Beschimpfungen, Beleidigungen, selbst Fausthiebe und Tritte gegen Rettungskräfte und Polizisten häufen sich. Am Wochenende erst hatte in Mannheim ein betrunkener Gaffer einen Sanitäter angepöbelt und ihm anschließend ins Gesicht geschlagen.

Das könnte Sie auch interessieren

In Wehr am Hochrhein musste sich ein Notarzt gegen Fußtritte eines Anwesenden wehren, als er einen Notfallpatienten behandeln wollte. Nach dem Abbruch der Rettungsmaßnahmen konnte dem Patienten erst bei einem erneuten Anlauf unter Polizeischutz geholfen werden.

Retter müssen Polizei rufen

Ähnliche Szenen spielten sich unlängst in Weil am Rhein ab, als die Besatzung eines Rettungsfahrzeugs ebenfalls von Passanten am Einsatz gehindert wurde. Einer der Passanten sagte laut Polizeibericht, er fühle sich durch die Rettungsmaßnahmen „gestört“. Dies brachte er den Helfern gegenüber massiv und offenbar ungehörig zum Ausdruck. Er ließ sich auch nicht beruhigen, sodass die Retter die Polizei herbeiriefen.

Übergriffe nehmen zu

Rettungskräfte und Polizisten werden immer öfter Opfer von Angriffen. Nach Angaben des baden-württembergischen Innenministeriums sind die Zahlen deutlich nach oben gegangen. So verzeichnet die Polizeiliche Kriminalstatistik für 2015 noch 117 Straftaten in diesem Bereich, 2018 lagen schon Körperverletzungen gegen 175 Angehörige des Rettungsdienstes vor, außerdem wurden 21 Angehörige der Feuerwehr Opfer gezielter Attacken.

Die Toleranzschwelle sinkt, das berichten immer häufiger Notfallretter, die zu Einsätzen gerufen werden. Die Menschen seien aggressiver, auch wenn es bislang noch nicht zu Angriffen gekommen sei, berichtet etwa Matthias Rieger, der für die Rettungskräfte im Kreisverband Überlingen zuständig ist. Der Ton werde zunehmend rauer, wenn seine Kollegen zu Notfällen eilen.

Das könnte Sie auch interessieren

Alkohol spielt eine große Rolle

Rieger erklärt sich das mit einer gesellschaftlichen Veränderung von Sitte und Anstand. „Ich glaube, dass die Leute keinen Respekt mehr haben“, sagt er auf Nachfrage dieser Zeitung. Dabei spiele Alkohol eine große Rolle. Nicht nur Patienten, auch die Umstehenden reagierten unter Alkoholeinfluss zunehmend enthemmter.

Innenminister Thomas Strobl erklärte unlängst, er sei besorgt über diese Entwicklung. Nach wie vor genießen zwar Polizisten und Rettungskräfte, die häufig ihr Leib und Leben aufs Spiel setzen, in der Bevölkerung ein hohes Ansehen. Dennoch seien die Zahlen von Übergriffen hoch. 2018 gab es 4767 Fälle von Gewalt gegen Polizeibeamte – zehn Prozent mehr als im Jahr davor.

Bodycams sollen Polizisten im Einsatz helfen

Die Polizei hat inzwischen technisch aufgerüstet, um sich mehr Respekt beim Einsatz zu verschaffen. Dabei sollen sogenannte Bodycams eine zentrale Rolle spielen. Die Kameras, die Beamte im Einsatz tragen, können Übergriffe dokumentieren. Schon der Anblick solcher Geräte schrecke gewaltbereite Täter vielfach ab, heißt es. Nach einer erfolgreichen Testphase werden Bodycams in Baden-Württemberg jetzt flächendeckend verteilt.

Außerdem wurde die Testphase für sogenannte Dashcams in Polizeiautos und -Motorrädern inzwischen abgeschlossen. Die Dashcam ist eine kleine Kamera, die das Verkehrsgeschehen aufzeichnet. Die Polizeipräsidien Freiburg und Ludwigsburg werten die Ergebnisse nach Angaben eines Sprechers im Innenministerium zurzeit aus.

Die Geräte richten sich vor allem auf Autofahrer, deren Fahrzeuge Rettungsgassen verstopfen. Entsprechende Kameras sind für Feuerwehr und Sanitäter derzeit noch nicht geplant. Sie müssen im Notfall auf die Hilfe der Polizei vertrauen.

Welche Strafen drohen

Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte kann einen Täter teuer zu stehen kommen. Schon bei einer Drohung kann laut Paragraf 113 Strafgesetzbuch eine Strafe bis zu drei Jahren Gefängnis ausgesprochen werden – wenn das Strafmaß ausgeschöpft wird.

In der Praxis werde jedoch viel zu lasch geahnt, lautet die Kritik aus Polizeikreisen. Eine Geldbuße bezahle mancher eben mit links, erklärte kürzlich Hans-Jürgen Kirstein, Landesvorsitzender der Polizei (GdP), und fügte hinzu: „Es wäre durchaus mal ein Gedanke, den Führerschein wegen charakterlicher Mängel wegzunehmen.“ Das wäre schmerzhafter als eine Geldbuße, so der Polizei-Gewerkschafter.