Man sollte nicht immer alles glauben, was sogenannte Fachleute von sich geben. So kürten die Reise-Profis der Marco-Polo-Redaktion unlängst die 40 spannendsten Ziele weltweit und empfahl den Spitzingsee als den „kleinen Unbekannten unter den Seen rund um München“.
Münchner und Oberbayern fassen sich an den Kopf, denn der mit 28 Hektar größte bayerische Hochgebirgssee ist unter Skifahrern und Bergwanderern ungefähr so unbekannt wie das Hofbräuhaus.
Das bekommen der See und die gleichnamige Gemeinde an jedem Wochenende zu spüren, an dem es nicht in Strömen regnet. Längst schlagen die Spitzingseer zurück: Kostenlos Parken ist nicht mehr, die Gebühren dafür wurden im vergangenen Jahr um zehn Euro auf satte 15 Euro erhöht.
Wer sich nicht daran hält, findet an der Windschutzscheibe einen Zettel, der mit Strafanzeige droht, wenn Park- und Bearbeitungsgebühr nicht umgehend beglichen werden.
Parken kann richtig teuer werden
„Die Berge sind ein Traum – aber Achtung vor der Parkgebühr“, kommentiert ein Besucher im Internet. „Die kriegen den Hals nicht voll“, mutmaßt ein anderer in einer Lokalzeitung.
Auch wenn der Skibetrieb auf den Spitzingsee-Pisten ruht, wird kassiert. „Der Spitzingsee ist wie auch das ganze Schlierseegebiet eine einzige Abzocke bei durchweg mäßiger bis schlechter Qualität“, ist den Bewertungen zu entnehmen.
Vom Spitzingsee führt der Weg vieler Erholungssuchender hinauf zum einmalig gelegenen Rotwandhaus. Wer die hohen Parkgebühren angesichts der herrlichen Bergwelt verdaut hat, muss erneut schlucken. Das überwältigende Bergpanorama kann nicht jedem Wanderer darüber hinweghelfen, dass auch die Preise an dem Touristen-Hotspot inzwischen alpine Höhen erreicht haben.
„Schweinebraten 17,90 Euro, Weißbier 5,40 Euro. Für eine Hütte des Alpenvereins eine Unverschämtheit“, beschwert sich ein Gast und steht damit nicht allein. Nach der Corona-Pandemie sind die Preise auf vielen Berghütten regelrecht explodiert, längst nicht nur auf dem Rotwandhaus. Mit der Mehrwertsteuer kann das nicht unbedingt etwas zu tun haben, denn auch die Falkenhütte im Tiroler Karwendel erschreckt Wanderer mit kräftigen Preisen.
Die österreichische „Kronen-Zeitung“ hat Hüttenpreise verglichen und festgestellt, dass selbst die nur mit dem Hubschrauber versorgte Kaunergrathütte niedrigere Preise hat als die Falkenhütte.
Mit 17,90 Euro für Penne all‘Arrabiata habe man wohl überkalkuliert, gibt der Hüttenwirt zu. Reihenweise schlechte Noten erhält das ganzjährig offene Hirschberghaus nahe des Tegernsees. „Getränkepreise einfach nur unverschämt“, ledern Besucher ab.
Rotwandhaus wie Falkenhütte gehören den 356 Sektionen des Deutschen Alpenvereins (DAV), der sich die Förderung des Bergerlebnisses auf die Fahnen geschrieben hat. Die Sektionen verpachten die Hütten an Wirte, die das wirtschaftliche Risiko tragen.
Auf die Preisgestaltung habe man keinen Einfluss, erklärt DAV-Sprecher Franz Güntner. Mit zwei Ausnahmen: Mitgliedern muss ein Bergsteiger-Essen angeboten werden, das nicht teurer ist als elf Euro. Außerdem ein alkoholfreies Getränk, das mindestens 40 Prozent billiger ist als Bier in gleicher Menge.
Doch auch in den Tälern haben die Kosten insbesondere für die nicht so erwünschten Tagesausflügler kräftig zugelegt. Viele Einheimische empfinden den zum Wochenende hereinbrechenden Strom von Erholungssuchenden schon lange als Last.
Eine Folge: Fast alle Wanderparkplätze sind inzwischen mit Parkautomaten ausgestattet, der Rest der Stellplätze mit Parkverbotszeichen bepflastert. Die Preise für ein Parkticket reichen bis 15 Euro. „An jedem Parkplatz, an dem ich mein Auto abstellen möchte, hält jemand die Hand auf“, empört sich ein Ausflügler.
Die Tiroler wehren sich seit Kurzem gegen den Massentourismus in Form von Blechlawinen aus dem Norden und lassen per Ampel nur so viele Fahrzeuge ins Land, wie man es für verträglich hält. Die Grenzen zwischen Geschäftstrieb und Abschreckung sind fließend.
Schon werden Vorschläge laut, für die Nutzung beliebter Ausflugsziele über die Parkgebühren hinaus Eintrittsgelder wie in Venedig zu verlangen. Bayerns Landwirtschafts- und Tourismusministerin Michaela Kaniber (CSU) zeigt sich alarmiert. „Ein Kulturgut sollte für möglichst viele zugänglich sein – ohne Preis-Etikett“. Bayern sei ein gastfreundliches Land, „uns ist jeder Gast willkommen“, so die Politikerin.