Als Kind erscheinen Kleiderständer riesig – besonders, wenn sie so eng beieinander stehen wie in jenen Räumen an der Ekkehardstraße, in denen Heinz und Helga Kornmayer in den 1960er-Jahren ihr erstes Ladengeschäft eingerichtet haben. „Ich erinnere mich an die vielen Trenchcoats in gleicher Farbe und verschiedenen Größen, wenn ich mit meiner Mutter dort einkaufen war“, beschreibt die ehemalige SPD-Stadträtin Susanne Sargk, wie es damals war. Damit ist es bald vorbei, denn Heikorn hat angekündigt, zu Beginn des nächsten Jahres zu schließen. Damit endet eine lange Geschichte.
Stufe um Stufe ist Sargk einst das Treppenhaus an Mutters Hand hinaufgestiegen, um in die Verkaufsräume zu gelangen. Dicht gedrängt hingen dort zu Beginn der 1970er-Jahre Hosen, Blusen, Blousons, Kleider, Jacken und Jackets an den Bügeln – und das, obwohl die Geschäftsinhaber kurz zuvor ihre Geschäftsräume deutlich erweitert hatten. Auf 240 Quadratmetern wurde der neueste Chic der 1970er-Jahre präsentiert, zu dem damals zweifellos auch die begehrten Schlaghosen in allerlei Variationen zählten.
Die Eröffnung als Ladengeschäft im ersten Obergeschoss an der Ekkehardstraße wurde bereits Anfang der 1960er-Jahre gefeiert. Zunächst, wie es in der 2013 im Singener Jahrbuch veröffentlichten Firmenchronik heißt, auf 140 Quadratmeter im damals „Hochhaus“ genannten Eckhaus zur August-Ruf-Straße, in dessen Erdgeschoss heute Tchibo ist. Kornmayer kam als Geschäftsname nicht in Frage, denn Kornmayers gab es zu viele in Singen. Heinz Kornmayer entwickelte den Begriff Heikorn, wie er einmal verraten hat, um sich abzuheben.
Vom Maßanzug zur Konfektionsware
Zunächst mutete das Geschäft noch wie ein Auslieferlager an. Aber die Entscheidung, auf Konfektionsware als preisgünstige Alternative zur Maßarbeit zu setzen, war der Weg zum Erfolg. „Das wäre nicht möglich gewesen ohne meine tüchtige Frau, die ein großartiges Mode-Feeling hat“, hat der heute beinahe 88-jährige Firmengründer bereits als 50-Jähriger betont.

Heinz Kornmayers Wandel vom Schneidermeister zum Modehändler verlief zügig. „Zunächst hatte er eine reine Herren-Schneiderei, wo man Maßanzüge in Auftrag geben konnte“, erinnert sich Jahrbuch-Herausgeber Klaus-Michael Peter. Als Zehnjähriger lernte er den Laden im Obergeschoss kennen.
Mit Rabattaktion treue Kunden gewonnen
Statt der Generaldirektoren entdeckte Heikorn die Gewerkschaftsmitglieder als treue Kundschaft. Rabatte waren in jenen Tagen noch nicht so gebräuchlich, nur im Sommer- und Winter-Schlussverkauf war die Preisbindung einst aufgehoben. Kornmayer hat allerdings die Lücke im Gesetzestext entdeckt: Mit der „Gewerkschaftskarte“ gab es zehn Prozent Nachlass.
Die Kalkulation ist aufgegangen. Viele Kunden und hohe Nachfrage ermöglichten günstig kalkulierte Einkaufsmengen und der Umsatz nahm beständig zu. „Günstig einkaufen kommt in Mode – wir machen Mode“, lautete das Firmen-Motto jener Jahre.
Der Erfolg hat immer mehr Platz erfordert
Heinz und Helga Kornmayer hatten Freude an der Mode. Er absolvierte nach der Volksschule eine Schneiderlehre und musste, nachdem sein Vater schwer erkrankte, als 22-Jähriger Verantwortung im elterlichen Geschäft übernehmen. Angefangen hat er bescheiden. „Ich wurde nicht mit dem ‚goldenen Löffel im Mund‘ geboren“, betonte Kornmayer stets.
„1962 war ein Schicksalsjahr“, wusste er im Rückblick bereits zur Jahrtausendwende. Damals stand der Umzug nach Singen, die Meisterprüfung, Heirat und bald auch die Geburt der ersten Tochter Susanne an. Schon ein Jahr später kam mit Bettina Tochter Nummer zwei. Der Durchbruch folgte ein Jahr später. Nicht nur das Sortiment wurde größer, sondern ab 1967 auch das Geschäft. 1976 kam der Umzug in die August-Ruf-Straße.
Wo zuvor im „Spanischen Garten“ von Sigi Schmidt Südfrüchte verkauft wurden, entstand an der Ecke zur Schwarzwaldstraße – gegenüber vom Wienerwald-Schnellrestaurant – der erste Heikorn-Neubau. Aber auch 650 Quadratmeter Verkaufsfläche waren bald nicht mehr genug, 1978 wurde erneut erweitert und 1983 kam der nächste große Schritt. Heinz Kornmayer hatte erfahren, dass das Wienerwald-Areal zum Verkauf stand. Er griff zu und baute erneut. Bis heute prägt der imposante Winkelbau mit dem markanten Eckturm die Fußgängerzone.
Zwölf Jahre um die Alte Sparkasse gekämpft
1988 wurde es den Kornmayers wieder zu eng in ihrem Neubau. Also wurde das Untergeschoss von der Tiefgarage zur Kindermoden-Abteilung umgebaut, außerdem streckte Heinz Kornmayer die Finger nach dem Nachbargebäude aus: Die Alte Sparkasse, in der damals Kulturamt, Musik- und Volkshochschule untergebracht waren. Zwölf Jahre dauerten die Verhandlungen mit der Stadt, bis die Verkaufsfläche von 3000 auf stattliche 4700 Quadratmeter wachsen konnte.

Mit Modeschauen und Designer-Marken reagierte das Unternehmer-Paar auf den Wandel im Kaufverhalten. „Das große Haus der Mode mit den sympathischen Preisen“, signalisiert Heikorn in jenen Jahren der Kundschaft. Billigware fand immer weniger Anklang. Auf günstige Preise wollten aber weder die Kornmayers, noch die Kundschaft verzichten. Möglich sei dies gewesen, da man direkt die Lager der Fabrikanten angefahren und ganze Posten leergekauft habe.

Dies war der eine Erfolgsfaktor. Der andere: die Mitarbeiter. „Eine klasse Truppe“, wird Heinz Kornmayer in einem SÜDKURIER-Bericht zu seinem 50. Geburtstag im Jahr 1988 zitiert. Viele von ihnen haben jahrzehntelang für das Modehaus gearbeitet, einige tun es bis heute. Ihre Zukunft ist nach der Entscheidung von Bettina und Thomas Kornmayer, die das Unternehmen seit 18 Jahren in zweiter Generation führen, ungewiss.

Von Heikorn zu Bekorn und zurück
Tochter Bettina hat von Anfang an den Karriereweg des Vaters eingeschlagen: Abitur, Schneiderlehre und Ausbildung im Einzelhandel, Weiterbildung in der Modeindustrie und Textilfachschule und schließlich der Start mit einem eigenen Geschäft in Konstanz – dem Bekorn. Das haben Bettina und Thomas Kornmayer abgegeben, als sie die Verantwortung im Singener Stammhaus übernommen haben.

Doch Anfang nächsten Jahres soll der große Heikorn-Schriftzug am markanten Eckturm verschwinden. „Das ist ein Verlust für die Stadt“, formuliert Susanne Sargk, was viele in der Stadt denken. Schon zuvor haben Kornmayers die Alte Sparkasse verkauft, das Brauhaus Barfüsser bewirtet dort inzwischen seine Gäste. Die Zukunft der letzten Heikorn-Immobile wird nun für Singen nicht unwesentlich sein.