Geschmeidig und anmutig windet sich die bildschöne Bauchtänzerin zur orientalischen Musik. Sie stellt ein Bein vor, hebt und senkt dazu leicht das Becken. Ihr dunkles, glänzendes Haar fällt bis zu der Hüfte. Die Perlen ihres Kostüms schimmern bei jeder Bewegung. Wenn Johara Ringli tanzt, verkörpert sie die pure Weiblichkeit, ist sinnlich, sanft und stark zugleich. Aber die zierliche Performerin, die mit ihrer Familie in Bad Zurzach lebt, kann auch ganz anders.
Johara bedeutet auf Arabisch Juwel und passt perfekt zur 38-jährigen Künstlerin mit iranischen, schweizerischen, russischen und österreichischen Wurzeln. Die Mutter von zwei Söhnen im Alter von drei und fünf Jahren sagt: „Bauchtanzen bedeutet für mich Liebe, Leidenschaft und 100-prozentig Frausein.“
Wer würde bei ihrem Anblick vermuten, dass sie einst eine Lehre als Logistikassistentin auf dem Flughafen Zürich machte und mit dem Hubwagen herumfuhr, um Güter zu transportieren? Gleichzeitig Mitglied der Stützpunktfeuerwehr in Dübendorf war? Und sich später zur Polizistin ausbilden ließ und sechs Jahre bei der Zürcher Stadtpolizei arbeitete?
Mit 14 den ersten Bauchtanzkurs besucht
Das Einsatzgebiet von Johara Ringli war der berüchtigte Kreis 4. Dort erlebte sie so einiges. „Straßenkriminalität und Drogenmissbrauch waren an der Tagesordnung“, erzählt sie. Am meisten wurde sie mit den Auswirkungen von Betäubungsmittelkonsum konfrontiert. Die seelisch oft belastenden Situationen und unterschiedlichen Schichten konnte sie gut stemmen.
Als sie mit ihrem ersten Kind schwanger war, ging ihr die ständige Brutalität allerdings an die Substanz. „Zudem wollte ich meinen Sohn nicht in eine Krippe geben, sondern ganz für ihn da sein“, sagt sie. „Durch die Erwerbstätigkeit meines Mannes waren wir nicht existenziell auf zwei Gehälter angewiesen. Das war für mich ein Geschenk.“ Ihre große Liebe, mit der sie vor vier Jahren von ihrer Heimat Zürich nach Bad Zurzach zog, lernte sie beim Thaiboxen kennen. Heute trainiert sie mit Freihanteln, um fit zu bleiben.
Dank ihres Berufes lernte Johara Ringli, auch in Extremsituationen adäquat zu handeln und Sicherheit zu vermitteln. Ihre Fraulichkeit lebte sie seit jeher im Tanz aus. Mit 14 besuchte sie ihren ersten Bauchtanzkurs, 2008 machte sie eine Ausbildung als Tänzerin und Lehrerin für orientalischen Tanz in Ägypten.
Weckruf von einem Arbeitskollegen erhalten
Ihren ersten Auftritt hatte sie bereits im Alter von 17 Jahren. „Ich durfte meine Show im noblen Zürcher Fünf-Sterne-Luxushotel Baur au Lac zeigen und war mächtig aufgeregt“, sagt sie. Wegen der anstrengenden Einsätze bei der Stadtpolizei lag das große Hobby allerdings eine Zeit lang auf Eis. Doch ihr fehlte stets etwas Grundlegendes, um richtig glücklich zu sein.
Alles änderte sich, als ein Polizeikollege nach einer Nachtschicht beiläufig und total übermüdet von sich gab: „Das Einzige, was ihr einmal bereut, ist das, was ihr nicht gemacht habt.“ Für Johara war das wie ein Weckruf. „Mir wurde mit einem Schlag klar, dass ich kündigen und mich ganz dem Bauchtanz widmen wollte.“ Sie handelte: Sie gestaltete eine Website, schnitt Musik zusammen und studierte neue Choreografien ein. Bald wurde die zweifache Mutter wieder für Auftritte gebucht. Mittlerweile sind es rund 100 pro Jahr. Ihr Mann steht hinter ihr und passt auf den Nachwuchs auf, wenn sie abends Auftritte hat.
Johara Ringli hat im Bauchtanz-Beruf ihre ganz große Passion gefunden. „Manchmal kann ich kaum schlafen vor lauter Glück und Dankbarkeit. Ich werde sicher auch noch tanzen, wenn ich alt bin“, sagt sie und strahlt über das ganze Gesicht.
Die Autorin ist Mitarbeiterin der „Aargauer Zeitung“. Dort ist dieser Beitrag auch zuerst erschienen.