Frau Fries, die Serie „Babylon Berlin“ nach den Romanen von Volker Kutscher geht in eine neue Runde – die dritte Staffel startet jetzt bei Sky und läuft im Herbst in der ARD. Was hat sich für Sie seit der Ausstrahlung der ersten beiden Staffeln geändert?
Es hat sich so einiges verändert, ich bekomme jetzt ganz andere Anfragen, auch aus England oder Amerika. Mit steigendem Bekanntheitsgrad steigt im Kapitalismus eben der sogenannte Marktwert eines Schauspielers und man kommt plötzlich für andere Sachen in Frage. (lacht) Zum Beispiel habe ich unter der Regie von Oscar-Preisträger Stefan Ruzowitzky eine Kinoproduktion gedreht. Und ich werde hin und wieder auf der Straße erkannt, selbst wenn ich eine Mütze aufhabe.
Sie ermitteln in der Serie als Kollegin von Kommissar Gereon Rath im Berlin der 1920er-Jahre. Schlüpfen Sie gerne in die Haut von Charlotte Ritter?
Ja, sehr, das ist toll. Mir gefallen ihre positive Art und ihre Stehauf-Qualität. Auch wenn es nicht immer nur die pure Wonne ist, sie zu spielen.
Warum nicht?
Weil die Figur auch mit Schmerz verbunden ist, es ist nicht alles nur schön in Charlottes Leben. Sie kommt aus ärmlichen Verhältnissen und ist schon in den ersten beiden Staffeln durch existenzielle Momente gegangen. Sie ist unter anderem nach einem Autounfall beinahe ertrunken. Beim ersten Lesen des Drehbuchs dachte ich: „Huch, das haben die mir ja gar nicht erzählt, dass sie in der Szene stirbt.“ Dann habe ich aus Neugier weitergelesen und war froh, dass sie überlebt. Auch in den neuen Folgen wird Charlotte sehr leiden.
Eine Herausforderung für Sie?
In der dritten Staffel gibt es existenzielle Szenen, die mit Verlusten für Charlotte verbunden sind, das kostet mich viel Kraft. Immer wenn es um Leben und Tod geht, muss ich sehr viel Energie in das Spiel hineingeben, das ist sehr anstrengend. Ich musste auch sehr viel schreien, wie der Zuschauer sehen wird, das ging mir total auf die Stimme.
Was war sonst besonders anstrengend?
Die Tanz-Szenen! Ich musste ja vor den ersten Staffeln überhaupt erst mal Charleston lernen – jetzt ging es darum, neue Choreografien einzustudieren.
Wie geht es mit Charlottes Kampf um Anerkennung in der Männerwelt weiter?
Das mit der Emanzipation ist ein zentraler Punkt, generell kämpft sie für Anerkennung und Wahrheit. Es kann ja nicht wahr sein, dass Männer mehr wert sein sollen als Frauen – damals wie heute, das passt nicht in ihr humanistisches Weltbild. In den neuen Folgen ist sie allerdings Kommissars-Assistentin, also Teil des Systems, und kann nicht mehr wie früher einen Spruch bringen, wenn ihr jemand blöd kommt.

Wie gut kennen Sie eigentlich die Romane von Volker Kutscher?
Ich habe bisher keinen einzigen gelesen, denn das würde mich nur irritieren. Bevor wir angefangen haben, die erste Staffel zu drehen, habe ich den ersten Roman aufgeschlagen. Dann habe ich eine Stelle gelesen, da hieß es sinngemäß: „Charlotte Ritter mit ihren langen Beinen.“ Da habe ich das Buch sofort zugeschlagen, denn diese banale Äußerlichkeit hat mir klar gemacht: Diese Figur hat gar nichts mit mir zu tun. Ich muss meine Charlotte Ritter finden, und die bei uns ist ganz anders als die in den Romanen.
Was sagt Volker Kutscher dazu?
Er meinte, dass Charlotte, auch wenn sie nicht ganz so ist wie in den Büchern, trotzdem den Nerv seiner Figur getroffen habe. Das finde ich total schön.
„Babylon Berlin“ gilt als teuerste deutsche Serie aller Zeiten. Wie schlägt sich dieser Aufwand beim Dreh nieder?
Den merkt man schon, vor allem in den großen Szenen mit den vielen Komparsen. Gerade bei den Straßenszenen gibt es immer wieder Momente, wo man die riesigen Dimensionen der Serie spürt. Manchmal kommt man hin und staunt nur noch, wie viele Menschen da sind, alle in Kostüm und Maske, und wie gut man das Leben von damals spürt.
Gibt es viele Fachberater am Set, die auf historische Genauigkeit achten?
Eigentlich nicht. Die Details werden im Vorfeld natürlich recherchiert, aber letztlich ist es ja Fiktion. Die Serie versucht, die 20er-Jahre korrekt abzubilden, aber nicht in wahnwitziger Akribie, deshalb haben wir keinen wissenschaftlichen Aufpasser. (lacht)