Von 3000 auf null: Was einst der größte Arbeitgeber von Konstanz war, ist bald ganz Geschichte. Der japanische Pharmakonzern Takeda hat angekündigt, seine Deutschland-Zentrale – oder was davon übrig geblieben ist – nach Berlin zu verlegen. Und was einst ein bedeutender Standort der Pharmaindustrie war mit Byk Gulden und dann dem Hauptsitz des damaligen Dax-Konzerns Altana, verliert einen weiteren Baustein seiner wirtschaftlichen Basis. Denn auch der Medikamentenhersteller Dr. Kade, einst an der Ecke Reichenaustraße/Opelstraße, hat der Stadt am Bodensee bereits den Rücken gekehrt.
„Es war schon seit langem ein Abschied auf Raten“
Erste Reaktionen fallen ernüchtert aus. „Überraschend kommt das nicht“, sagt ein früherer langjähriger Mitarbeiter, der all die Umstrukturierungen der vergangenen Jahrzehnte mit- und durchgemacht hat, „es ist doch seit langem ein Abschied auf Raten.“ 60 Arbeitsplätze sind es zuletzt noch gewesen, so wenig war von einer Firma mit einst 3000 Jobs übrig geblieben.
Auch wenn die Betroffenen offenbar großzügige Abfindungsangebote bekommen, vollständig ins Home-Office wechseln dürfen oder alternative Stellen in Berlin oder am weiterhin brummenden Produktionsstandort Singen antreten können: Der Stadt bricht etwas weg.
Auch bei der Gewerbesteuer wird es spürbar sein
Das wird sich auch in der Stadtkasse bemerkbar machen. Denn trotz der nur noch kleinen Belegschaft war Takeda ein ordentlicher Gewerbesteuerzahler, heißt es. Mit Blick auf das Steuergeheimnis kann die Stadtverwaltung das nicht kommentieren, aber von den hohen Profiten im Arzneigeschäft ist auch ein kleiner Anteil in den öffentlichen Kassen am Standort Konstanz gelandet.
Damit dürfte nun bald Schluss sein. Dann künden nur noch der pompöse Würfelbau an der Riedstraße und die inzwischen überwiegend anders genutzten Büro- und Laborgebäude entlang der Bahnlinie vom einstigen Glanz.
Aus wird kurz vor der Gemeinderatssitzung bekannt
Für die Politik vor Ort ist das angekündigte Aus ein Schockmoment. Die Nachricht ist erst wenige Stunden alt, da tritt der Gemeinderat am Donnerstag, 24. Juli, zusammen – und Takeda wird in öffentlicher Sitzung nicht einmal erwähnt. Es müssen sich offenbar erst einmal alle sortieren und nachdenken, dass nun auch der Pharma-Standort weitgehend Geschichte ist.
Oberbürgermeister Uli Burchardt erklärt am Tag danach: „Takeda hat sich nach eigenen Angaben für die zentrale Bündelung seiner Vertriebsaktivitäten in Berlin entschieden. Ich bedauere diesen Schritt sehr, nicht zuletzt im Hinblick auf die rund 60 betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Sinne unserer Region freue ich mich aber, dass der Produktionsstandort in Singen bestehen bleibt.“

Jetzt, so der OB weiter, gelte es, in der verbleibenden Zeit bis 2028 gemeinsam an Perspektiven zu arbeiten und gute Lösungen für alle Beteiligten zu finden: „Die Wirtschaftsförderung und ich werden diesen Prozess eng begleiten.“ Dazu gehöre auch der Austausch mit den gemeinderätlichen Gremien.
Für den Wirtschaftsstandort sieht Burchardt in der „Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft“ gute Perspektiven. Er erinnert dazu an einen Transferdialog der Stadt Konstanz jüngst, an dem HTWG, Universität und Vertretern aus der Konstanzer Wirtschaft.
CDU-Bundestagsabgeordneter: „Ein schwerer Schlag“
Auch Andreas Jung, direkt gewählter CDU-Bundestagsabgeordneter, spricht von einem „schweren Schlag“. Er verweist auf die lange Geschichte der Firma und ihrer Vorgängerunternehmen und knüpft daran eine klare Erwartung: „Takeda muss nun seiner sozialen Verantwortung gerecht werden und für die Betroffenen gute Lösungen finden“, erklärt er auf SÜDKURIER-Anfrage. Zugleich ist er aber auch erleichtert, dass sich der Konzern zum Produktionsstandort Singen bekennt, wo über 1000 Menschen ihre Arbeitsplätze haben.

In der Noch-Firmenzentrale an der Byk-Gulden-Straße ist am Freitag von einer Veränderung noch nicht viel zu spüren. Etwas versteckt an einer Rampe prangt noch das Takeda-Firmenschild, immerhin soll die Schließung erst 2028 vollzogen werden. Viele Menschen sind hier nicht unterwegs, die meisten wollen zum Finanzamt, das hier inzwischen als Mieter der Immobilienfirma „The Plant“ untergekommen ist.
Keine Transparente, keine Mahnwache, keine Kundgebung. Die Zeiten, in denen eine solche Zäsur im Wirtschaftsleben der Stadt zu einem Aufschrei führt, scheinen vorbei.