Tanja von Arx (Tagblatt)

„Telefonate zu Bomben haben wir jedes Jahr“, sagt Marcel Kuhn, Dienstchef der Seepolizei Thurgau. Er wirkt fast schon routiniert. Es geht um den Bodensee und darum, was dort über die Jahre alles auf den Grund gesunken ist. Laut Kuhn so Einiges. Ab und an gehören dazu auch Relikte aus dem Zweiten Weltkrieg: an die Oberfläche gespülte Bomben, die dann entfernt oder unschädlich gemacht werden müssen. „Die Seepolizei birgt allgemein Gegenstände, welche eine Gefahr für Schifffahrt oder Umwelt darstellen“, sagt Kuhn.

Allerdings würde man schlicht alte Gegenstände in der Regel unter Wasser belassen. So sagt der Seepolizei-Dienstchef vor dem Hintergrund der Kriegszeiten: „Abgestürzte Flugzeuge zu holen, kostet so viel, dass es für alle Beteiligten uninteressant ist.“

Anders war das im Mai 2021, als man zeitnah nach dem Flugzeug tauchte, das im Februar in den See stürzte – auch aus rechtlichen, sprich untersuchungstechnischen Gründen. Zur Erinnerung: Damals verunglückte ein Tessiner mit seinem Privatjet.

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Wie kam die rote Telefonzelle in den Bodensee?

Die Daumenregel für Bergungen laut Seepolizei-Dienstchef Kuhn: „Im Rahmen der Mittel.“ Aus Kostengründen berge man zum Beispiel keine alte Rudergondel für 100.000 Franken (rund 92.000 Euro). Der See ist stellenweise mehr als 200 Meter tief und kann ab zirka fünfzig Metern nur noch mit technischen Hilfsmitteln wie Sonar, Roboter oder Unterwasserkameras großflächig gesichtet werden.

Kuhn erinnert sich, dass er bei einem Taucheinsatz kürzlich eine englische Telefonkabine entdeckt hat. Klassisch rot und mit gekachelten Fenstern. Das sei zwischen Arbon und Romanshorn gewesen. „Wir haben sie allerdings später nicht mehr gefunden.“ Auf die Frage, wie sie überhaupt dahin komme, sagt der Dienstchef: „Das wüsste ich auch gerne“ und lacht.

Ein Nachbau der traditionellen Transportschiffe auf dem Bodensee: Von diesen Lädinen liegen mehrere auf dem Grund des Bodensees.
Ein Nachbau der traditionellen Transportschiffe auf dem Bodensee: Von diesen Lädinen liegen mehrere auf dem Grund des Bodensees. | Bild: Robert Hahn Bauer

Im Raum Arbon lägen zudem Lädinen, alte Transportschiffe, die bis ins letzte Jahrhundert vor allem zwischen der Schweiz und Deutschland verkehrten. „Es sind mindestens drei, meines Wissens versanken sie teilweise noch beladen“, sagt Kuhn. Außerdem findet sich auf dem Grund des Sees – von Steinach bis Kreuzlingen – nicht selten Diebesgut: Laut Kuhn hauptsächlich Tresore, auch Fahrräder und Mofas. „Kriegen die Diebe kalte Füße, wollen sie alles loswerden – aus den Augen, aus dem Sinn“, glaubt der Polizeidienstchef.

Der See kennt keine Landesgrenzen

Die Seepolizei Thurgau arbeitet mit den Polizeien in Deutschland und Österreich zusammen. Der Zuständigkeitsbereich ist laut Seepolizei-Dienstchef Kuhn geregelt, in besonderen Fällen entscheide man darüber hinaus pragmatisch. Obschon die Angelegenheit an sich kompliziert ist: Der See kennt nämlich keine Landesgrenzen. Gemäß Studien schlicht aus dem Grund, dass dafür nie eine Notwendigkeit bestand.

Kuhn sagt schließlich, um den Abfall im Wasser oder an den Ufern kümmere sich die Seepolizei nicht. „Das machen üblicherweise die Gemeinden bei der sogenannten Uferputzete.“

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Der 4500 Jahre alte Einbaum aus dem Wollmatinger Ried

Erst vor einiger Zeit fand ein gebürtiger Radolfzeller beim Stand-up-Paddling ein rund 4500 Jahre altes Holzschiff, einen sogenannten Einbaum. Er war beim Wollmatinger Ried unterwegs. Nach einer Sichtung und Bergung untersucht es das Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg zurzeit in Konstanz.

Überreste eines Tausende Jahre alten Einbaums, der auf dem Grund des Bodensees gefunden wurde.
Überreste eines Tausende Jahre alten Einbaums, der auf dem Grund des Bodensees gefunden wurde. | Bild: Donato Caspari

Die damit betraute Unterwasserarchäologin Julia Goldhammer sagt: „Es ist der älteste je gefundene Einbaum im Bodensee. Wir dachten: ‚Erstaunlich, so alt und doch so gut erhalten.‘“

Die Konstanzer Archäoligen Julia Goldhammer untersucht mit ihren Kollegen unter anderem einen 4000 Jahre alten Einbaum, der im Bodensee ...
Die Konstanzer Archäoligen Julia Goldhammer untersucht mit ihren Kollegen unter anderem einen 4000 Jahre alten Einbaum, der im Bodensee gefunden wurde. | Bild: Donato Caspari

Das rund achteinhalb Meter lange Schiff, vermutlich noch aus der Steinzeit, war mit Schlamm und Sediment bedeckt, was den Zerfall verhinderte. Ein Glücksfall für die Archäologen.

Das berühmte Schiffswrack vor Bottighofen

Weitum bekannt, nicht nur unter Historikern, ist außerdem der Unfall des Dampfschiffes Jura. 1864 stieß es unter anderem wegen schlechter Wetterbedingungen mit der „Stadt Zürich“ vor Bottighofen zusammen. Dort liegt es noch heute, in vierzig Metern Tiefe. Es ist ein anspruchsvolles Tauchziel: Ein spektakuläres Wrack und ein Industriedenkmal unter Wasser, wie das Seemuseum Kreuzlingen schreibt.

Ein Taucher sichtet das Wrack des Dampfschiffes Jura im Bodensee vor Bottighofen.
Ein Taucher sichtet das Wrack des Dampfschiffes Jura im Bodensee vor Bottighofen. | Bild: Andrew Haller

Touristen wie Einheimische interessieren die alten Dokumente, die den Unfallhergang schildern. Unter anderem das Telegramm mit der entsprechenden Meldung, auch Unterlagen dazu, wie man das Schiff bergen wollte. Eine Bergung war anno damals schlicht zu teuer.

Bis vor etwa einem halben Jahrhundert versenkte die Schifffahrt völlig selbstverständlich ganze Flotten, hatten die Schiffe ihre Lebensdauer erreicht. Laut Seepolizei-Dienstchef Kuhn liegen deshalb noch zig Schiffswracks auf dem Seegrund: „So was darf man heute natürlich nicht mehr machen.“