Ihr Porträt hing in Teenagerbuden, prangte auf den Titelseiten der Boulevardmedien und Tageszeitungen, und ihr wildes Leben faszinierte und provozierte gleichermaßen – die Deutschen in den ausgehenden 1960er und den beginnenden 1970er Jahren.
Sie war die personifizierte Schnittstelle zwischen sexueller Revolution, popkultureller Innovation und politischem Aufbegehren und genoss Sex, Drugs und Rock‘n‘Roll in vollen Zügen.
In der Kommune 1 in West-Berlin, einem Alternativ-Experiment zum verhassten bürgerlichen Leben in der „Kleinfamilie“, in der sie mit dem Polit-Hippie Rainer Langhans lebte, wurde freie Liebe praktiziert und gingen spätere Mitglieder der links-terroristischen „Rote Armee Fraktion„ ein und aus: Mit Astrid Proll freundete sich Uschi Obermaier zaghaft an, Holger Meins, der sie wollte, gab sie hingegen einen Korb.

Die theoretischen Diskussionen über utopische Gesellschaftsmodelle interessierten sie allerdings herzlich wenig: „Mein größtes Vergehen“, bekannte sie später,“bestand in den Augen der Kommune 1 darin, dass ich bei den endlosen Gesprächssessions immer wieder einschlief.“
Was sie interessierte, war das wilde Leben in allen nur denkbaren Facetten. Bereits als Teenager, in München, betätigte sie sich als Groupie diverser Rockstars, wobei sie allerdings ihre Männer sorgfältig aussuchte: George Harrison von den Beatles beispielsweise bekam von ihr einen Korb, weil seine Hare Krishna-Besessenheit ihr auf die Nerven ging.
Die Rolling Stones waren eher nach ihrem Geschmack

Mit Mick Jagger und Keith Richards teilte sie Drogen und Bett. Auch sie selbst sich als Musikerin: Bei der Münchner Underground-Combo Amon Düül schwang sie die Maracas (eine Art Rassel-Instrument), nachzuhören auf dem Debütalbum „Psychedelic Underground“, einem, freundlich formuliert, recht gewöhnungsbedürftigen Werk.
Titelgesicht der „Vogue“
Ihren Lebensunterhalt bestritt sie aber schon als – gut bezahltes – Fotomodell, und ihr Gesicht war in jenen Jahren vermutlich bekannter als das von manchem Spitzenpolitiker. Selbst in renommierten internationalen Modezeitschriften erschienen Fotos von ihr – etwa in der US-amerikanischen „Vogue“. Tausende pubertierender deutscher Jungs verbrachten regelmäßig ziemlich unruhige Nächte, weil sie so kühn gewesen waren, sich ein hocherotisches Poster von Uschi übers Bett zu hängen.
Als Schauspielerin ohne Erfolg
Sogar als Schauspielerin versuchte sie sich: unter anderem in der radikal-feministischen Filmgroteske „Rote Sonne“ (1970), aber das war, wie sie sehr schnell merkte, definitiv nicht das Richtige für sie. „Die ganze Filmerei war nicht meine Sache“, bilanzierte sie in ihrer 2006 erschienenen, sehr lesenswerten Autobiografie „High Times“, „jedes Mal, wenn die Klappe fiel, erstarrte ich zu Eis, und das kann man auch in jeder Szene des Films sehen.“ So souverän sie für Fotos posierte, so unfähig war sie, eine Filmrolle zu verkörpern, und so blieb sie eben bei ihrem Model-Job – jedenfalls so lange, bis er begann, sie zu langweilen.
Irgendwann genügten ihr schließlich Sex, Drugs und Rock‘n‘Roll auch nicht mehr

Mit dem Hamburger Kneipenbesitzer, Biker und Zuhälter Dieter Bockhorn, ihrem Idealtyp eines wilden Mannes, ging sie auf ausgedehnte Reisen in die weite Welt, jeweils mit einem umgebauten Kleinbus: erst nach Indien, Afghanistan und Pakistan, später nach Nordamerika. In Baja California, der an Kalifornien angrenzenden Halbinsel, die zu Mexiko gehört, wurden sie und ihr Lover schließlich so gut wie sesshaft, führten ein relativ unbeschwertes Hippie-Leben – und lebten von der Hand in den Mund. Als Bockhorn bei einem Motorrad-Unfall starb, brach für sie eine Welt zusammen. „Zum ersten Mal in meinem Leben“, konstatierte sie in „High Times“, „war ich allein.“
Uschi Obermaier ist heute 73 und lebt in Portugal
Dort betätigt sie sich als Schmuck-Designerin. Ihre Kreationen – unter anderem hat sie die Hochzeitsringe für den Filmregisseur Roland Emmerich angefertigt – verkauft sie über renommierte Juwelierläden in Los Angeles. Kalifornien, wohin sie nach Bockhorns Tod wechselte, hat sie verlassen, weil die ständigen Waldbrände in diesem Bundesstaat sie beunruhigen, und weil Los Angeles eher etwas für junge Leute sei – und sehr teuer. Ihr Leben ist nicht im Entferntesten so wild wie einst, aber mit einer „normalen“ bürgerlichen Existenz hat es auch nicht sehr viel zu tun.