Herr Koths, welchen Verbrechen sind Sie im Darknet schon begegnet?

Das Internet wird zur Begehung einer Vielzahl von Straftaten genutzt. Hier bieten sich beispielsweise Vertriebswege für den Verkauf inkriminierter Waren aller Art. Deshalb stoßen wir dort vielfach auf die dieselben Straftaten, wie wir sie aus der analogen Welt kennen. Dies gilt in gleicher Weise für den Teil des Internets, den wir als Darknet oder auch Dark Web bezeichnen und der nur mit ganz bestimmter Zugangssoftware, zum Beispiel dem Tor-Browser, erreichbar ist. Aktuell stellen wir fest, dass der illegale Handel mit Betäubungsmitteln und die Verbreitung von Kinderpornografie im Internet – und damit auch im Darknet – besondere Schwerpunkte darstellen. Aber auch der illegale Handel mit scharfen Schusswaffen und Arzneimitteln sowie der Handel mit Falschgeld und gefälschten Ausweisdokumenten sind Teil des Kriminalitätsgeschehens im Cyberraum. Darüber hinaus sehen wir immer häufiger Angebote zur Geldwäsche als Service für andere Kriminelle. Im Ergebnis haben sich im Darknet Strukturen entwickelt, die unterschiedlichste Straftaten ermöglichen und kriminelle Dienstleistungen anbieten.

Markus Koths, Leiter Bekämpfung Cybercrime beim BKA.
Markus Koths, Leiter Bekämpfung Cybercrime beim BKA. | Bild: Bundeskriminalamt

Wer ist im Darknet unterwegs?

Ursprünglich für legale Anliegen geschaffen, wird das Darknet in besondere Weise von Tätern zur Begehung von Straftaten und Verschleierung ihrer Identität missbraucht. Insbesondere geeignet ist dieser Teil des Internets zum Hosting von Foren und Plattformen mit illegalen Inhalten sowie Marktplätzen der Underground Economy. Wenn wir also über das Darknet als den Teil des Internets sprechen, in dem überwiegend Straftaten begangen werden, sind dort naturgemäß eher Kriminelle anzutreffen. Darum sind auch wir als Polizei im Darknet aktiv, um kriminelle Schwerpunkt zu erkennen, Straftaten aufzuklären und die Täter zu überführen. Denn das muss klar sein: Auch das Internet ist kein strafverfolgungsfreier Raum.

Wie gestalten sich die Ermittlungen dort?

Die Herausforderung bei den Ermittlungen besteht darin, den Straftäter aus der Anonymität des Darknets zu holen und ihn letztendlich zu identifizieren. Wir haben verschiedene technische Möglichkeiten, die wir vor dem Hintergrund unserer bisherigen Erfahrungen und mit hoher kriminalistischer Kreativität zielgerichtet einsetzen. Und hier sind wir zwischenzeitlich sehr erfolgreich. Beleg dafür sind unsere Ermittlungen gegen die Betreiber der Darknet-Plattformen „Deutschland im Deep Web“, „AlphaBay Market“ und „Hansa Market“ ebenso wie gegen maßgebliche Verkäufer von Betäubungsmitteln, Schusswaffen, Falschgeld und anderen inkriminierten Waren auf diesen Plattformen.

Immer wieder taucht in Medienberichten der Satz „Waffe und Drogen im Darknet bestellt" auf. Ist es wirklich so einfach, illegale Gegenstände oder Substanzen über das Darknet zu bestellen?

Auf eine kriminelle Online-Plattform gelangt der computertechnische Laie nicht so leicht wie auf Inhalte im sogenannten Clear Web. Dem Nutzer stehen keine Suchmaschinen wie zum Beispiel Google zur Verfügung. Es bedarf demnach etwas mehr Anstrengung, um das zu finden, wonach man sucht. Allerdings gehört zur Wahrheit auch, dass derjenige, der es darauf anlegt, durchaus zu den kriminellen Marktplätzen vordringt. Für viele endet das aber auch ernüchternd. Immer wieder geraten die Käufer an Betrüger, die inkriminierte Ware anbieten, Vorkasse verlangen und nicht liefern. Aber nochmal: Auch die Polizei ist im Darknet aktiv. Niemand kann sich sicher sein, mit wem er kriminelle Geschäfte anbahnt. Bieten sich für uns hier Ermittlungsansätze, gehen wir konsequent strafrechtlich dagegen vor. Es ist alles andere als risikolos, im Darknet illegale Geschäft abzuwickeln.

Wie tarnen Händler ihre Geschäfte?

Die Geschäfte werden im Grunde nicht verschleiert. Die Verkäufer wollen ja gerade, dass ihre Ware Nachfrage findet und sie kräftig daran verdienen. Insofern ähnelt diese Handelslandschaft in ihrem Erscheinungsbild legalen Online-Märkten. Beim Verkauf von Betäubungsmitteln beispielsweise bieten die Verkäufer ihr Produkte mit detaillierten Beschreibungen und entsprechenden Produktfotos an. Ziel ist ja der Verkauf an potentielle Käufer. Und die Käufer sondieren das „Warenangebot“ sehr genau. Ansonsten aber nutzen die Verkäufer auf Darknet-Plattformen konsequent die dortige Anonymität, denn sie sind nur unter ihrem Nutzernamen aktiv , um ihre Identifizierung zu verhindern.

Wird die Ware einfach per Post versandt?

Die von einem Käufer auf einem Darknet-Marktplatz erworbenen inkriminierten Waren wie Betäubungsmittel, Schusswaffen oder Falschgeld, müssen vom Verkäufer zum Käufer transportiert werden. Für diesen Transport nutzen die Straftäter in der Regel den Post- oder den Paketversand, je nach Größe der Ware. Es gibt auch Fälle, in denen die illegalen Güter an verabredeten Orten direkt übergeben werden.

Stichwort Kinderpornografie: Wieso ist es so schwierig, solche Seiten aus dem Verkehr zu ziehen?

Die Technik im Darknet verspricht weitgehende Anonymität, insbesondere durch die Verschleierung der eigenen IP-Adresse. Nicht nur Personen, die beispielsweise das Tor-Netzwerk nutzen, sondern auch Internetseiten werden dadurch „anonymisiert“. Insofern können diese Internetseiten nicht so ohne Weiteres auf einem Server bei einem Dienstleister, dem sogenannten Hosting-Provider, gefunden werden. Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten müssen deshalb vor einer Beschlagnahme und Abschaltung zunächst durch technische Ermittlungen lokalisiert werden. Dies ist immer wieder eine besondere Herausforderung, der sich die Strafverfolgungsbehörden stellen müssen. Aber auch hier konnten wir in der Vergangenheit durch die Abschaltung von zwei großen kinderpornografischen Darknet-Plattformen „TheGiftboxExchange“ und „ELYSIUM“ herausragende Ermittlungserfolge erzielen. Bei „ELYSIUM“ handelte es sich immerhin um die größte deutschsprachige kinderpornografische Darknet-Plattform mit etwa 100 000 Nutzeraccounts. Und auch hier ist klar: Derartige Ermittlungserfolge sind kein Zufallsprodukt, sondern das Ergebnis akribischer kriminalistischer Arbeit – wir werden auch zukünftig Verantwortliche und Betreiber derartiger Plattformen überführen.

Gibt es Vorteile, die der durchschnittliche Bürger durch das Darknet nutzen kann?

Die ursprüngliche Idee des Darknets ist es, dem Nutzer weitgehende Anonymität beim Surfen im Internet zu bieten. Es ist auch mit Blick auf berechtigte und legale Anliegen wie Schutz vor staatlicher Zensur, Informationsfreiheit und freie Meinungsäußerung geschaffen worden. Die Nutzung des Darknets stellt prinzipiell auch keine strafbare Handlung dar, sondern steht jedem Internetnutzer zur Verfügung. Gerade für Oppositionelle und Journalisten in autoritär regierten Staaten bietet das Darknet eine Möglichkeit, weitgehend geschützt vor staatlicher Repression ihren Aktivitäten nachgehen zu können.