Herr Cerne, 2002 wurden Sie Moderator von „Aktenzeichen XY“. Wie kam das?
Hans Jahnke, der damalige Fernsehspielchef des ZDF, hatte mich angerufen und mir angeboten, die Moderation von XY zu übernehmen. Das kam für mich sehr überraschend. Ich war mit zwei Kollegen auf einem Parkplatz in der Provence in Frankreich unterwegs während der Tour de France, von der ich fürs ZDF berichtet habe.
Was hat sich an der Sendung geändert?
Wir haben in der Sendung immer an den Stellschrauben gedreht. Im Kern sind wir uns natürlich treu geblieben. Schließlich geht es ja in erster Linie um die realistische Darstellung der Fälle. Da darf es keine Ablenkung geben.
Welche Rolle spielen die sozialen Medien bei den Zuschauerreaktionen?
Sicher eine große Rolle. Ich selbst bin nicht so viel in den sozialen Medien unterwegs, aber ich merke, dass wir auch dort eine große Anhängerschaft haben und dass auch über die Fälle von XY kommuniziert wird. Das hilft bei der Weiterleitung von Informationen und kann auch Hinweise bringen.
Verfolgen die gezeigten Verbrechen Sie bis in den Schlaf?
Manche Fälle beschäftigen mich schon einige Zeit, die Sendung hängst du nicht wie einen Anzug in den Schrank. Aber ich habe einen ganz guten Mechanismus, um nach der Ausstrahlung emotional abzuschalten. Ich schlafe gut.
Welcher Fall ist Ihnen in den 20 Jahren am meisten unter die Haut gegangen?
Es gibt so viele, aber der Fall der kleinen Levke Straßheim hat mich sehr berührt. Das achtjährige Mädchen ist 2004 von ihrem Mörder vor der Haustür abgepasst worden. Er hatte sie ins Auto gelockt, später sexuell missbraucht, getötet und in einem Wald abgelegt. Die kleine Darstellerin in unserem Film sah Levke zum Verwechseln ähnlich. An diesen Fall muss ich sehr oft denken.
Welches war Ihr größter Fahndungserfolg, wenn man das so nennen kann?
Auch da ein Beispiel unter vielen: Der Fall Lolita Brieger konnte 29 Jahre nach der Tat auch durch „Aktenzeichen XY … ungelöst“ aufgeklärt werden, nach einem Auftritt des Ermittlers und des Staatsanwalts bei uns im Studio. Die 18-Jährige war 1982 von ihrem Liebhaber getötet und auf einer Mülldeponie abgelegt worden.
Noch während der Sendung meldete sich die Bekannte eines Mitwissers und brachte den Stein ins Rollen. In einer erneuten Vernehmung packte dieser Mitwisser dann aus. Die Leiche wurde gefunden und der Fall konnte aufgeklärt werden.
Welchen in der Sendung vorgestellten Fall, der bis heute unaufgeklärt ist, hätten Sie gern gelöst gesehen?
Den Mord an Kirsten Sahling. Die 38-Jährige, die gerade eine Krebserkrankung überstanden hatte, war im Juni 2009 im Berliner Spandauer Forst von einem Messerstecher getötet worden. An jenem Morgen wollte sie mit ihrem Mann dort joggen.
Während sie sich noch mit den Übungen beschäftigte, war er schon voraus gelaufen. Dann passiert es: Ein Unbekannter hält mit seinem Rad an und sticht unvermittelt mehrfach auf die Frau ein. Das Letzte, das Kirsten Sahling Passanten, die zu Hilfe eilten, sagen kann, ist: „Sagen Sie meinem Mann bitte, dass ich ihn liebe.“
Und wie war das damals, als Sie selber für einen Verbrecher gehalten wurden?
Das war am 27. Dezember 1978 – den Tag habe ich nicht vergessen. Man hat mich mit Christian Klar verwechselt, der damals einer der meistgesuchten Terroristen war. Ich bin von München nach Düsseldorf geflogen, und irgendjemand auf dem Flughafen in München glaubte, in mir Klar erkannt zu haben – es gab tatsächlich ein Fahndungsfoto, wo er mir sehr ähnlich sah.
Beim Verlassen des Flugzeugs kam plötzlich ein Uniformierter mit einer Pistole auf mich zu und sagte: „Nehmen Sie die Hände hoch!“ Dann wurde ich abgetastet, das ganze Programm, und ich bin ohne zu murren in ein Büro mitgegangen. Nach etwa 20 Minuten hatte sich die ganze Sache zum Glück aufgeklärt und ein Polizist hat mir sogar noch geholfen, mein Gepäck vom Band abzuholen.
Schauen Sie privat viele Krimis – und wenn ja, welche besonders gern?
„Die Rosenheim-Cops“, auch weil ich da selbst mal mitgespielt habe.