Noch ist es nicht offiziell. Doch die etwa 60.000 Grenzgänger in der Region können aufatmen: Die pandemiebedingte Homeoffice-Regelung für Grenzgänger läuft nun doch nicht Ende Juni aus, sondern wird bis zum Jahresende verlängert. Das hat das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) in der Schweiz dem SÜDKURIER auf Nachfrage bestätigt.
Wer mehr als 60 Tage im Jahr im Homeoffice arbeitet, verliert normalerweise seinen Status als Grenzgänger und die damit verbundenen steuerlichen Vorteile. Eine Sonderreglung während der Corona-Pandemie sollte ursprünglich Ende Juni auslaufen. Nun bestätigt das Bundesamt: „Die flexible Anwendung der Unterstellungsregelung bei Telearbeit von Grenzgängern, die Ende Juni 2022 ausläuft, wurde bis Ende 2022 verlängert.“ Damit ändert sich für Grenzgänger bei den Sozialversicherungen vorerst nichts.
Einigung in letzter Minute
Die Sonderreglung sollte ursprünglich Ende Juni auslaufen: Die Europäische Kommission habe die Ausnahme bislang zugelassen, weil die Sondersituation der Pandemie ein Fall von höherer Gewalt (force majeure) sei. Diese bestehe jedoch nicht mehr in einer Situation, in der Homeoffice oder mobiles Arbeiten nicht unmittelbar der Pandemie geschuldet sei, sondern aus freien Stücken erfolge, hieß es noch im Mai aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales.
In letzter Minute haben die EU und die Schweiz sich nach den vorliegenden Informationen nun aber doch auf eine Verlängerung der Ausnahmeregelung geeinigt. Demnach bleiben Arbeitnehmer in der Schweiz, die in Deutschland oder anderswo in der EU wohnen, weiter in der Schweiz sozialversicherungspflichtig, auch wenn sie im Homeoffice arbeiten.
Bei der Verlängerung handelt es sich nach Darstellung der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung Ausland (DVKA), die erste Informationen über die Ausnahmeregelung bereits veröffentlicht hatte, um eine Übergangslösung. Die bei der Europäischen Kommission eingesetzte Verwaltungskommission habe am 14. Juni im Beisein der zuständigen Schweizer Behörde eine sogenannte „Guidance Note“ beschlossen, die eine solche Übergangsregelung vorsehe, bestätigt eine Sprecherin auf Nachfrage.
Neuregelung ab 2023?
Ab 2023 also wieder pendeln? Nicht zwingend. Derzeit arbeiten die Schweiz und die EU an einer Neuregelung. „Ab 2023 sollen neue Regeln die Telearbeit besser berücksichtigen, ohne dass sich die Zuständigkeit im Bereich der sozialen Sicherheit ändert“, bestätigt der Sprecher der Schweizer Behörde. Die konkrete Umsetzung werde demnach in den nächsten Monaten auf europäischer Ebene sowie zwischen der Schweiz und ihren Nachbarstaaten vorbereitet, hieß es.
Das deckt sich mit der Darstellung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) von Anfang Mai, dass die Bundesregierung für eine Änderung oder Anpassung des sogenannten Koordinationsrechts, das festlegt, wo Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig sind, offen sei. Dafür sei aber ein abgestimmtes Vorgehen zwischen den EU-Staaten nötig, hieß es damals.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Felix Schreiner aus dem Kreis Waldshut war über die Neuregelung noch nicht informiert: „Diese Entscheidung scheint im stillen Kämmerlein getroffen worden zu sein“, kritisiert er. „Allein die Tatsache, dass in unserer Region 60.000 Grenzgänger von dieser Regelung betroffen sind, erfordert mehr Transparenz und eine bessere Kommunikation durch die Bundesregierung“, sagt der Oppositionspolitiker. Das BMAS wollte auf Anfrage des SÜDKURIER keine Auskunft geben.
Schreiner hatte sich in der Vergangenheit immer wieder für eine Verlängerung und eine langfristige Lösung für Grenzgänger eingesetzt. „Wir benötigen eine bessere Regelung, denn die Pandemie hat gezeigt, dass Homeoffice möglich ist und dass Homeoffice viele Vorteile für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gleichermaßen hat“, sagt er auch heute. Ob das Zeitfenster, das durch die Übergangsfrist gewonnen wurde, tatsächlich für eine Neuregelung ausreicht, muss sich zeigen.