Das Wichtigste in Kürze

  • Bewaffnet mit einem Sturmgewehr, einer Pistole und einer Machete sowie einer Sprengstoffgürtel-Attrappe hat ein Mann am Montagabend in der Wiener Innenstadt in die Menge und wahllos in die Lokale gefeuert. Vier Passanten kamen ums Leben, auch ein Täter wurde erschossen. 22 weitere Menschen wurden teils schwer verletzt.
  • Unter den Todesopfern ist auch eine Deutsche.
  • Nach Angaben der Polizei gab es sechs verschiedene Tatorte. Einer der Orte liegt in der Nähe der Synagoge.
  • Der Anschlag geht nach den Worten von Österreichs Innenminister auf das Konto eines islamistischen Terroristen. Der Täter war 20 Jahre alt und hatte nordmazedonische Wurzeln. Das konkrete Motiv ist noch ebenso wenig bekannt wie ein Bekennerschreiben oder -video.
  • Innenminister Karl Nehammer bestätigt 14 Festnahmen nach dem Anschlag. Derzeit gibt es laut seiner Angaben keinen Hinweis auf einen zweiten Täter.
  • Eine dreitägige Staatstrauer wurde für ganz Österreich angeordnet. Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat den Anschlag für sich reklamiert.

Die Stadt Wien steht weiter unter Schock: Bei einer Terrorattacke sind nach Angaben der österreichischen Polizei am Montagabend vier Passanten getötet worden.

Nach den Schüssen in der Wiener Innenstadt ist die Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort.
Nach den Schüssen in der Wiener Innenstadt ist die Polizei mit einem Großaufgebot vor Ort. | Bild: Georg Hochmuth/APA/dpa

Ein älterer Mann und eine ältere Frau, ein junger Passant und eine Kellnerin kamen ums Leben, wie Österreichs Kanzler Sebastian Kurz sagte. Unter den Todesopfern befindet sich auch eine Deutsche. „Wir haben jetzt die traurige Gewissheit, dass auch eine deutsche Staatsangehörige unter den Opfern des Angriffs in Wien ist“, teilte Außenminister Heiko Maas am Dienstag in Berlin mit.

Ein Polizist, der sich dem Täter entgegengestellt habe, sei niedergeschossen und verletzt worden. Zudem wurde ein Täter von der Polizei erschossen.

Inzwischen hat sich die Zahl der Verletzten nach der Terror-Attacke in Wien erhöht. Es seien insgesamt 22 Menschen teils schwer verletzt worden, teilte Nehammer weiter mit.

Die Attacke geht nach den Worten von Österreichs Innenminister Karl Nehammer auf das Konto eines islamistischen Terroristen. Er war einschlägig wegen Mitgliedschaft in einer terroristischer Vereinigung vorbestraft.

Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat den Anschlag in Wien mit vier Toten nun für sich reklamiert. Ein „Soldat des Kalifats“ sei für die tödlichen Schüsse in der Nähe einer Synagoge und der Oper verantwortlich, hieß es in einer am Dienstag im Messengerdienst Telegram veröffentlichten Erklärung. Das IS-Propagandaorgan Amaq veröffentlichte eine weitere Erklärung zu „einem Angriff mit Schusswaffen“, der „gestern von einem Kämpfer des Islamischen Staats in der Stadt Wien“ begangen worden sei, und veröffentlichte zudem ein Foto des bewaffneten Angreifers.

Rote Rosen und eine Kerze liegen in Gedenken an die vier Opfer des Terroranschlags in der Wiener Innenstadt.
Rote Rosen und eine Kerze liegen in Gedenken an die vier Opfer des Terroranschlags in der Wiener Innenstadt. | Bild: Matthias Schrader

Das Innenministerium in Österreich hat noch keinen Hinweis auf einen zweiten Täter beim Terroranschlag in Wien. Das gehe aus den bisherigen Ermittlungen und der Auswertungen von vielen der rund 20.000 Videos hervor, die die Bürger der Polizei zur Verfügung gestellt hätten, sagte Innenminister Karl Nehammer am Dienstag in Wien.

Nach Hausdurchsuchungen im Umfeld des erschossenen 20 Jahre alten Attentäters seien 14 Verdächtige vorläufig festgenommen worden. Dem bereits wegen versuchter Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung inhaftierten Mann sei es gelungen, die Behörden bei seiner vorzeitigen Entlassung über den Misserfolg seiner Deradikalisierung zu täuschen, so Nehammer.

Schweiz: Zwei Festgenommene mit möglicher Verbindung zu Wien-Anschlag

Die Polizei in der Schweiz hat am Dienstagnachmittag zwei Männer festgenommen, die möglicherweise mit dem Attentäter von Wien in Verbindung standen. Der 18- und der 24-Jährige aus Winterthur gerieten laut Kantonspolizei Zürich in den Fokus, als die Polizei mögliche Verbindungen der Taten in Wien in die Schweiz prüfte.

Nach Abstimmung mit den österreichischen Behörden nahm eine Spezialeinheit die beiden Männer in Winterthur fest. Inwiefern es eine Verbindung zwischen den Festgenommenen und dem Attentäter gebe, sei Gegenstand der laufenden Abklärungen und Ermittlungen, teilte die Kantonspolizei weiter mit.

Täter mit Pass aus Österreich und Nordmazedonien

Der Täter, ein 20 Jahre alter Doppelstaatler mit österreichischem und nordmazedonischem Pass, habe, als er von der Polizei erschossen wurde, noch viel Munition bei sich getragen. Nach Angaben von Nehammer hatten die Wiener Behörden ein Verfahren angestrengt, um ihm die österreichische Staatsbürgerschaft aberkennen zu lassen. Es habe aber wohl „zu wenige Hinweise auf das aktive Tun des Attentäter“ gegeben, um das Verfahren erfolgreich abzuschließen.

Karl Nehammer, Innenminister von Österreich, spricht auf einer Pressekonferenz im Innenministerium.
Karl Nehammer, Innenminister von Österreich, spricht auf einer Pressekonferenz im Innenministerium. | Bild: Roland Schlager, dpa

Der Attentäter wollte in der Vergangenheit nach Syrien ausreisen, um sich dort dem IS anzuschließen. Er sei daran gehindert worden und stattdessen am 25. April 2019 wegen Mitgliederschaft in einer terroristischen Vereinigung zu 22 Monaten Haft verurteilt worden, so Österreichs Innenminister.

Der Mann sei am 5. Dezember „vorzeitig bedingt entlassen“ worden. Demnach galt er als junger Erwachsener und fiel damit unter die Privilegien des Jugendgerichtsgesetzes.

Mann stammt wohl aus einer „völlig normalen Familie“

Der ehemalige Anwalt des jungen Mannes Nikolaus Rast sagte am Dienstag, der junge Mann stamme aus einer völlig normalen Familie. „Für mich war das ein Jugendlicher, der das Pech gehabt hat, an die falschen Freunde zu geraten“, so der Strafverteidiger gegenüber der österreichischen Nachrichtenagentur APA. Seit Jahren sympathisierte der 20-Jährige mit der Terrormiliz Islamischer Staat IS und war bereit, für sie in den Kampf zu ziehen.

Die Satellitenaufnahme zeigt den 1. Wiener Gemeindebezirk Innere Stadt sowie die Lage des Stadttempels, der Hauptsynagoge von Wien.
Die Satellitenaufnahme zeigt den 1. Wiener Gemeindebezirk Innere Stadt sowie die Lage des Stadttempels, der Hauptsynagoge von Wien. | Bild: -/Google/dpa

Die Wiener Innenstadt war zeitweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr erreichbar. Weder Busse noch Bahnen steuerten Ziele im historischen Kern der Zwei-Millionen-Metropole an. Aufgrund der weiteren polizeilichen Ermittlungen wurden die Bürger aufgerufen, die Innenstadt zu meiden. Schüler müssen am Dienstag in Wien nicht zur Schule.

Sechs verschiedene Tatorte

Der Terrorangriff ereignete sich wenige Stunden vor Beginn des teilweisen Lockdowns in ganz Österreich. Seit Mitternacht sind alle Gaststätten im Kampf gegen die Corona-Pandemie geschlossen.

Die ersten Schüsse fielen am Montagabend gegen 20 Uhr nahe einer Synagoge in einem Ausgehviertel. Nach Augenzeugenberichten feuerte der Täter wahllos in die Lokale. Ein Mann brach tödlich getroffen auf einem Bürgersteig zusammen. Viele Passanten rannten in Panik davon. Einige erhoben die Hände, um der Polizei zu zeigen, dass sie nicht bewaffnet sind.

„Wer einen von uns angreift, greift uns alle an“, sagte Nehammer. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz verurteilte den Angriff als „widerwärtigen Terroranschlag“. Der Angriff sei „eindeutig ein islamistischer Anschlag“ gewesen.

Sebastian Kurz (ÖVP,M), Bundeskanzler von Österreich, nimmt mit weiteren hochrangigen Regierungsmitgliedern an einer Kranzniederlegung ...
Sebastian Kurz (ÖVP,M), Bundeskanzler von Österreich, nimmt mit weiteren hochrangigen Regierungsmitgliedern an einer Kranzniederlegung am Tatort nach dem Terroranschlag teil. | Bild: Arno Melicharek

„Es ist ein Kampf zwischen Zivilisation und Barbarei, und diesen Kampf werden wir mit aller Entschlossenheit führen“, sagte Kurz bei einer Ansprache in Wien. Der oder die Täter hätten aus „Hass auf unsere Grundwerte, aus Hass auf unser Lebensmodell, aus Hass auf unsere Demokratie“ gehandelt.

Der Polizei zufolge gab es sechs verschiedene Tatorte. Einer davon liegt direkt neben der Synagoge.

Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, schrieb auf Twitter, es könne nicht gesagt werden, ob sie eines der Ziele war. „Fest steht allerdings, dass sowohl die Synagoge (...) als auch das Bürogebäude an derselben Adresse zum Zeitpunkt der ersten Schüsse nicht mehr in Betrieb und geschlossen waren.“

Bundespolizei kontrolliert Grenze

Die Bundespolizei kontrolliert die deutsch-österreichische Grenze mit erhöhter Wachsamkeit. „Unsere Kräfte sind entsprechend sensibilisiert“, sagte ein Sprecher der Bundespolizei.

Die Kontrolle der Grenze zu Österreich sei nun ein „taktischer Schwerpunkt“, die Maßnahmen dort würden „lageangepasst verstärkt“. Die Grenzbeamten beachteten genau, ob es Auffälligkeiten „aus dem entsprechenden Spektrum“ gebe, sagte der Sprecher mit Blick auf die mutmaßlich radikalislamischen Attentäter.

Die „Fahndungsmaßnahmen“ an der Grenze würden verstärkt – dies gelte auch für den Bahnverkehr.

Innenminister Strobl und Polizei warnen

Auch das baden-württembergische Innenministerium reagiert auf den islamistischen Terroranschlag in Wien und erhöht den Schutz von jüdischen Einrichtungen. „In Baden-Württemberg haben wir sofort nach Bekanntwerden des Anschlags die Schutzmaßnahmen an den jüdisch-israelischen Einrichtungen erhöht“, teilte Innenminister Thomas Strobl (CDU) mit. Die Gefahr vor islamistischen Terroranschlägen sei in Deutschland unverändert groß. „Mehrfache terroristische Anschläge in Frankreich und nun in Österreich fordern höchste Wachsamkeit auch bei uns“, sagte Strobl.

Polizei: Keine Bilder in sozialen Medien posten!

Die Polizei rief die Bevölkerung ebenfalls dazu auf, öffentliche Plätze zu meiden. „Wir sind mit allen möglichen Kräften im Einsatz. Bitte meiden Sie alle öffentlichen Plätze im Stadtgebiet“, hieß es bei Twitter. Zudem wurde darum gebeten, übers Internet keine Gerüchte zu verbreiten. „KEINE Videos und Fotos in sozialen Medien posten, dies gefährdet sowohl Einsatzkräfte als auch Zivilbevölkerung!“

Österreichs Bundespräsident Alexander Van der Bellen versicherte auf Twitter: „Wir werden unsere Freiheit und Demokratie gemeinsam und entschlossen mit allen gebotenen Mitteln verteidigen.“

Schäuble: Im Kampf gegen islamistischen Terrorismus nicht nachlassen

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) drängt nach dem Terroranschlag in Wien auf eine Intensivierung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit in der Europäischen Union. Dies sei nötig, „um gemeinschaftlich und noch entschiedener den fanatischen Feinden unserer Art zu leben entgegentreten zu können“, schrieb er am Dienstag dem Präsidenten des österreichischen Nationalrats, Wolfgang Sobotka.

Der Anschlag mache auf brutale Weise deutlich, „dass wir im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus nicht nachlassen dürfen“, heißt es in dem Schreiben weiter. „Die Gefahr ist weiterhin real – für uns alle.“ Bei der umfassenden Aufklärung der Hintergründe des Anschlags könne Österreich auf die Unterstützung Deutschlands zählen.

Macron schreibt auf Deutsch auf Twitter

Spitzenpolitiker in aller Welt zeigten sich betroffen. „Nach einem weiteren abscheulichen Terrorakt in Europa sind unsere Gebete bei den Menschen in Wien“, schrieb US-Präsident Donald Trump am späten Montagabend (Ortszeit) auf Twitter. Die USA stünden an der Seite Österreichs, Frankreichs und ganz Europas im Kampf gegen Terroristen, einschließlich radikal-islamische Terroristen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeugte Österreich die Solidarität Deutschlands. „Der islamistische Terror ist unser gemeinsamer Feind. Der Kampf gegen diese Mörder und ihre Anstifter ist unser gemeinsamer Kampf“, erklärte Merkel nach einer Twitter-Mitteilung von Regierungssprecher Steffen Seibert. „Wir Deutsche stehen in Anteilnahme und Solidarität an der Seite unserer österreichischen Freunde.“

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf Deutsch auf Twitter: „Nach Frankreich ist es ein befreundetes Land, das angegriffen wird. Dies ist unser Europa. Unsere Feinde müssen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Wir werden nichts nachgeben.“ In Frankreich hatte es in den letzten Wochen drei Anschläge gegeben, die Ermittler gehen jeweils von einem islamistischen Hintergrund aus.

(dpa / AFP)