Es ist kalt, der lange Gang düster. Nur hier und da durchbricht ein Lichtspalt aus einer angelehnten Türe die Dunkelheit. Fensterscheiben klappern. Der mit edlem Teppich überzogene Boden knarrt bei jedem Schritt. Prunkvoller Stuck zeugt von einer noblen Zeit, die dieses Jugendstil-Gebäude einst mit Leben gefüllt hat. Doch seit 2005 ist es still im Schloßhotel Waldlust in Freudenstadt im Schwarzwald.
1902 öffnete das Grande Hotel seine Tore. Fürsten, Sultane, Könige – der Hochadel ging ein und aus. 1926 residierte hier König Gustav V. von Schweden, in den 1930er-Jahren Filmstars wie die weltbekannten Stummfilm-Schauspieler Douglas Fairbanks und Mary Pickford. Das Schloßhotel war eines der Häuser der High-Society.
Das Haus wurde als Lazarett genutzt
Kein Wunder, dass es heutzutage oft als Drehort für Gruselfilme genutzt wird, wie erst Anfang April als Mordschauplatz für den ZDF-Zweiteiler „Und tot bist du!“. Immer noch verstecken sich hinter jeder Tür antike Relikte aus dieser Zeit: Ein märchenhaftes Himmelbett, alte Ohrensessel, verstaubte Bücher – verwunschen und doch gespenstisch. Wulstige Marmor-Säulen werfen schwere Schatten durch den finsteren Tanzsaal.

Die fulminante Blütezeit hatte das Hotel im Familienbetrieb unter Adele B., genannt „Adi“. Sie galt als gute Seele des Hauses, lockte mit Tanzveranstaltungen und Kongressen die illustre Gesellschaft an. Doch 1949 soll sie im Hotel gewaltvoll zu Tode gekommen sein. Seither soll sie hier ihr Unwesen treiben. Mit dem zweiten Weltkrieg und Adis Tod war damals auf einen Schlag alles vorbei. Das Haus wurde zu einem Lazarett, viele Menschen verloren in dieser Zeit ihr Leben hinter den prunkvollen Mauern.
Angestellte vermuten einen verfluchten Ort
Das Waldlust erlangte nie wieder den Weltruhm, den es einst hatte. Der Untergang war von vielen Besitzerwechseln, Leerständen und schließlich dem Ruin 2005 gezeichnet. Vielleicht deshalb, begannen die Angestellten des wiedereröffneten Hotels schon in den 60ern zu tuscheln, waren sich sicher: Das Schloßhotel ist verflucht und ein Ort „unerlöster Seelen“, die hier auf dem Weg ins Jenseits fest sitzen.
Wissenschaftler des „Instituts für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene“ in Freiburg nahmen sich 2005 dem Schloßhotel an und gingen den Spuk-Geschichten nach. Drei Monate lang sprachen die Forscher um Untersuchungsleiter Dr. Gerhard Mayer mit ehemaligen Gästen und Angestellten und bekamen dabei Unglaubliches zu hören: Wackelnde Gläser in der Bar, halbleere aber dennoch verschlossene Bierflaschen, eine vorbeihuschende Frau mit weißem Schleier, die viele für Adi hielten. Plötzlicher Kälteschauer und Modergeruch.
Ein schreiende Baby in der Nacht, obwohl kein Gast mit Baby da war. Die Liste ist lang. Auch der Aufzug soll unentwegt auf und ab gefahren sein, Schritte auf dem Flur zu hören gewesen sein, wo kein Mensch war.

„Ein Großteil der Phänomene kann in Zusammenhang mit der Hauselektrik gebracht werden“, sagen die Grenzpsychologen. Aber auch Gäste-Beschwerden sollen sich gehäuft haben. Eine ehemalige Geschäftsführerin des Hotels berichtet den Forschern: „Wir hatten mal Gäste – da war die Frau ziemlich erschrocken. Sie hat gebadet und dachte, ihr Freund würde ins Badezimmer kommen und sie von hinten anfassen. Und sie drehte sich um und dann war niemand da, ihr Freund lag auf dem Bett.“ Sie seien sofort abgereist.
Besonders von zwei Ölgemälden berichten Angestellte immer wieder. Ein Bild von Adi in jungen Jahren, das damals noch im Treppenhaus hing und ein Gemälde eines Geistlichen, das die Belegschaft nur „Den Bischoff“ nennt. Beide Porträtierten „sollen ihren Gesichtsausdruck wandeln, je nach Zuwendung des Betrachters – im Fall des Bischoffs etwa, wenn man ihm die Wange streichelt“, heißt es im Forschungsbericht. Die Angestellten glauben fest daran. Die Eigentümer sollen geraten haben: „Wenn Du bei der Adi vorbei kommst, dann rede auch mit ihr!“
Forscher: „Das Haus bietet optimale Bedingungen für Wahrnehmungstäuschungen“
Bedienstete berichteten auch von bösen Vorzeichen: Eine zersplitterte Glühbirne im dreizehnarmigen Kronleuchter im Bereich der Rezeption, bedeutete nichts Gutes. Kurz darauf kam entweder ein fieser Anruf vom Finanzamt, ein Gast mit einem gebrochenen Zeh oder ein Wasserrohrbruch: „Aber nur, wenn‘ne Glühbirne kaputt geht!“, sagte eine Angestellte 2005 den Wissenschaftlern.

Fazit der Forscher: „Das Haus bietet optimale Bedingungen für Wahrnehmungstäuschungen“. Es sei „unübersichtlich gebaut, hat eine große Anzahl von Räumen und ist an vielen Ecken schlecht beleuchtet.“ Die renovierungsbedürftige Haustechnik begünstige das Ganze noch. „Doch genau dieselben Eigenschaften machen das Hotel – nimmt man die bisherigen Erkenntnisse der Spukforschung ernst – auch zu einem geeigneten Ort für das Auftreten echter paranormaler Phänomene.“ Bei einigen berichteten Phänomenen „könnte es sich durchaus um solche gehandelt haben.“
15 Forscher des Teams Paranormaler Forschung (TPF) Baden gingen dem Spuk im Waldlust 2011 mit anderen Methoden nach. Die Geisterjäger stellten Foto- und Geräusch-Fallen auf, untersuchten die dunklen Gänge nach Temperaturschwankungen und elektromagnetischen Abweichungen und legten sogar Genuss-Fallen wie eine Zigarre und Streichhölzer aus, um auch den letzten Geist aus seinem Versteck zu locken. Aber: Nichts!
Hotel für Gruselfilme
Das Hotel ist ein beliebter Drehort: Serienmörder, Untonte und Tator-Ermittler der ARD: Viele merkwürdige Gestalten haben im Hotel Waldlust bereits ihr (Un)Wesen getrieben.
2019: Und tot bist Du!, Zweiteilige Mordserie, ZDF (Bis Oktober in der Mediathek: www.zdf.de).
2018: Tatort – Waldlust. Tatort Ludwigshafen mit Odenthal und Kopper, ARD.
2016 und 2017: Haunted – Seelen ohne Frieden. Mystery-Doku-Serie mit Sky du Mont.
2013: Bela Kiss – Prologue. Horrorfilm rund um einen Serienmörder von Regisseur Lucien Förster.
Fototouren durchs Hotel: Für Interessierte und Lost-Place-Fotografen bietet der Verein für Kulturdenkmale für 35 Euro Fototouren an Sonntagen an. Die nächsten Termine sind am 2. Juni und 7. Juli je von 11 bis 15 Uhr. Hartgesottene können sogar im Waldlust übernachten. Weitere Infos im Internet auf https://denkmalfreunde.de.