Kreis Sigmaringen Viele tausend Menschen, nicht nur aus dem Kreis Sigmaringen, benötigen jährlich die Hilfe der zentralen Notaufnahme (ZNA) am SRH-Krankenhaus Sigmaringen. Für die Mehrzahl der Patienten ist diese Akuthilfe nötig, aber es steigt auch die Zahl derjenigen, die mit medizinisch letztlich banalen Beschwerden das System der ZNA behelligen, ausnutzen und so ärztliche und pflegerische Kapazität binden, die dann für dringende Fälle womöglich fehlen. In einem Rundgang für Pressevertreter erklären Dr. Martin Mauch, Chefarzt der ZNA und sein Pflegerischer Leiter Thomas Unger die Funktionsweise der ZNA. Das Duo hofft, dass sich der Blick und das Verständnis der Bevölkerung für ihre herausfordernde Arbeit positiv verändert.
Die zentrale Notaufnahme
Jährlich werden rund 30.000 Patienten behandelt, davon 11.000 stationär aufgenommen und 19.000 ambulant behandelt. 60 Prozent der Patienten werden vom Hausarzt überwiesen oder eingewiesen und 40 Prozent kommen von selbst. Das Team besteht aus 21 Planstellen für Pflegekräfte (das sind aktuell etwa 30 Mitarbeitende, fünf Planstellen für medizinische Fachangestellte und sieben Assistenzärzten aus den jeweiligen Fachgebieten sowie deren Fachärzte im Hintergrund versorgen die Patienten rund um die Uhr. Ein Großteil der Pflegekräfte besitzt die Zusatzbezeichnung „Notfallpflege“, die eine zweijährige Weiterbildung voraussetzt.
Die räumliche Situation
Seit August 2023 befindet sich die ZNA im ersten Stock des Neubaus und einer angegliederten Beobachtungs- und Kurzliegerstation mit zehn Betten auf der Station A52. Die ZNA verfügt über zwei Ersteinschätzungsräume, zehn Untersuchungszimmer, einem Isolierzimmer und zwei Schockräumen. Zentral ist der so genannte „Stützpunkt“, wo auch Daten erfasst werden und dessen Schalter von 10 bis 18 Uhr besetzt ist. Auf einem Monitor haben die Mitarbeiter dann alle Notfallpatienten mit ihrem aktuellen Behandlungszustand im Blick.
Welche Funktion haben Schockräume

In einem Raum werden traumalogische Patienten behandelt, beispielsweise Unfallopfer und im anderen Raum nicht traumalogische Patienten, beispielsweise bewusstlose Personen oder Menschen, die beatmet werden müssen. Die zwei Schockräume befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Computertomografie. Weitere Funktionsräume wie Gipsraum, Diagnostikraum mit Ultraschallgerät sind eingerichtet und ein Röntgenarbeitsplatz integriert.
Wie ist die Versorgung am Wochenende gesichert
Von 9 bis 19 Uhr ist am Samstag und Sonntag die ambulante Notfallversorgung der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBW) für die Patientenversorgung zuständig. Die Anmeldung erfolgt am Eingangstresen der ZNA, die Behandlung im angrenzenden Untersuchungszimmer. Während der Woche wäre es ideal, wenn ein Allgemeinmediziner diese Räume nutzen könnte, und so weniger dringende Fälle behandeln und die ZNA entlasten könnte. Nach Angaben von SRH-Geschäftsführer Sven Schönfeld blieb die Suche nach einem geeigneten Mediziner bisher ohne Erfolg. Chefarzt Dr. Mauch und Pflegeleiter Unger sind zudem auf der Suche nach zusätzlichen Pflegekräften, um ihr Kernteam in der Pflege auf 26 Vollzeitkräfte zu erhöhen.
Wie erfolgt die Einteilung der Patienten?

Angewendet wird das weltweit praktizierte Manchester Triagesystem, das die Patienten in fünf Dringlichkeitsstufen einteilt. Mit rot werden die Patienten markiert, die sofort mit null Minuten Wartezeit behandelt werden müssen. Maximal zehn Minuten darf die Wartezeit dann für Personen betragen, deren Behandlung „sehr dringend“ ist und die orange markiert werden. 30 Minuten darf die Wartezeit für als „dringend“ eingestufte und gelb markierte Patienten betragen. Wer bei der Triage mit „Normal“ eingestuft und grün markiert wurde, kann bis zu 90 Minuten warten und blau markierte Personen sind „nicht dringend“ und die Wartezeit kann 120 Minuten betragen. Innerhalb dieser Wartefrist muss ein erster Kontakt mit dem Arzt stattfinden.
Wann gilt eine ZNA als überfüllt?
Dieses sogenannte Overcrowding liegt vor, wenn die Zahl der Patienten, die warten, ärztlich noch gesehen werden müssen, sich in Untersuchung, Diagnostik oder Behandlung befinden oder auf einen stationären Platz warten, die räumliche und personelle Ausstattung einer Notaufnahme übersteigen. Langes Verweilen der oft pflegeaufwändigen und mehrfachkranken Patienten in der ZNA.
Patienten, die von Rettungsdiensten gebracht werden, können nur zeitverzögert übernommen und nicht alle ärztlichen Anweisungen können in angemessener Zeit ausgeführt werden.
Es fehlt auch die Zeit, um wartende Angehörige zu informieren. Es gibt in dem Fall eventuell keine personellen oder apparativen Ressourcen zur Behandlung kritisch kranker Patienten. Für Mitarbeitende gibt es keine Pausenzeiten mehr, was zu Erschöpfungszuständen führt.
Wie haben sich die Patientenzahlen in der Notaufnahme entwickelt?
Im Jahr 2021 waren es 20.809 Patienten, 2022 waren es 23.106, 2023 waren es 27.871 und 2024 exakt 29.719 Patienten, wobei die Steigerung von durchschnittlich 66 auf 81 Patienten pro Tag zum großen Teil der Schließung der KVBW Notfallpraxen in Bad Saulgau und Albstadt geschuldet ist, wie Dr. Mauch erklärt. Durchschnittlich haben Patienten in der ZNA die Triage in zehn Minuten durchlaufen, bis zum Arztbesuch sind 45 Minuten und bis Behandlungsende durchschnittlich 85 Minuten.
Gibt es Besonderheiten beim Patientenaufkommen?
Frühmorgens ist das Aufkommen überschaubar, und steigt dann kontinuierlich. Zwischen 16 und 19 Uhr kommen die meisten Patienten, was sich für Dr. Martin Mauch mit den Öffnungszeiten der Hausarztpraxen erklären lässt. Die ZNA ist für Notfallpatienten konzipiert. Dazu gehören Personen mit Atemnot, Bewusstseinsstörung, heftige allergische Reaktion, unkontrollierbare Blutungen, akute Seh- und/oder Sprachstörungen und/oder Kraftverlust oder Lähmungen, akute Bauch-, Brust und/oder Rückenschmerzen oder Unfälle mit größeren Wunden und Brüchen.