, mit dieser coolen Technologie“, sagte Martina Garmann und schmunzelte.

An einem Modell des Reaktorgebäudes des KKL erklärten sie und ihre Kollegin Marcella Gold den Teilnehmern im Besucherzentrum, wie die Stromerzeugung funktioniert.

Virtueller Blick in den Reaktor
Neben den Modellen konnten die Besucher auch einen direkten Blick in den Reaktor werfen – mit Hilfe einer VR-Brille (Virtual Reality). Durch die Brille war es möglich, sich zu allen Seiten im Reaktorgebäude sowie im Maschinenraum des Kernkraftwerks umsehen.

Damit einem bei der virtuellen Besichtigung nicht schwindelig wurde, bot ein reales Geländer Halt.
Großteil der Energie gehe als Abwärme verloren
Das Kernkraftwerk Leibstadt produziere über 9600 Gigawattstunden Strom im Jahr und sei damit für 14 Prozent der Schweizer Stromversorgung verantwortlich, wie Garmann erklärte. Allerdings gehen bei der Produktion zwei Drittel der Energie als Abwärme verloren.
„Warum wird die Abwärme nicht als Fernwärme genutzt?“, kam deswegen die Frage aus der Besuchergruppe. „Das wäre sinnvoll“, entgegnete Garmann. Aber leider habe man beim Bau des Kernkraftwerks nicht an die Nutzung von Abwärme gedacht und jetzt lohne es sich nicht mehr, nachzurüsten.
Wie sicher ist das Kernkraftwerk?
Weitere Fragen von der Besuchergruppe kamen zur Sicherheit des Atomkraftwerkes, beispielsweise auch bei Extremsituationen wie einem Kriegsfall. „Es ist schon alles sehr gut abgesichert“, sagte Garmann. So gebe es auf dem Gelände beispielsweise Kameras, Bewegungsmelder und Wachen, die mit einem Knopf direkt wichtige Türen verschließen können. Bevor es tatsächlich zu einem Fall wie einem Krieg kommen würde, müssten diese Mittel genügen.

Die Gebäude, insbesondere das Reaktorgebäude, seien von außen so gut geschützt, dass es selbst bei einem Flugzeugabsturz nur zu einer leichten Beschädigung kommen würde.
Mit einer Zeitreise 60.000 Jahre in die Zukunft
Auch die Lagerung des radioaktiven Abfalls interessierte die Besucher: „Ist die Endlagerung 100-prozentig sicher?“, lautete eine Frage. Eine 100-prozentige Sicherheit gebe es nie, führte Garmann auch, aber die Lagerung sei so sicher, wie man aktuell planen könne.

Jedes Jahr würde ein Fünftel der Brennelemente im Reaktorgebäude ausgetauscht werden, das seien etwa 125 Elemente. Diese kommen dann ins Brennelemente-Lager und kühlen zehn Jahre lang im Wasser ab, um dann im Zwischenlager Würenlingen etwa 40 Jahre lang zu bleiben. Abschließend sollen die immer noch radioaktiven Elemente endgelagert werden. Dies soll in einem Tiefenlager erfolgen, für das als Standort Stadel, wenige Kilometer südlich von Hohentengen vorgesehen ist.

Über die Entsorgung des radioaktiven Abfalls gab es auch eine virtuelle Tour – diesmal als Zeitreise. Auf ruckelnden Stühlen und mit VR-Brillen ging es in mehreren Etappen 60.000 Jahre in die Zukunft – denn so viele und noch sehr viel mehr Jahre muss der immer noch strahlende Atommüll im Tiefenlager sicher verwahrt werden.

Exklusiver Zutritt aufs Gelände
Neben dem Besucherzentrum gehört auch die Besichtigung des Kraftwerksgeländes zur Führung. Mit Regenschirmen ausgerüstet machten sich die SÜDKURIER-Leser auf den Weg.

Dabei erhielten sie einen Einblick in den Kommandoraum, in dem rund um die Uhr die Kernanlage überwacht wird. „Stressig ist es dort nicht, oder?“, bemerkte eine Besucherin scherzhaft, da die Arbeit im Kommandoraum ruhig zu sein schien. „So soll es sein“, erwiderte Garmann. Sollte es einen Notfall im Reaktor geben, so Garmann, könnten die Mitarbeiter direkt eingreifen.

Neben dem Kommandoraum durften die Besucher auch ganz nah an den Kühlturm.

Ein ungewöhnliches Erlebnis
„Sowas sieht man nicht alle Tage“, staunte Dagmar Kronemann. Der SÜDKURIER-Leserin aus Klettgau gefiel der Einblick sehr gut. Besonders begeistert war sie von der Möglichkeit, mit einer VR-Brille direkt in den Reaktor zu schauen. Sie fahre oft mit dem Fahrrad in der Nähe des Atomkraftwerks vorbei, aber so einen direkten Einblick zu haben – das sei schon etwas Besonders.

Auch Stefan Behringer aus Waldshut-Tiengen hat die Besichtigung sehr gut gefallen. Vor 30 Jahren habe er schon mal eine Führung mitgemacht, seitdem habe sich aber einiges getan. Jetzt sei er nochmal dabei, um seinem Sohn Luca Behringer auch einen Einblick in das Kernkraftwerk zu ermöglichen. Luca gefiel die Führung ebenfalls, vor allem „dass man sich alles angucken kann.“