Sabine Dobel, dpa

So friedlich liegen sie da und käuen wieder. Doch der Schein scheint zu trügen. „Danger!“, warnt ein Schild am Weidezaun nahe dem Blomberg bei Bad Tölz. „Keep distance!“ Überall in den bayerischen Alpen stehen diese Tafeln, die auf Englisch auch den ausländischen Wanderer erreichen sollen.

Urteil aus Tirol sorgt für Verunsicherung bei Landwirten

Alm- und Alpwirtschaftliche Vereine, Tourismusämter und Bauernverband reagieren so auf eine bisher offensichtlich unterschätzte Gefahr: In Tirol endete das Zusammentreffen einer Hundebesitzerin mit Kühen tödlich. Die 45-Jährige aus Rheinland-Pfalz wurde 2014 im Stubaital von einer Herde totgetrampelt, die wohl ihre Kälber vor dem Hund schützen wollte. Vom Landgericht Innsbruck wurde den Hinterbliebenen rund 180 000 Euro Schadenersatz und eine monatliche Rente in vierstelliger Höhe zugesprochen.

Österreich erließ ein paar Wochen nach dem Urteil zu dem tödlichen Kuhunfall einen „Aktionsplan für sichere Almen“. Wer sich nicht an den Verhaltenskodex halte, für den habe das im Schadensfall rechtliche Konsequenzen, sagte der damalige Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Das Urteil sorgt für Verunsicherung unter bayerischen Bauern. „Die Angst vor der Haftung ist gestiegen“, sagt Hans Stöckl, Geschäftsführer des Almwirtschaftlichen Vereins Oberbayern.

Immer mehr wollen in die Alpen

In Österreich stehen im Sommer rund 270 000 der Tiere auf Almen; in den bayerischen Alpen sind es 50 000. Vielfach kreuzen Wanderwege die Weiden. Der Almwirtschaftliche Verein Oberbayern riet Bauern zu einer Betriebshaftpflichtversicherung – und zu Warnhinweisen. So hängen an den Kuhweiden die „Danger“-Schilder, die auch auf die Leistungen der Wiederkäuer verweisen: „Weidetiere pflegen unsere Landschaft.“ Ob Warnschilder bei einem Unfall ausreichen, ist offen. Nach Auffassung des Innsbrucker Gerichts wären speziell an dem Unfallort Abzäunungen nötig gewesen.

Eine Kuh attackiert Wanderer. Um solche Situationen zu verhindern, warnen Landwirte in Österreich und Bayern mit Schildern vor den Tieren.
Eine Kuh attackiert Wanderer. Um solche Situationen zu verhindern, warnen Landwirte in Österreich und Bayern mit Schildern vor den Tieren. | Bild: dpa

Oft, so hört man, hätten Wanderer kein Gespür, wie sie sich zu verhalten haben. Viele hätten überhaupt keinen Bezug mehr zur Landwirtschaft und oft auch nicht zur Bergwelt. Die Gefahr steigt noch, wenn Mutterkühe mit Kälbern auf den Almen sind, die sie schützen wollen. Dadurch steigt auch die Spannung zwischen Wanderern und Tieren“, sagt Markus Drexler vom Bayerischen Bauernverband.

Immer mehr Wanderer in den Bergen

Der zunehmende Ansturm auf die Berge verschärft die Lage. „Es macht die Masse aus. Damit steigt auch der Anteil derer, die rücksichtlos unterwegs sind.“ Hinzu kämen Mountainbiker und immer mehr E-Biker. Die Radler beunruhigten die Kühe mehr als Wanderer. Stöckl sagt, „dass man das Mountainbiken in Almgebieten stärker einschränken müsste“ – nicht zuletzt wegen der Unfallgefahr. Auch hier fürchten die Almbauern die Haftung, etwa „wenn ein Mountainbiker in einen Zaun oder Almfahrzeug hineinfährt.“

Wanderer aussperren geht nicht

Wanderer einfach aussperren und den Durchgang verbieten, ist zumindest in Bayern nicht möglich. „Wir haben im Freistaat ein freies Betretungsrecht. Die Sache ist deshalb nicht mit Verboten zu lösen“, sagt Markus Drexler. Der Bauernverband hat für Almen und Hütten ein Plakat aufgelegt: „Machen Sie keine hektischen Bewegungen. Tiere sind schreckhaft“, mahnt es. Und: „Machen Sie keine Selfies mit Weidetieren.“ Eine Alm sei schließlich kein Streichelzoo.

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Die Maßregeln aus Bayern entsprechen in etwa denen der Österreicher: Hunde an die Leine, im Fall einer Kuh-Attacke aber laufen lassen. Derzeit laufen laut Almwirtschaftlichem Verein Gespräche mit anderen Verbänden, darunter Naturschützer und Deutscher Alpenverein (DAV), um möglicherweise gemeinsam Verhaltensregeln aufzustellen.

Ein Schild warnt Wanderer in Tirol vor Mütterkühen.
Ein Schild warnt Wanderer in Tirol vor Mütterkühen. | Bild: Mariel Schulze Berndt

„Man kann damit die Anzahl von Konflikten reduzieren“, sagt DAV-Präsident Josef Klenner zum österreichischen Plan. Die Regeln seien allerdings nicht neu und erschlössen sich auch mit gesundem Menschenverstand. „Wenn ich auf die Alm gehe, dann muss ich nicht direkt das Kalb streicheln oder den Hund frei laufen lassen – das sollte ich eigentlich wissen.“