Meine ganz persönliche Meinung ist ja, dass wir zu viel Meinung haben. Wenn es so weitergeht, trauen wir uns vor lauter Meinung kaum noch vor die Tür. Das Wetter zum Beispiel: Es ist nicht lange her, da galt es als Lehrbeispiel für unverfängliche Themenwahl. Willst du dich beim Smalltalk nicht mit politischen Aussagen in die Nesseln setzen, rede über das nahende Hochdruckgebiet! So war das mal.

Freut man sich heute allzu forsch über steigende Temperaturen, schwingt gleich eine Meinung zum Klimawandel mit. Und die höfliche Frage nach familiärer Herkunft führt geradewegs in eine Rassismusdebatte. Bald können wir nicht mal mehr „Grüß Gott“ sagen, ohne uns in spitzfindige Diskurse zu verstricken. Welchen Gott meinst du? Wer sagt denn, dass er männlich ist? Und wie kannst du ihn grüßen, angesichts der in seinem Namen geführten Kriege?

Schon Cato nervte mit seiner Meinung

Vom römischen Staatsmann Cato ist überliefert, dass er jede einzelne seiner Reden mit dem Ausspruch abschloss: „Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden muss.“ Die anderen Senatoren hatten diese ständige Meinungsbekundung bald so satt, dass sie Kathargo tatsächlich in Schutt und Asche legen ließen. Ich habe es mal eine Zeit lang mit der Schlussformel „...dass dieses Kinderzimmer aufgeräumt werden muss“ versucht. Das Ergebnis – na ja, bin halt kein römischer Staatsmann.

Allerdings schicke ich inzwischen eine Art Offenlegung im Cato-Stil voraus, bevor ich mich irgendwas zu sagen traue. „Ich erkläre hiermit, dass ich den Klimawandel für gefährlich halte, Benachteiligungen aller Art verabscheue, den Weltfrieden befürworte, im Glauben strebsam bin, aber nicht gefestigt, Fleisch esse (eher Rind als Schwein), Wein trinke (eher Nebbiolo als Sangiovese) und im Übrigen der Meinung bin: herrliches Wetter heute!“

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Das Meinen, heißt es bei Kant, sei „ein mit Bewusstsein sowohl subjektiv als objektiv unzureichendes Fürwahrhalten“. Das Fürwahrhalten beherzigen wir ganz wunderbar. Der Haken an der Sache liegt in der Idee des Unzureichenden. Es hat sich die fatale Ansicht eingebürgert, etwas so Unzureichendes wie Meinung ließe sich auf magische Weise in Wahrheit verwandeln, wenn man es nur laut genug anschreit. „Eher Nebbiolo als Sangiovese? Da liegen Sie falsch! Wissenschaftlich erwiesen! Belesen Sie sich erst, bevor Sie Lügen verbreiten!“

Vielleicht gibt es also gar nicht zu viel Meinung, sondern nur zu viel Wahrheit. Oder vielmehr etwas, das danach aussieht. Ist das so? Keine Ahnung. Sage nur meine Meinung.