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Angelo, hat das Comeback der Kelly Family Ihre Erwartungen übertroffen?

Dass unser Album auf Platz Eins einsteigt, das war – ohne falsche Bescheidenheit – ganz klar mein Ziel. Aber dass wir mittlerweile fünfzig Konzerte für nächstes Jahr auf dem Programm haben, das ist schon weitaus mehr, als ich mir erhofft hatte. Wir haben allerdings auch sehr hart daran gearbeitet, die Band wieder nach vorne zu bringen.

Sie hatten im November 2016 in einer Talkshow verkündet, dass Sie als Kelly Family ein Konzert in der Dortmunder Westfalenhalle spielen würden …

…und nach 18 Minuten war die erste Show ausverkauft. Da waren wir alle ziemlich baff. Es gab ja keine Plakate, keine Werbung, gar nichts.

Woran liegt es, dass Sie wieder so begeistert aufgenommen wurden?

Viele Menschen kennen uns noch von ganz früher, als wir auf der Straße spielten. Die Grundstimmung uns gegenüber war positiv. Ende der Neunziger kippte das, plötzlich waren alle gegen uns. Auch zu Recht. Wir benahmen uns wie Neureiche, wohnten in einem Schloss, waren hochnäsig geworden. Wir waren ein leichtes Ziel für die Häme der Stefan Raabs dieser Welt. Wir haben auch berufliche Fehler gemacht, Paddy und ich waren Teenie-Idole. Wir hätten uns da mehr zurückhalten müssen. Aber das Negative ist mit der Zeit abgestorben, und übriggeblieben ist das Gefühl des ersten Kennenlernens auf der Straße. Und deshalb freuen sich die Leute jetzt, dass es uns wieder gibt.

Sie waren immer das Nesthäkchen. Jetzt sind Sie 35 und der musikalische Leiter der Kelly Family, außerdem Showleiter der Konzerte. Was ist gleich geblieben, wenn Sie auf der Bühne hinter dem Schlagzeug sitzen?

Die Aufregung! Aber sonst ist wirklich alles anders. Ich habe Höhen und Tiefen erlebt und bin heute viel sensibler dafür, was es heißt, auf der Bühne zu sein. Und die Rollen innerhalb der Band haben sich in der Tat stark gewandelt. Es ist heute nicht mehr so wie damals, als unser Vater der Chef war. Jetzt bringt jeder seine Talente ein und trägt zum Gelingen des Projekts „Kelly Family“ bei.

Einige von Ihnen waren in den späten Neunzigern körperlich und psychisch ausgebrannt. Wie war das bei Ihnen?

Ich brauchte ein paar Jahre, um alles, was geschehen war, zu verarbeiten und abzuhaken. Man neigt ja dazu, wenn plötzlich alles den Bach runter geht, das nicht wahrhaben zu wollen. Ich habe dann bewusst Abstand genommen und geguckt, dass ich mein Leben auf die Reihe bekomme. Meine Frau Kira war mir eine große Hilfe, wir gründeten eine Familie, das hat mich gerettet.

Sie sind mit 19 das erste Mal Vater geworden.

Richtig. Ich kannte meine Frau schon, seit ich neun war. Mit 17 sind wir ein Paar geworden, und es klingt verrückt, aber schon das erste Kind war geplant, das hatten wir uns gewünscht. Für mich war immer klar, dass ich eine Großfamilie haben möchte, alles andere war keine Option.

Sie sind nie zur Schule gegangen. Wie ist das mit Ihren Kindern?

Die gehen auch nicht. Die beiden ältesten hatten wir erst ein paar Jahre in der Schule, und irgendwie hatten wir das Gefühl, das ist nicht der richtige Weg für uns. Also begannen wir auf unserer Reise damit, die Kinder selbst zu unterrichten.

Sie sind ab 2010 drei Jahre lang mit dem Wohnmobil durch Europa gefahren, Ihre Frau reiste teilweise ja schon zu Kinderzeiten mit der Kelly Family mit. War das eine Reise zu den eigenen Wurzeln?

Total. Ich habe das Herumreisen als Kind mit der Familie geliebt. Ich habe mich immer wohl dabei gefühlt, ein Vagabundendasein zu führen. Bei mir war es einige Jahre etwas bürgerlicher, wir lebten in Bonn, doch dann habe ich schnell gemerkt, dass das nicht das Richtige für mich ist. Also sind wir losgefahren. Diese freie Art zu leben, das bin ich.

Heute leben Sie in Irland. Warum?

Das Irische ist unsere Identität, auch wenn wir Kellys in verschiedenen Ländern geboren wurden, ich zum Beispiel in Spanien. Ich fühle mich in Irland zuhause, die Mentalität ist auch insgesamt entspannter als in Deutschland. Wenn Bono in eine Kneipe kommt, dann drehen sich kurz die Köpfe, man registriert „Aha, da ist Bono“, und dann wird weitergetrunken.

Fragen: Steffen Rüth

 

Zur Person

Angelo Kelly, 35, ist das jüngste Mitglied der irisch-amerikanischen Kelly Familiy und jetzt Chef der Familienband. Er hat vier Halbgeschwister und sieben Vollgeschwister. Nach den Erfolgen in den Neunzigerjahren erlebt die nun auf sechs Geschwister geschrumpfte Band ein Comeback. Ihr aktuelles Album „We got Love“ erreichte bereits Platin-Status. RTL sendet am 13. Dezember das TV-Special “40 Jahre The Kelly Family”. Ab Januar folgt eine große Tournee. (sk)