Von Sparen ist zunächst nicht die Rede. Das Programm der Bodensee Philharmonie für die kommende Saison sieht auch nicht danach aus, als müsste das Publikum ab jetzt kulturellen Hunger leiden. Der Konzertkalender hinten im neuen Programmbuch listet minutiös sämtliche Aktivitäten zwischen 18. September 2025 und 25. Juli 2026 auf – von den Philharmonischen Abo-Konzerten über Kammermusik, den Extrakonzerten wie die zu Weihnachten (darunter wieder eines mit Oliver Wnuk als Sprecher) oder mit dem Nachwuchsorchester der Jungen Bodensee Philharmonie, bis zu den Aktivitäten in den so genannten „Zukunftsmusik“-Wochen (bisher „Exzellenz-Wochen“ genannt), den Angeboten für Kinder, Jugendliche und Schulen in der Sparte „Eduard“, den Konzerten der Mozart-Reihe und den Gastkonzerten, für die das Orchester von anderen Veranstaltern eingekauft wird.

Für Zahlenfreaks: Auf 102 Veranstaltungen bringt es der Kalender – im Schnitt also jeden dritten Tag eine Aktivität. Das ist eine Menge Holz. Und da sind der neue Podcast der Philharmonie sowie das neue Format „Late Night“, das sich an ausgewählte Konzerte der Abo-Reihe anschließt, noch gar nicht berücksichtigt.

Chefdirigent Gabriel Venzago
Chefdirigent Gabriel Venzago | Bild: Andreas Etter

Warum Intendant Hans-Georg Hofmann und Chefdirigent Gabriel Venzago bei der Vorstellung der Saison 2025/26 auf diesen Konzertkalender hinweisen, hat seinen guten Grund. „Wir wollen nicht nur das Orchester im Konzil sein“, bringt es Venzago auf den Punkt. Das ist es zwar schon lange nicht mehr, doch diese Tatsache kommt nur langsam in den Köpfen der Menschen an.

Daher liegt nun ein besonderes Augenmerk darauf, die komplette Breite des Angebots angemessen darzustellen. Auch das Saison-Motto „Grenzenlos Musik“ lässt sich darauf beziehen: „Schön, dass wir nicht begrenzt sind auf das Konzil, nicht begrenzt sind auf die Abos, und auch nicht nur auf Deutschland“, sagt Venzago auch im Hinblick darauf, dass sich die Philharmonie seit der Umbenennung stärker denn je als Orchester für die gesamte internationale Bodenseeregion versteht.

Auch das neue Parkhaus wird bespielt

Raus aus dem Konzil – das hat die Philharmonie bereits in der jetzigen Saison praktiziert, vor allem in den mit Mitteln vom Bund unterstützten „Zukunftswochen“. Sie führten dorthin, wo sich auch Menschen aufhalten, die mit klassischer Musik wenig am Hut haben – ins Kaufhaus, in die Therme, auf den Wertstoffhof oder das Riesenrad auf Klein Venedig. „Wir merken deutlich, dass es da zu einer Wechselwirkung kommt“, zieht Hofmann eine Zwischenbilanz. Ähnlich geht es nun 2025/26 weiter. Händels „Wassermusik“ erklingt im Wasserwerk Konstanz, im Cinestar gibt es ein Crossover mit Musik aus Science-Fiction-Filmen und Videospielen, und selbst den Parkhaus-Neubau an der Europa-Brücke macht die Philharmonie zum Klangraum.

Ein Teil dieser „Xperiment“-Konzerte ist eingebettet in die Zukunfts-Wochen, deren Programm mit Stadtaktionen, Konzerten und Workshops kostenlos besucht werden kann. Die erste Zukunftswoche im November (drei weitere folgen in März, Mai und Juni 2026) stellt die Frage nach der Zukunftsmusik ganz explizit und dreht sich um digitale Welten, Künstliche Intelligenz und technologische Transformation. Um das konkret zu machen, wird sogar eine mit Künstlicher Intelligenz komponierte „Bodensee Ouvertüre“ im November-Konzert der Abo-Reihe erklingen. Gefüttert werden soll die Künstliche Intelligenz dafür mit Material aus Werken von Sergej Rachmaninow.

Damit wären wir dann doch noch bei den Abo-Konzerten im Konzil angekommen. Sie sind und bleiben letztlich das Herzstück des philharmonischen Angebots und sind natürlich auch wirtschaftlich gesehen ein zentraler Pfeiler des Programms. Angesichts von rund 2800 Abonnenten peilt Intendant Hans-Georg Hofmann jetzt die 3000er-Marke an – und weist stolz darauf hin, dass Konstanz im bundesweiten Ranking der Orchester-Abozahlen im Verhältnis zur Größe der Stadt bereits auf Platz zwei liege. Auf Platz 1 liegt Bamberg.

Venzagos Vater Mario zu Gast

Von den zehn Philharmonischen Programmen dirigiert Chefdirigent Gabriel Venzago vier selbst. Ans Pult zurückkehren werden einige gern gesehene Gäste wie die Südkoreanerin Yura Yang (Ende November) und der polnische Dirigent Pawel Kapula (Oktober). Und im Januar kommt Mario Venzago – der renommierte Schweizer Dirigent und Vater des Konstanzer Chefdirigenten. Er wird Brahms‘ 4. Symphonie und Chopins 2. Klavierkonzert dirigieren – und außerdem eine eigene Komposition im Gepäck haben.

In den philharmonischen Programmen gibt es neben den üblichen Verdächtigen (wie Tschaikowsky, Dvorak, Mendelssohn, Schumann, Brahms) auch wieder einige Entdeckungen zu machen, darunter Werke zweier Komponistinnen des 19. Jahrhunderts, Emilie Mayer und Louise Farrenc. Aber auch dem Komponisten Hans Werner Henze, dessen 100. Geburtstag 2026 ansteht, widmet sich die Philharmonie – unter anderem wegen seiner Verbindung nach Konstanz. Henze war in den Nachkriegsjahren nämlich musikalischer Mitarbeiter am Theater.

„Late Night“ im Konzil

Spannend wird auch, wie das erwähnte neue Format der „Late Night“ angenommen wird. Dafür verwandelt sich das Konzil nach dem offiziellen Konzert zum geselligen Ort für ein Nachtprogramm. Das Ganze sei „eine Art erweiterter Zugabe“, so Venzago und Hofmann. Die Solisten, die das neue Format mittragen, sind das Frank-Dupree-Trio, das bereits in der auslaufenden Saison für Furore sorgte, der Pianist und Improvisator Vassilis Varvaresos sowie der Organist Christian Schmitt, der mit seiner eigenen Konzertorgel nach Konstanz kommt.

Hans-Georg Hofmann.
Hans-Georg Hofmann. | Bild: Benno Hunziker

Und was ist nun mit den Sparbemühungen? „Wir haben schon ganz schön gebastelt am Programm. Es war ein wahnsinniges Nachdenken“, sagt Hofmann. Oft habe man sich dann für die nächst kleinere Alternative entschieden. Erfolgreich waren aber auch die Bemühungen, Programme verstärkt an externe Veranstalter zu verkaufen, insbesondere an die Tonhalle Zürich.

Dass darüber hinaus Gabriel Venzago gut vernetzt ist und so immer wieder junge, vielversprechende Musiker nach Konstanz holt, war in der Vergangenheit bereits zu bemerken. Man darf davon ausgehen, dass er auch für gestandene Größen einen guten Preis aushandeln konnte. So wird etwa mit Ivor Bolton einer der ganz großen Mozart-Spezialisten die Mozart-Reihe bereichern. Venzago hat in Salzburg bei Bolton studiert...