Dieser Rat kam George Lazenby teuer zu stehen. Damals, 1969, war sein Manager Ronan O‘Rahilly der Überzeugung, dass James Bond ein Auslaufmodell sei, von vorgestern, ein Dinosaurier. Er riet dem australischen Schauspieler, der für „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ zum Nachfolger Sean Connerys erkoren worden war, seine Karriere nicht weiter an dieses sinkende Wrack zu ketten. Andere Genres seien vielversprechender. Lazenby unterschrieb den angebotenen Vertrag für weitere Filme nicht.
Er blieb der Einmal-007, seine Filmkarriere war mit dieser Entscheidung praktisch beendet. James Bond hingegen ist 52 Jahre nach O‘Rahillys düsterer Prophezeiung immer noch obenauf. Heute kommt – nach etlichen auch pandemiebedingten Verzögerungen – endlich der 25. Film der offiziellen Reihe in die Kinos: „Keine Zeit zu sterben“.
Die frühen Filme waren günstig und wurden Milliardenerfolge
Wenn er die Welt schon nicht vor Corona retten konnte, soll Bond jetzt zumindest weltweit die Kinobranche retten. Die Erwartungen sind gigantisch, und tatsächlich ist mit den Produkten aus den Londoner Ateliers der Produzentenfamilie Broccoli viel Geld zu machen. „Skyfall“ von 2012 ist der kommerziell erfolgreichste Bond mit einem Einspielergebnis von über 1,1 Milliarden US-Dollar. Beeindruckender jedoch ist, wie sich über die Jahrzehnte der Verwertung die Gewinnspannen bei den Klassikern entwickelt haben. Der gute alte „Goldfinger“ aus dem Jahr 1964 etwa hat bei Produktionskosten von (inflationsbereinigt) 22 Millionen Dollar fast eine Milliarde eingebracht, ähnlich golden sind die Proportionen bei „Feuerball“ (1965) oder dem zweiten Bond, „Liebesgrüße aus Moskau“ (1963).

Für das schöne Geld muss allerdings einiges getan werden. Es braucht Action, Exotik und Wagemut, es braucht Opulenz und teuflische Pläne. James Bond ist nichts für Kleinsparer. Vor allem: Bond muss immer wieder runderneuert werden, allerdings so, dass die entscheidenden Essenzen der Erfolgsrezeptur erhalten bleiben.
Die Bond-Formel
In verblüffender Weise liegt auch unter dem hypermodern gestylten Agenten-Abenteuer mit all den Hightech-Waffen und Cyberattacken ein Raster, das der Semiotiker und spätere Bestseller-Autor Umberto Eco schon in den frühen 1960ern aus den Romanen Ian Flemings herausgeschält hat. Nennen wir es die Bond-Formel: „Das Märchenhaft-Abenteuerliche, mit Authentik-Lack getarnte Unglaubliche“, wie es der Filmjournalist Erich Kocian so treffend formuliert hat.
Dass seit jeher die Drohung, die Welt mit einem hochansteckenden Virus lahm zu legen, zum Bond-Szenario gehört, ist heute ein Scherz, über den niemand mehr lachen will. Überhaupt scheint sich das globale Führungspersonal in beunruhigender Weise der Bond-Welt anzupassen. Donald Trump, Kim Yong-un oder Jair Messias Bolsonaro wären – oder sind – herrliche Figuren für die Kommandozentralen des Größenwahns, und Putin ist mit seinen vergifteten Liebesgrüßen aus Moskau schon immer irgendwie bondy gewesen.
Die James-Bond-Story wird gerne als stringente Erfolgsgeschichte erzählt. Doch machen wir uns nichts vor: Es gibt grottenschlechte Episoden. Wenn heute auf irgendeinem Privatsender „Der Mann mit dem goldenen Colt“ (von 1974) oder „Moonraker“ (1979) zu sehen sind, möchte der Zuschauer ob des Chauvi-Sprüche und der Lahmarschigkeit der frisch geföhnten Heldengestalt vor Fremdscham in der Sofaritze verschwinden.
Der bekannteste Geheimagent der Welt zu sein ist dann, nebenbei gesagt, auch keine berufliche Empfehlung. Roger Moore, der dritte 007 (Lästermäuler: 0070), hatte früh erkannt, dass er diese Secret-Service-Sache nicht ernst nehmen kann: „Na ja, wenn er ein Spion ist, sollte ihn eigentlich keiner kennen. Ihn erkennen aber alle – jeder Barkeeper auf der Welt. ‚Ah, Mr. Bond! Martini! Geschüttelt, nicht gerührt.‘ So einer ist doch kein Spion!“
„So einer ist doch kein Spion!“
2006 war erst mal Schluss mit augenzwinkernder Martinischlürferei. Die Bond-Experten der Firma Broccoli nahmen viel Ballast von den Schultern ihres Helden und ließen ihn in der Verfilmung von Flemings erstem Bond-Roman „Casino Royale“ (das Buch erschien 1953) wie neu von der Rampe. „Sehe ich so aus, als ob mich das interessiert“, blafft Daniel Craig, der Bond in Blond, als der Barkeeper fragt, ob der Wodka-Martini geschüttelt oder gerührt sein solle. Damit war alles gesagt. Vergesst die Snobs Moore und Brosnan. Vergesst bitte auch die unsagbar peinliche Szene aus „Stirb an einem anderen Tag“ (2002), in der Bond zur Trickfilm-Figur wird.
Bei Craig ist die Action wieder ehrbares Handwerk. In vier Filmen weiteten sich seine Abenteuer zu einer Art Zyklus um Liebe, Verrat, Verschwörung, der nun, im fünften Film „Keine Zeit zu sterben“, ein Ende und Auflösung finden soll.
Sean Connerys Bond servierte einst Bedenkenträger, die seinen Lebensstil zu kritisieren wagten, mit hochgezogener Augenbraue und einer sarkastischen Bemerkungen ab. In der Ära Craig dagegen wird psychologisiert, bis man selbst den Bösewichten nicht mehr so recht böse sein kann. Der moderne Bond liegt zwar immer noch mit einem Bein im Grab, mit dem andern jedoch auf Sigmund Freuds Couch. In „Skyfall“ hatten wir den Ödipus-Komplex, in „Spectre“ krankhaften Geschwisterneid.
Mit mal schnell die Welt retten ist es nicht mehr getan. Da geht es Bond wie Batman. Er wird in seinen Auffälligkeiten inzwischen ernst genommen, vielleicht zu ernst. Er ist, so beschreibt ihn Produzentin Barbara Broccoli, „der angeschlagene Bond für eine angeschlagene Welt“. Zu attestieren ist ihm immerhin, dass sich seine Beziehungsfähigkeit verbessert hat.
Was bleibt vom Craig-007?
Seit der letzten Entschlackungskur hat sich wieder eine Menge Ballast angesammelt. Bond ist anfällig für den Jo-Jo-Effekt. Daniel Craig verabschiedet sich nach „Keine Zeit zu sterben“ als reicher Mann ehrenvoll in den Ruhestand. Jetzt geht es in London wieder ums entrümpeln und umdekorieren. Wer kommt? Was bleibt? Wie gelingt künftig die Balance zwischen Vertrautheit und Erneuerung? Wer ist Freund, wer Feind?
Ian Fleming war in diesem Punkt elastisch. Als sich im Kalten Krieg Entspannung abzeichnete, ersetzte er in seinen Romanen die hinterhältigen Russen kurzerhand durch die privat organisierte, globale Verbrecherorganisation Spectre. Blofeld statt Breschnew. Was jedoch sicher ist: James Bond wird immer treu zum Königreich stehen, Brexit hin oder her. Illoyal und dienstvergessen ist er nicht denkbar. Die Royals danken es ihm, indem sie zahlreich zu jeder Bond-Filmpremiere erscheinen und somit die Abenteuer des Geheimagenten Ihrer Majestät zum britischen Ereignis adeln.
Ironie am Rande: „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ mit besagtem George Lazenby gilt den Fans inzwischen als einer der besten Filme der Reihe. Und Lazenby, heute 82, hat lange davon gelebt, einmal immerhin James Bond gewesen zu sein.