Mr. Cooper, Sie geben seit 57 Jahren Konzerte. Wovon können Sie noch immer nicht genug kriegen?
Alice Cooper: Auf und neben der Bühne sind zwei ganz verschiedene Welten. Live kann ich in eine ganz andere Rolle schlüpfen, da bin ich die Fantasy-Figur Alice Cooper. Für mich ist das purer Spaß! (lacht) Ich denke, die Leute werden überrascht sein, wie energiegeladen die Show ist und dass sie ihnen kaum Zeit lässt, um Atem zu holen.
Sie haben Acts wie Ozzy Osbourne, Marilyn Manson, Rammstein und Lordi beeinflusst. Woher kam die Inspiration?
Cooper: Ich hatte schon als kleiner Junge einen ziemlich guten schwarzen Humor, lachte über Dinge, die andere nicht lustig fanden. Später kam ich auf die Idee, auch im Rock‘n‘Roll mal eine Figur zu erschaffen, die nicht nur ein Held, sondern auch ein Bösewicht ist. Alice Cooper ist gleichzeitig intelligent, humorvoll und gruselig.
Welche Horrorfilme und -figuren sind Ihre Favoriten?
Cooper: Ich liebe generell das Gefühl, das gute dunkle Komödien erzeugen. Du lachst irgendwie, während du Angst hast. Das ist, wie wenn du in eine Achterbahn steigst. Du weißt, du wirst dich auf der Fahrt mit ihr erschrecken, aber sie wird dich sicher zurückbringen.
Vor Ihrem ersten Konzert in Zürich 1971 musste der Veranstalter für Sie Kissen besorgen und danach der Hausmeister die Sauerei im Volkshaus beseitigen …
Cooper: Nun, wir hätten dem armen Kerl sicher ein Trinkgeld geben sollen, zumal es in den 70er-Jahren ja ein fixes Element in unserer Show war. Wir haben hinter der Bühne immer zwei oder drei Kissen geöffnet, die Federn mithilfe von CO2-Patronen ins Publikum geblasen und mit Stroboskoplicht beleuchtet. Das sah aus, als würde ein Wirbelsturm über die Leute hinwegfegen, die dann alle mit Federn in den Haaren und an den Kleidern nach Hause gingen. Sie haben Alice Cooper sicher nie vergessen! (lacht)
Gibt es davon eine Version 2.0?
Cooper: Ja, am Ende von „School‘s Out“ lassen wir große Luftballons, die mit Konfetti gefüllt sind, über dem Publikum platzen. Dann herrscht so richtig Party-Stimmung.
Wie tickt die Privatperson Alice Cooper?
Cooper: Da bin ich Ehemann, habe drei Kinder und Enkel, und ich arbeite für meine Wohltätigkeitsorganisation Solid Rock, die Kindern ermöglicht, kostenlos Instrumentalunterricht zu bekommen. Ich bin immer aktiv, sitze nie herum – das hält jung. Ich fühle mich in Bestform. Das Alter spielt keine Rolle. Ich fühle mich mit 77, als wäre ich 40.
Sie sagen, dass Sie Ihrer Frau immer treu waren. Wie haben Sie es geschafft, den Versuchungen zu widerstehen, denen einen Rockstar ausgesetzt ist?
Cooper: Mein Vater war Pastor, Cheryls Vater auch – gemäß unseren altmodischen Moralvorstellungen ist es nicht nur ein Stück Papier, wenn man verheiratet ist. Es bedeutet, dass man dieser Person für immer gewidmet ist. Wir vertrauen einander so, dass ich nicht eifersüchtig würde, wenn sie mit den Chippendales unterwegs wäre, und sie nicht, wenn ich mit dem schwedischen Bikini-Team auf Tour ginge! (lacht)
Was hat Sie bewegt, vor 40 Jahren mit Alkohol und Drogen Schluss zu machen?
Cooper: Wenn ich weitergemacht hätte wie vorher, würde ich schon lange zum Club der toten Rockstars gehören. Irgendwann stand ich vor der Wahl: Will ich leben oder will ich sterben? Ich wachte am Morgen auf und habe Blut erbrochen, Cheryl war kurz davor, mich zu verlassen, und ich fühlte mich erschöpft von meiner Karriere. Später erkannte ich, dass ich nüchtern doppelt so viel zu leisten imstande bin.
Wie kamen Sie von Ihrer Sucht los?
Cooper: Ich musste nicht zu den Anonymen Alkoholikern gehen oder andere Therapien machen. Gott hat mich von diesem Wahnsinn befreit. Es war ein echtes Wunder, dass es mir fast über Nacht gelungen ist, so ziemlich …
Nun können Sie das Leben genießen, machen mit Ihrer Frau Sightseeing und shoppen, wenn sie mit auf Tour ist.
Cooper: Cheryl kommt immer mit, denn sie ist Teil der Show und kann noch immer jede 22-jährige Tänzerin ausstechen! (lacht) Sie verkörpert zwei oder drei Charaktere und singt hinter der Bühne alle sehr hohen Gesangsparts, die einige der Jungs nicht erreichen können. Als unsere ältere Tochter Calico 18 wurde, hat sie ihren Part für zehn Jahre übernommen, damit sich Cheryl um die jüngeren zwei Kinder kümmern konnte. Nun hat sie ihre eigene Rolle.