Die Reise in den Osterferien ist geplatzt, der Pfingsturlaub fiel ins Wasser und das Festival im Sommer ist auch abgesagt. Der Deutsche Reiseverband moniert schon im Mai, dass vier Milliarden Euro an abgesagten Flügen noch nicht erstattet wurden. Doch die Reisebranche beklagt hohe Verluste. Allein von März bis Juni sind es nach Angaben des Verbands 10,8 Milliarden. Über den Sommer könnten weitere neun Milliarden hinzukommen, fürchtet der Verband. In der Veranstaltungsbranche sieht es ähnlich aus. Schon von Januar bis März beklagte der Ticketanbieter Eventim Umsatzeinbrüche von 35 Prozent. Für Verbraucher könnte es damit schwierig werden, ihr Geld zurückzubekommen. Was tun? Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten.
Welche Rechte habe ich als Verbraucher, wenn der Reiseveranstalter storniert?
Grundsätzlich besteht dann ein Anspruch auf Rückerstattung der Reisekosten. Das EU-Verbraucherrecht sieht sowohl bei Flügen als auch bei Pauschalreisen grundsätzlich immer eine Erstattung vor, wenn die Reise nicht stattfinden kann.
Welche Rechte habe ich als Verbraucher, wenn ich wegen einer Reisewarnung selbst storniere?
Wenn eine Reisewarnung für das Reiseziel vorliegt, kann der Verbraucher kostenlos stornieren. Dann muss der Anbieter das Geld zurückbezahlen, bei Flügen innerhalb von sieben Tagen, für alle anderen Reiseelemente wie das Hotel oder den gebuchten Transfer vor Ort innerhalb von 14 Tagen. Verbraucher können einen Gutschein der Reiseveranstalter akzeptieren, „sie müssen es aber nicht“, sagt Buttler von der Verbraucherzentrale.
Dürfen in solchen Fällen Stornogebühren erhoben werden?
Nein. Es dürfen keine Gebühren anfallen, wenn die Reise vom Veranstalter abgesagt wurde.
Was muss ich beachten, wenn ich einen Gutschein akzeptiere?
Verbraucherexperte Buttler rät, Gutscheine nur dann anzunehmen, wenn sie insolvenzgesichert sind. „Denn es kann sein, dass das Reisebüro noch pleite geht“, warnt er.
Welche Möglichkeiten habe ich, wenn ich trotzdem noch verreisen will?
Umbuchen. Wer eine neue Pauschalreise bucht, ist abgesichert, sollte diese erneut storniert werden. Allerdings ist auch hier Vorsicht geboten, so Buttler. Oft seien Umbuchungen in einen anderen Zeitraum mit höheren Kosten verbunden. Darüber sollten sich Reisende genau informieren, bevor sie einer Umbuchung zustimmen.
Was ist, wenn die Reise stattfindet, ich mich aber einfach unwohl fühle und lieber absagen will?
Die noch bestehenden Reisewarnungen gelten bis Ende August. Wer also für einen Zeitraum danach stornieren will, muss mit Stornogebühren rechnen. Diese können sich auf bis zu 80 Prozent belaufen, wenn die Reise erst kurz vor der Abreise erfolgt. Auf eine Stornierung seitens des Anbieters zu hoffen und bis zum Schluss abzuwarten, wenn man nicht reisen möchte, ist in jedem Fall gewagt. Verbraucherexperte Buttler geht nicht davon aus, dass die Reiseveranstalter weitere Reisen absagen, solange es keine neuen verstärkten Infektionsschutzmaßnahmen gibt.
Wie ist das bei Veranstaltungen und was hat es mit den Zwangsgutscheinen auf sich?
Das sogenannte Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht betrifft alle Veranstaltungen von Kultur bis Sport. Es geht darum, die Branche zu schützen, die oft mit hohen Summen in Vorkasse gehen muss. Deshalb dürfen Anbieter den Besuchern einen Gutschein geben anstelle des Geldes. Er muss aber die gesamten Kosten des Ticketpreises umfassen und gilt bis Ende 2021. Sollte der Kunde bis dahin den Gutschein nicht eingelöst haben, hat er im Anschluss dennoch Anspruch auf eine Auszahlung des Gutscheinbetrags. In Ausnahmefällen kann der Betroffene aber auch eine sofortige Rückerstattung beantragen, in diesem Fall muss er einen Härtefall belegen.
Wann gilt mein Anliegen als Härtefall?
Wer etwa durch die Corona-Krise in finanziellen Schwierigkeiten steckt, kann einen Härtefall beanspruchen: Viele sind in Kurzarbeit oder sogar arbeitslos geworden. Hier kann ein Schreiben des Arbeitgebers, das die Kurzarbeit bestätigt, hilfreich sein, rät Buttler. Bei der Verbraucherzentrale melden sich aber auch ältere oder kranke Menschen, die fürchten, dass sie im kommenden Jahr nicht mehr in der Lage sein werden, eine Veranstaltung zu besuchen. Auch sie können einen Härtefall beantragen. Ähnliches gilt für Schüler oder Studenten, die kein geregeltes Einkommen haben.
Was kann ich tun, wenn der Veranstalter den Termin verlegt und ich da nicht kann oder nicht hin möchte?
Verbraucherschutzexperte Buttler sagt klar: „Sobald sich der Termin ändert, fällt der Vertrag weg und ich kann sofort Rückzahlung verlangen.“ Findet ein Festival beispielsweise im Folgejahr wieder statt, die Lieblingsband nimmt dann aber nicht mehr teil, kann das ein Grund sein, die Tickets nicht mehr nutzen zu wollen. Auch dann kann ein Härtefall geltend gemacht werden.
Kann jemand beim Schlichten helfen, wenn der Reiseveranstalter nicht von sich aus zurückzahlt?
Ja. Wenn der Veranstalter bei der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) Mitglied ist, kann der Urlauber ein Verfahren einleiten, indem er eine Beschwerde einreicht. Die Schlichtungsstelle entscheidet, der Schlichtungsspruch ist dann aber auch bindend. Das Verfahren ist kostenlos und hat nach der Erfahrung der Verbraucherschutzzentrale eine hohe Erfolgsrate. Allerdings können die Verfahren etwas Zeit in Anspruch nehmen. Wer schnell Hilfe braucht, sollte eine andere Möglichkeit wählen.
Welche Möglichkeit habe ich, mein Geld vom Konzertveranstalter zurückzubekommen?
Zunächst müssen die Betroffenen den Veranstalter auffordern, das Ticket zurückzubezahlen und eine Begründung mitliefern, weshalb ein Gutschein nicht in Frage kommt und ein Härtefall vorliegt. Sollte die Rückzahlung verweigert werden, kann vom Betroffenen selbst ein Mahnverfahren eingeleitet werden. Helfen kann auch die Verbraucherzentrale, die eine Abmahnung ausspricht. Sie hat eine sogenannte Unterlassungserklärung zur Folge: Der Veranstalter muss das Geld dann zurückbezahlen.
Wie funktioniert ein Onlinemahnverfahren?
Es lässt sich im Internet unter www.online-mahnantrag.de ausfüllen. Dort gibt der Betroffene die Summe ein, um die es geht. Wenn der Anbieter innerhalb von 14 Tagen nicht bezahlt und auch keinen Widerspruch einlegt, kann der Betroffene einen sogenannten Vollstreckungsbescheid beantragen. Im Anschluss muss der Betroffene einen Gerichtsvollzieher einschalten, um das Geld einzutreiben. Den Vollstreckungsbescheid erhält aber auch der Veranstalter – für ihn ist es die letzte Chance, die Summe noch zu überweisen und einen Besuch des Gerichtsvollziehers beziehungsweise eine Kontopfändung zu verhindern.
Wie aussichtsreich ist so ein Verfahren?
Wenn klar ist, dass der Betrag zurückerstattet werden muss, sind die Erfolgschancen hoch, sagt Buttler aus Erfahrung: „Die Firmen wissen, dass sie die Reisekosten zurückerstatten müssen.“ Meist reagierten die Unternehmen schnell auf ein Mahnverfahren und zahlen den Betrag zurück. „Die Reisebranche hat eine Menge Kredite laufen“, weiß Buttler. Vollstreckungsmaßnahmen führen zu einer geringeren Bonität bei den Banken. Die meisten Firmen wollen das vermeiden.
Welche Kosten kommen bei diesem Verfahren auf mich zu?
Ein Online-Mahnverfahren ist ab etwa 30 Euro möglich, die genauen Kosten orientieren sich an der sogenannten Rechtsanwaltsgebührenordnung. Legt die Firma Widerspruch ein, kann der Kläger entscheiden, ob er weitergehen möchte und einen Anwalt einschaltet. Auch wer keine Rechtsschutzversicherung habe, sollte darüber nachdenken, rät Verbraucherschutzexperte Buttler.
Kann ich mir Zeit lassen mit meiner Rückforderung?
Besser nicht. „Ich befürchte, dass die Reise- und Veranstaltungsbranche angeschlagen ist“, warnt Verbraucherschutzexperte Buttler. Der ein oder andere wird nächstes Jahr vielleicht nicht mehr existieren.“ Daher sei es wichtig, das Geld rechtzeitig einzuklagen. Bei Pauschalreisen hat der Kunde einen Reisesicherungsschein, der sicherstellt, dass man sein Geld zurückbekommt. „Bei Individualreisen und Veranstaltungstickets würde ich zu einem schnellen Handeln raten“, betont er.