114 Verhandlungstage in dreieinhalb Jahren mit einem immensen Sicherheitsaufwand hat das Landgericht Berlin gebraucht, um ein Urteil im Verfahren gegen Arafat Abou-Chaker und weitere Angeklagte zu fällen. Bei den Hauptvorwürfen der Erpressung, Freiheitsberaubung und gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil des Rappers Bushido hat das Landgericht den Angeklagten freigesprochen.

Verurteilt wurde er nur wegen einer unerlaubten Tonbandaufnahme zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 900 Euro, dabei wurde die lange Verfahrensdauer strafmildernd berücksichtigt. Andere Familienmitglieder wurden freigesprochen, Haftentschädigungen ausgesprochen. Die Empörung bei der Urteilsverlesung war groß: Es kann doch nicht sein, dass es hier zu einem Freispruch kommt!

Der Rechtsstaat funktioniert

Der Freispruch in den wesentlichen Punkten zeigt jedoch, dass der Rechtsstaat funktioniert und dass es keine Niederlage ist, wenn es auch entgegen der öffentlichen Meinung zu einem Freispruch kommt. Denn für eine Verurteilung müssen die Richter davon überzeugt sein, dass der Angeklagte die Tat wirklich begangen hat. „In dubio pro reo“ (Lateinisch für: im Zweifel für den Angeklagten) ist einer der Kernpunkte unseres Rechtsstaats.

Und wenn Aussage gegen Aussage steht, wenn es um eine zerbrochene Freundschaft und viel Geld geht, dann wird es schwierig, eine Tat nachzuweisen – besonders dann, wenn es neben dem Geschädigten keine weiteren Zeugen oder Beweise gibt. Dass sowohl der Angeklagte als auch der Nebenkläger Bushido nicht zimperlich miteinander umgegangen sind, war von Anfang an klar. Ob das Strafrecht hier wirklich das richtige Mittel war, um den Streit zu regeln, darf bezweifelt werden.

Sie waren mal Freunde: Rapper Bushido (links) und Arafat Abou-Chaker 2010 bei einer Filmpremiere in Berlin.
Sie waren mal Freunde: Rapper Bushido (links) und Arafat Abou-Chaker 2010 bei einer Filmpremiere in Berlin. | Bild: Jens Kalaene/dpa

Aber fest steht: Das Verfahren hat eindeutig zu lange gedauert, Gericht und Staatsanwaltschaft waren beide nicht mutig genug, rasch ein Ende zu finden. Für die Aufklärung eines einfachen Sachverhalts (Was geschah in einem Raum im Februar 2018?) darf man keine 114 Verhandlungstage brauchen. Die Staatsanwaltschaft hätte nach den deutlichen Hinweisen des Gerichts im März 2022 die Chance ergreifen müssen, das Verfahren zu beenden – nämlich einen Freispruch in den wesentlichen Punkten zu beantragen.

Die Staatsanwaltschaft hat verbissen gekämpft, aus welchen Gründen auch immer. Auch bei einer durchaus umstrittenen Berliner Familie gelten die allgemeinen strafrechtlichen Grundsätze, auch bei der Glaubwürdigkeit von Zeugen, gerade wenn es um viel Geld und eine zerbrochene Freundschaft geht.

Was hat das alles gekostet?

Man möchte gar nicht fragen, wie viel Geld dieses Verfahren den Rechtsstaat gekostet hat und welche aus meiner Sicht wichtigeren Verfahren in Berlin deshalb liegen geblieben sind. Das darf nicht ganz aus dem Blickfeld geraten, denn ein Rechtsstaat muss funktionieren und nicht durch unnötig lange Verfahren blockiert werden. Gerichtsverfahren müssen einmal zu Ende gehen, wenn auch mit einem Freispruch.

Der Autor ist Rechtsanwalt und Journalist in Singen (Hohentwiel). Er war unter anderem Chefredakteur der größten juristischen Fachzeitschrift, der Neuen Juristischen Wochenschrift und Wirtschaftsredakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.