Roland Knauer

"Die Feuchtigkeit setzt sich faul und bräsig hin. Und im November sind die Nächte so lang, dass sie Zeit hat, das zu tun." Die rote Fahne mit dem weißen Kreuz hängt schlaff auf das Balkongeländer eines Mehrfamilienhauses herunter und unterstreicht so die Sätze von Jörg Kachelmann, der passend zum ruhigen Novemberwetter recht gemütlich vor dem Weitwinkel-Objektiv der Webcam spricht. Die etwas andere Wettervorsage ist wieder da. Nach einer beispiellosen Medien-Kampagne wegen einer Vergewaltigungsklage, die mit einem Freispruch endete, hatte der Wetter-Entertainer sich im November 2010 weitgehend aus den Medien zurückgezogen. Stück für Stück kommt Jörg Kachelmann zurück. Neben einem monatlichen Auftritt beim Privatsender sonnenklar.tv, ist er mit den täglichen Video-Wetternachrichten von Spiegel Daily und mit seiner Internet-Plattform Kachelmannwetter.com präsent.

Kachelmann bei einem seiner monatlichen Auftritte bei sonnenklar.tv
Kachelmann bei einem seiner monatlichen Auftritte bei sonnenklar.tv | Bild: Tobias Hase

„Das bedeutet für die nächsten Tage das, was Sie schon kennen und vielleicht nicht so mögen: Dieses November-Grau“, fährt er fast im nüchternen Tonfall eines Nachrichtensprechers aber mit typischen Kachelmann-Sätzen fort: Die Wissenschaft vom Wetter verpackt in der Sprache des Alltags. Nur die Show-Einlagen fehlen, bei denen sich Jörg Kachelmann vor 2010 auch schon mal vor laufender Kamera in den Schnee warf. Zurück ist also der Wetter-Entertainer, wenn auch in einem eher schlichten Ambiente.

Doch die bescheidene Kulisse tut dem Kachelmannwetter gut. Schließlich kritisierten andere Meteorologen, die ihren Namen in diesem Zusammenhang nicht in der Zeitung lesen möchten, dass die Show-Elemente zwar gut gemacht waren, manchmal aber eben auch die eigentliche Nachricht überdeckten: Wie wird morgen das Wetter? So manche Eltern waren dann durchaus beeindruckt, rätselten hinterher nach einer Fülle von Informationen aber, mit welchen Klamotten sie ihre Kinder am nächsten Morgen zur Schule schicken sollten. Den Verantwortlichen in den Medien aber war das weniger wichtig als die Einschaltquoten, die Jörg Kachelmann mit seinen Wettershows in die Höhe trieb.

 

 

Wettervorhersage als Unterhaltung

Kachelmann überraschte damals mit seiner erfrischenden Art. Allzu schwer war das allerdings nicht. Schließlich waren die Wetterberichte der 1980er Jahre noch recht trocken und sehr nüchtern formuliert. Diese längst überholte Behördensprache verschwand in den 1990er-Jahren langsam und machte einer flotteren Darstellung Platz. Jörg Kachelmann war damit keineswegs der erste und schon gar nicht der einzige. Aber er ging gern weiter als seine Kollegen, wählte eine drastischere Sprache – und kam damit bei den Zuschauern am besten an. Jörg Kachelmann wurde zum Wetter-Entertainer schlechthin.

Kachelmann im Sturm
Kachelmann im Sturm | Bild: Tobias Hase

Ein Entertainer allerdings, der mit seinen Wettervorhersage-Kollegen immer wieder einmal kräftig stritt. Wobei diese Händel häufig von ihm ausgingen, wenn er zum Beispiel den behördlichen Wetterfröschen vom Deutschen Wetterdienst vorwarf, vor diversen Unwettern nicht oder zumindest nicht rechtzeitig und richtig gewarnt zu haben.

Der Wettermoderator Jörg Kachelmann (M) steht am 28.09.2016 im Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts in Frankfurt am Main (Hessen) ...
Der Wettermoderator Jörg Kachelmann (M) steht am 28.09.2016 im Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts in Frankfurt am Main (Hessen) zwischen seinen Anwälten Johann Schwenn (l) und Ann Marie Welker (r). Im Schadenersatzprozess verurteilte das Gericht seine Ex-Geliebte Claudia D. zur Zahlung von mehr als 7000 Euro plus Zinsen. | Bild: Frank Rumpenhorst

Dabei weiß Jörg Kachelmann nur zu gut, dass die Wetterküche zwar sehr festen Regeln folgt, aber dabei eben auch eine sehr wichtige Komponente enthält, der Physiker und Meteorologen gern den Begriff „chaotisch“ voranstellen. Das Chaos aber lässt sich eben schwer berechnen und eine Wettervorhersage kann daher nie zu hundert Prozent zutreffen. Um dieses Chaos zumindest ein wenig in den Griff zu bekommen, rechnen die Meteorologen heutzutage mit sogenannte Ensembles: Dabei ermitteln die Computer nicht nur aus den tatsächlich gemessenen Werten wie Luftdruck, Temperatur und Feuchte eine Wettervorsage, sondern variieren diese Messwerte ein wenig und schauen sich dann an, wie die Wettervorhersage sich ändert. Manchmal liegen die so ermittelten Kurven zehn und mehr Tage eng beieinander. Dann ist die Prognose für diesen Zeitraum recht zuverlässig. Häufiger aber driften die Wettervorsagen auch stark auseinander.

Solche Ensembles ermitteln die Superrechner der staatlichen Wetterdienste in Deutschland, der Schweiz oder den USA mehrere Male am Tag und stellen diese Ergebnisse auch den privaten Wetterbüros kostenlos zur Verfügung. Genau wie in den Wetterbehörden brüten dann auch die privaten Meteorologen über diesen Daten, die interpretiert werden müssen. Dabei gilt: Je länger die Ensembles in die Zukunft rechnen, umso größer wird normalerweise die Unsicherheit. Gerade mit Blick auf das Weihnachtswetter. Eine vernünftige Wettervorsage kann man daher nicht ableiten. Im nüchternen Ton sagen das so auch Experten vom Deutschen Wetterdienst und private Wetterbüros. Bei Jörg Kachelmanns Video-Wetternachrichten hört sich das dagegen so an. "Beim Winter weiß derzeit einfach kein Schwein, wie sich das Wetter entwickeln wird." Missverständnisse bleiben so beim Zuschauer wohl kaum. So mag das Ambiente bescheidener geworden sein. Kachelmanns Stil bleibt unverwechselbar.

Sonnenklar.tv beim Rumalbern
Sonnenklar.tv beim Rumalbern | Bild: Tobias Hase

Zur Person

Jörg Kachelmann ist gebürtiger Lörracher, wuchs allerdings in Schaffhausen auf. 1994 wurde der heute 59-Jährige als Wettermann in der Tagesschau bekannt. Seine TV-Karriere endete als 2010 seine damalige Geliebte ihn der Vergewaltigung bezichtigte. In einem aufsehenerregenden Verfahren wurde er 2011 freigesprochen. 2016 entschied das Oberlandesgericht Frankfurt, dass seine Ex-Geliebte ihn bewusst falsch angezeigt hatte. (dba)