Wenn in Liechtenstein geheiratet wird, blickt die Welt kurz auf das kleine Fürstentum in den Alpen. Selten gewährt die fürstliche Familie Einblicke in ihr Leben. Umso größer ist die Neugier, wenn sie es doch einmal tut. So auch am 30. August 2025, als Prinzessin Marie Caroline, die Tochter des regierenden Fürsten Alois von und zu Liechtenstein, heiratete. Doch trotz vieler Fotos blieb die Familie auch an diesem Tag lieber für sich.

Warum ist das so? Ein Historiker und ein Adelsexperte erklären, warum die Liechtensteins so diskret agieren – und warum das eng mit ihrer Geschichte und der Thronfolge verbunden ist.
Vom österreichischen Adel zum Fürstentum in den Alpen
„Die Familie von und zu Liechtenstein zählt wohl zu den verschwiegensten und diskretesten Herrscherfamilien in Europa, wenn nicht gar weltweit“, sagt René Haenig, Royal-Experte bei der Schweizer Illustrierten. Zudem ist sie eine der ältesten österreichischen Adelsfamilien.
1608 wurde Karl I. Liechtenstein vom Kaiser der Fürstentitel verliehen. „Und dieser Fürstentitel war bis dahin ein Zeichen dafür, dass man seine eigene kleine Monarchie hat“, sagt der Berliner Historiker Leonhard Horowski. Doch den Liechtensteinern fehlte ein unabhängiges Territorium, über das sie herrschen konnten.
Deshalb machte sich die Familie auf die Suche danach, die 100 Jahre lang dauerte. Dann erwarb sie die Herrschaft Schellenberg und die Grafschaft Vaduz. Beide Gebiete wurden 1719 zum Reichsfürstentum Liechtenstein vereinigt. „Aber das erste Mal, dass ein Angehöriger der Familie Liechtenstein sich auch nur die Mühe gemacht hat, da mal aus Neugier hinzureisen, war 1842“, sagt Leonhard Horowski. Über 200 Jahre blieb das Land Dekoration für die Familie, deren Rang davon abhing. Erst 1938 zog die Familie von Wien in das Schloss Vaduz.
Verschwiegenheit als Prinzip der Familie
Bis heute pflegt das Fürstenhaus eine ungewöhnliche Zurückhaltung. Während Königshäuser wie die Windsors oder die niederländische Königsfamilie ihr Leben öffentlich teilen, ist über die Liechtensteins kaum etwas bekannt. Das hat laut Leonhard Horowski mehrere Gründe: Dort gibt es weniger Paparazzi und Medien als in London, Paris, New York oder Berlin. „Das ist alles naturgemäß in einem kleinen Städtchen wie Vaduz nicht vertreten“, sagt der Historiker.
„Ein König ist zudem interessanter als ein Fürst – und ein großes Land interessanter als kleines Land.“ Als drittes kommt die Sprachbarriere hinzu: „Wir hören auch deswegen so viel über die britische Monarchie, weil Englisch irgendwie alle können.“

Und selbst, wenn die Liechtensteins international auftreten, bleiben sie unbeachtet. „Da, wo sie im Mittelpunkt stehen, da gibt es nicht die Art von Presse, die das machen würde. Und da, wo es die Presse gibt, kommen sie zwar hin, werden aber kaum wahrgenommen“, schließt der Historiker.
Der Unterschied zwischen Adel und Herrschern
Während andere Monarchien im 20. Jahrhundert die Nähe zur Bevölkerung suchen, haben die Liechtensteins bewusst einen anderen Weg eingeschlagen. Leonhard Horowski beschreibt sie weniger als klassische Herrscherfamilie, sondern vielmehr als „allerreichste österreichische Adelige, die nur durch fast Zufall auch diesen winzigen Staat besitzen“. Ihr Verhalten sei das des Hochadels – nicht eines Königshauses. Und aus Sicht der Könige waren Familien wie die Liechtensteins zwar die vornehmsten Untertanen, aber eben Untertanen.
Deshalb müssen sie nicht bei dem Medienspiel mitmachen, wie es Leonhard Horowski nennt. Die heutigen Herrscherhäuser würden in einer Welt existieren, die nicht zu ihnen passt. Sie seien seit 1918 die wenigen Überlebenden ihrer Art sind müssten ständig aufpassen, dass sie nicht abgeschafft werden.
„Daraus resultiert die Strategie: Wir müssen uns volkstümlich zeigen, wir müssen den Leuten zeigen, wir sind so wie ihr“, beschreibt der Historiker. Das treffe auf die Liechtensteins nicht zu. Zwar könnte theoretisch auch über das kleine Land in den Alpen eine Revolution hinwegfegen. „In der Praxis ist es aber dort extrem unwahrscheinlich“, so der Historiker.

Doch auch in anderen Königshäusern würde verschwiegen, was nicht an die Öffentlichkeit soll oder ein schlechtes Licht auf das Königshaus wirft, sagt Royal-Experte René Haenig. „Aktuelles Beispiel ist Norwegen mit den schwerwiegenden Anschuldigungen an Kronprinzessin Mette-Marits Sohn Marius Borg Høiby. Aber der entscheidende Unterschied ist sicher auch der, dass andere Häuser wie in Großbritannien, den Niederlanden oder Schweden sich irgendwann geöffnet haben. Und wenn man erstmal den Schuh zwischen Tür und Angel hat – wie man so schön sagt – ist es schwer, die Tür wieder zuzubekommen.“
Diskretion sorgt für Spekulationen
Neben den Vorteilen, die die Diskretion birgt, lässt sie auch Raum für Spekulationen, wie René Haenig sagt. „Jüngstes Beispiel in der Geschichte des Fürstenhauses Liechtenstein ist der frühe Tod von Prinz Konstantin vor zwei Jahren. Er war gerade 51 und verstarb plötzlich – ohne Angabe von Gründen.“
Auch die Todesursache von Prinz Wenzel, der im Jahr 1991 mit 28 Jahren tot in seinem Bett aufgefunden wurde, bleibt bis heute ein Rätsel. Doch: „Irgendwann wächst immer Gras über eine Sache und das Vergessen setzt ein. Darauf setzt offenbar auch das Fürstenhaus – bisher mit Erfolg aus seiner Sicht“, so René Haenig. Ebenso sorgte das Erzbistum Vaduz bereits für Aufsehen, ein deutscher Priester stand wegen Kinderpornografie-Vorwürfen und sexueller Belästigung vor Gericht.
Liechtensteins Tradition der Thronfolge
Oft kritisch betrachtet wird auch die Regelung zur Thronfolge. Die Familie von und zu Liechtenstein definiert sich seit 900 Jahren über die männliche Linie. Erbprinz Alois nimmt als ältester Sohn von Fürst Hans-Adam II. bereits seit 2004 die Aufgaben des Staatsoberhauptes wahr. Frauen sind bis heute aus der Thronfolge ausgeschlossen. Eine Änderung, bei der die Kinder nur nach der Reihenfolge der Geburt den Thron erben, ist laut dem Historiker Leonhard Horowski nicht zu erwarten.

Die fürstliche Familie gehört nach traditioneller historischer Definition zum deutschen Adel. „Und in allen deutschen Monarchien war es so, dass Frauen nicht erben konnten“, erklärt der Historiker. Das sei eben die Tradition der Liechtensteins. „Und da niemand sie drängelt, ist das nicht absehbar, dass sie das ändern werden.“ Mit dem Familiennamen wird auch das Fürstentum mitgegeben.
Die Familie von und zu Liechtenstein bleibt ein Sonderfall unter Europas Monarchien. In ihren Traditionen liegen die Faszination und Stabilität des Fürstentums. Und wenn die Familie doch einmal ins Rampenlicht tritt, wie bei einer Hochzeit, gewähren sie einen seltenen Blick hinter die Kulissen.