Platz 10. Jochen Buchsteiner: „Wir Ostpreußen“ (dtv, 285 S., 26 Euro)

„Wir Ostpreußen“
„Wir Ostpreußen“ | Bild: DTV

Ausgehend von den autobiografischen Aufzeichnungen seiner Großmutter erzählt der langjährige Auslandskorrespondent Jochen Buchsteiner besonnen, unsentimental und reflektiert von der Heimat in und der Flucht aus Ostpreußen. „Wir sehen uns als Täter, und Täter sind viele Deutsche weiß Gott gewesen. Gleichwohl muss dem Nachspüren einer nationalen Tragödie – und um eine solche handelt es sich bei der ethnischen Säuberung der ehemaligen Ostgebiete – heute nicht mehr unterstellt werden, damit deutsche Untaten relativieren zu wollen.“ Stimmt.

Platz 9. Henning Sußebach: „Anna oder: Was von einem Leben bleibt“ (C.H. Beck, 205 S., 23 Euro)

„Anna oder: Was von einem Leben bleibt“
„Anna oder: Was von einem Leben bleibt“ | Bild: C. H. Beck

Noch eine historische Spurensuche eines ausgewiesenen Journalisten – diesmal gilt sie einer Urgroßmutter: Henning Sußebach rekonstruiert die Biografie der Lehrerin Anna Kalthoff, die von 1866 bis 1932 in Soest, den Niederlanden und im Sauerland lebte und uns Heutigen vormacht, wie man Freiheit und Selbstbestimmung in repressiven Systemen findet. Ein beeindruckendes Buch über eine beeindruckende Frau.

Platz 8. Ulli Lust: „Die Frau als Mensch“ (Reprodukt, 256 S., 29 Euro)

„Die Frau als Mensch“
„Die Frau als Mensch“ | Bild: Reprodukt

Welch Augenweide und Fest der Erkenntnisfreude! Ulli Lust reportiert in ihrem mit dem Deutschen Sachbuchpreis ausgezeichneten, enorm faktenreichen Comic Befunde der letzten 30 Jahre aus Archäologie und Genetik für die Vor- und Frühgeschichte, die älteren Vorstellungen von der Rolle der Frau in der Steinzeit ein überfälliges Upgrade verleihen.

Platz 7. Kerstin Holzer: „Thomas Mann macht Ferien“ (Kiepenheuer & Witsch, 208 S., 22 Euro)

„Thomas Mann macht Ferien“
„Thomas Mann macht Ferien“ | Bild: Kiepenheuer & Witsch

Dieses Buch liest sich wie eine Sommerfrische des Geistes. Acht ziemlich verregnete Wochen verbringt Thomas Mann 1918 mit Familie am Tegernsee. Den Dichter plagen Sorgen, denn politisch ist er mit der kurz bevorstehenden Veröffentlichung seiner „Betrachtungen eines Unpolitischen“ auf dem falschen Dampfer. Grundstürzend Neues über den „Zauberer“ erfährt zwar man nicht aus diesem erzählenden Sachbuch, aber wie Thomas Mann mithilfe von Hund Bauschan aus seiner Krise herausfindet, liest sich leicht und kurzweilig.

Platz 6. Tilmann Lahme: „Thomas Mann: ein Leben“ (Dtv, 592 S., 28 Euro)

„Thomas Mann“
„Thomas Mann“ | Bild: DTV

Verblüffend, was Thomas Mann laut dieser neuen Biografie alles geleistet hat: „Der Nord-Ostsee-Kanal, der in der Jugendzeit von Thomas Mann gebaut wird, sorgt dafür, dass Lübeck als Hafenstadt und Handelszentrum endgültig an Bedeutung verliert.“ Aber die unfreiwillige Komik in solchen Sätzen geht aufs Konto des Lektorats. Tatsächlich hat Tilmann Lahme eine süffige und kluge Lebensbeschreibung Thomas Manns geliefert, die vielleicht die lange unter den Teppich gekehrten homosexuellen Neigungen Manns etwas überbetont – aber das wird jede Leserin und jeder Leser für sich selbst entscheiden.

Platz 5. Elke Heidenreich: „Altern“ (Hanser Berlin, 99 S. 20 Euro)

„Altern“
„Altern“ | Bild: Hanser Berlin

Überquellend von angekarrten Zitaten, liest sich dieser einfältige Essay eher wie ein literarischer Abreißkalender.

Platz 4. Melanie Pignitter: „Wiedersehen mit mir selbst zwischen Pizza und Aperol“ (GU, 191 S., 19,99 Euro)

„Wiedersehen mit mir selbst“
„Wiedersehen mit mir selbst“ | Bild: GU

Diese Kreuzung aus einem Lore-Roman und einer Selbsthilfe-Fibel vereint die Geistlosigkeit des Schunds mit der abgeschmackten Vulgärpsychologie des Therapiesprechs. Niederschmetternd.

Platz 3. Rick Zabel: „On the road“ (Kiepenheuer & Witsch, 224 S., 24 Euro)

„On the Road“
„On the Road“ | Bild: Kiepenheuer & Witsch

„Radprofi sein setzt voraus, sich jeden Tag im Training zu quälen, akribisch auf seine Ernährung zu achten, sich rund um die Uhr überwachen zu lassen und immer dann, wenn Familie und Freunde fröhlich zusammenkommen, irgendwo auf der Welt in einem Trainingslager zu hocken – oder in einem kargen Dreisternehotel an irgendeiner Strecke in den Alpen oder auf Mallorca.“ Wenig überraschend also, dass sich so ein erzähltes Radsportlerleben auch ziemlich fad, spaßbefreit und eintönig liest.

Platz 2. Eckhard von Hirschhausen: „Der Pinguin, der fliegen lernte“ (Dtv, 168 S., 18 Euro)

„Der Pinguin, der fliegen lernte“
„Der Pinguin, der fliegen lernte“ | Bild: DTV

Am Anfang seines neuen Buches war Eckhard von Hirschhausen für einmal auf der richtigen Spur: „Zuerst hatte ich das Gefühl: Ich habe doch schon alles gesagt.“ Denn die Geschichte vom Pinguin, der an Land plump daherwackelt, für die Bewegung im Wasser aber perfekt adaptiert ist, hat er schon in „Glück kommt selten allein“, „Wohin geht die Liebe, wenn sie durch den Magen durch ist“ und in „Mensch Erde, wir könnten es so schön haben“ erzählt. Manchmal sollte man als Autor seiner ersten Intuition trauen.

Platz 1. Robin Alexander: „Letzte Chance“ (Siedler, 384 S., 25 Euro)

„Letzte Chance“
„Letzte Chance“ | Bild: Siedler

Robin Alexander erzählt Politik als Krimi im Zeitalter der Aufmerksamkeit steuernden Algorithmen – und das allein schon ist kein geringes Verdienst: Glaubt Merz wirklich, dass Trump den Austritt aus der Nato plant und ist er deshalb bereit, Schuldenbremse und Brandmauer zu den Linken zu schleifen? Wie nahe ist Putin am Einsatz nuklearer Atomwaffen auf den Schlachtfeldern in der Ukraine? Zerbricht die Ampel am Fehlen eines strategischen Zentrums? Ein wenig erinnern mich Alexanders in atemlosem Präsens verfasste Politikreportagen an Theodor Fontanes Bücher über die Kriege Preußens gegen Dänemark, Österreich und Frankreich: sorgfältigst recherchiert, zum Zeitpunkt ihres Erscheinens rasend populär, am Ende aber eher poetischen als historischen Wahrheiten verpflichtet.