Wien ist im Ausnahmezustand. Die Staatsverweigerer-Szene legt seit Wochen mit Demonstrationen und Protesten die österreichische Hauptstadt lahm. „Der Regierung geht der Arsch auf Grundeis“, sagt Oberst Ernst Rauter (Hubert Kramer). Nach Krawallen unweit des Kanzleramts stirbt ein Demonstrant. Der von Videos genährte Verdacht: Der Systemkritiker wurde von Polizisten totgeprügelt. Das heizt die Stimmung weiter an.

Diesmal sucht der „Tatort: Wir sind nicht zu fassen!“ aus Wien am Sonntag (1. Juni, 20.15 Uhr, Das Erste) die große Bühne. Im Lauf der 90 Minuten wird zwar auch nach dem oder den Mördern gesucht, aber im Mittelpunkt steht einer der großen gesellschaftlichen Konflikte: Der von Populisten geschürte Generalverdacht gegen Eliten und gegen „das System“.

Wortgefechte zwischen den Ermittlern

Majorin Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Oberstleutnant Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) müssen bei der Klärung des Falles eng mit dem Staatsschutz zusammenarbeiten. Das ist alles andere als reibungsfrei – unterhaltsame Wortgefechte inklusive. Gut also, dass mehr als in anderen Wiener „Tatort“-Krimis Assistentin Meret Schande (Christina Scherrer) viel Raum bekommt, die Ermittlungen mit ihren Ideen voranzutreiben.

Wie ernst ist eigentlich die Lage? Jüngst wurde der Verein „Königreich Deutschland“ vom deutschen Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) verboten. Er galt als bedeutendstes Sammelbecken sogenannter Reichsbürger und Selbstverwalter. Die Gruppe soll Tausende Mitglieder gehabt haben. Im „Tatort“ taucht eine ähnliche Organisation auf: „Kapo“ – „Kampfbereite außerparlamentarische Opposition“.

Anhänger einer Piratenrepublik

Um sich in die Szene der Systemverächter hineinversetzen zu können, tauchen die TV-Fahnder in eine fremde Welt ein: Dort herrscht die Vision vom „kosmischen Endkampf zwischen Gut und Böse“ und der Glaube an die legendäre Piratenrepublik Libertalia, wo sich im 17. Jahrhundert selbst ernannte „Hüter der Freiheit“ auf Madagaskar zusammengefunden haben sollen.

Mehrfach wechseln in der vom vielfach ausgezeichneten Autor Rupert Henning erdachten und schnörkellos inszenierten Story die Verdachtsmomente. Dieser „Tatort“ vertraut ganz der Kraft der Handlung, ohne Effekte und musikalische Dauerberieselung.

Am Ende wird ein Demagoge zitiert

Eine entscheidende Rolle bei der Aufklärung kommt wie so oft der Gerichtsmedizin zu. Günter Franzmeier als Professor Werner Kreidl überzeugt mit Expertise und rhetorischer Brillanz. Gut besetzt auch die Nebenrollen wie die Empörungs- und Verschwörungsanhängerin Jessica Plattner (Julia Edtmeier) oder der Barbesitzer Heiko Tauber (Gerald Votava).

Bei der Frage nach dem Ernst der Lage hat Meret Schande das letzte Wort. Ob es sich nur um „versponnene Verschwörungs-Schwurbler“ handle, will Oberst Rauter wissen. Schande zitiert darauf einen der größten Demagogen der Geschichte: „Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale, wir kommen als Feinde – wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir.“ Joseph Goebbels, Hass-Prediger des NS-Regimes.

(dpa)