Die Schweizer wollen von einem Ausbau ihrer Autobahnen nichts wissen. Eine Mehrheit von 52 Prozent votierte nach Auszählung fast aller Kantone in einem Referendum gegen neue Tunnels, Röhren und Fahrspuren. Die milliardenschweren Projekte bei Basel und in fünf weiteren Abschnitten sind somit vom Tisch.

Für Fahrer aus Deutschland, Österreich oder Frankreich ändert sich in der Schweiz nichts – sie müssen weiter mit Staus auf den meist zweispurigen Autobahnen kämpfen. Die Regierung in Bern hingegen erleidet eine schwere verkehrspolitische Niederlage. Regierung und Parlament hatten sich für den Autobahnausbau ausgesprochen. Rückendeckung für die Infrastrukturvorhaben kam von bürgerlichen und liberalen Parteien sowie Wirtschaftsverbänden.

Ausbau-Gegner machten seit Monaten für ein Nein mobil

Dagegen hielt das Komitee „Nein zum maßlosen Autobahnausbau“, das von progressiven Verkehrsverbänden, Naturschützern, Sozialdemokraten, Grünen, Grünliberalen und Anwohnern unterstützt wurde. Das Komitee erzwang mit einer Unterschriftensammlung das Referendum und zeigte sich hocherfreut zum Ergebnis des Referendums.

„Der heutige Tag läutet die Verkehrswende in der Schweiz ein“, sagte die Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone. Das Nein zum „übertriebenen, überholten und überteuerten Autobahn-Ausbau“ markiere einen Sieg für Umwelt und Klima.

Die Co-Präsidentin des Verkehrsclubs der Schweiz, Jelena Filipovic, verlangte nun die entschlossene Förderung der umweltfreundlichen Mobilität. „Ziel einer zukunftsorientierten Verkehrspolitik ist es, möglichst vielen Menschen den Umstieg vom Auto auf den öffentlichen Verkehr oder aufs Fahrrad zu ermöglichen“, sagte sie. „Hier gibt es insbesondere im Pendler- und im Freizeitverkehr viel Potenzial.“

Die Ausbau-Gegner hatten seit Monaten für ein Nein mobil gemacht. Der Kampf gegen die Erderwärmung werde durch neue Asphaltpisten behindert: „Die Hauptverkehrsachsen sollen zu gigantischen Autobahnen mit sechs bis acht Spuren ausgebaut werden“, warnte das Komitee. „Noch mehr Autos, mehr Lärm, mehr Luftschadstoffe und mehr Asphalt wären die Folgen, die Lebensqualität und die Natur würden auf der Strecke bleiben.“

Regierung warb für Ausbau

Die Regierung hatte für den Ausbau mit der notwendigen Mobilität von Bevölkerung und Wirtschaft geworben. Zudem bringe der Plan „Ausbauschritt 2023“ mehr Sicherheit für Fahrer und Anwohner. Der Verkehr habe sich auf den Nationalstraßen, zu denen die Autobahnen gehören, seit 1990 mehr als verdoppelt. Deshalb komme „es an verschiedenen Stellen regelmäßig zu Staus“, hieß es aus dem Verkehrsministerium, das Bundesrat Albert Rösti von der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei leitet.

Allein 2023 gab es den Angaben nach auf den Nationalstraßen mehr als 48.000 Staustunden. „In der Folge weichen Lastwagen und Autos auf Straßen aus, die durch Dörfer und Wohnquartiere führen“, hieß es weiter. Dieser Ausweichverkehr reduziere die Sicherheit der Menschen. „Der Ausweichverkehr gehört zurück auf die Autobahn“, erklärte Rösti. So erhöhe sich die Verkehrssicherheit in der Nähe der Hauptverkehrsadern. Deshalb müsse der Staat die Engpässe durch „punktuelle Ausbauten“ beseitigen.

Rösti wollte 4,9 Milliarden Schweizer Franken, mehr als fünf Milliarden Euro, investieren. Konkret ging es um sechs Einzelvorhaben: Die A1 sollte an drei Abschnitten ausgebaut werden: Spurerweiterungen waren geplant für Strecken zwischen Le Vengeron und Nyon am Genfersee, zwischen Bern-Wankdorf und Schönbühl und zwischen Schönbühl und Kirchberg.

Zudem sollte die A4 bei Schaffhausen eine zweite Röhre im Fäsenstaubtunnel bekommen und die A1 bei St. Gallen hätte eine dritte Röhre für den Rosenbergtunnel erhalten.

Ein besonders großes Projekt hätte den Verkehr zwischen der Schweiz und Deutschland sowie Frankreich flüssiger machen sollen: Ein Rheintunnel für die A2 sollte bei Basel gebohrt werden, durch den der Transit- und Güterverkehr von und in die Nachbarländer hätte gleiten können. Alle Vorhaben bleiben nun in der Schublade.