Wenn Manfred Henle aus Schwörstadt zur Gitarre greift, gibt es kein Halten mehr. Er kann über 1000 deutsche Volkslieder auswendig singen. „Rechne ich noch die Kirchenlieder hinzu, so sind es fast 2.000“, so der 83-jährige ehemalige Sägewerksbesitzer. Sein wunderbares Hobby teilt er seit etwa 30 Jahren mit den Bewohnern von Altenheimen der Region.

Anfangs ist er in unregelmäßigen Abständen im Marienhaus Bad Säckingen mit Volksliedern aufgetreten. Bad darauf fuhr er alle 14 Tage in die Trompeterstadt – mit der Gitarre im Auto und den Volksliedern im Kopf. „Liederbücher nehme ich keine mit. Ich singe auswendig und wer die Lieder kann, singt einfach mit, wer den Text nicht weiß, summt die Melodie“.

Im Laufe der Zeit weitete sich Manfred Henles Aktionsradius aus. Es kam das Franziskushaus in Bad Säckingen hinzu, das Georg-Reinhard-Haus in Schopfheim und schließlich das Haus am Park in Rheinfelden. „Wichtig ist mir das Singen in der Gemeinschaft. Das vertreibt Kummer und hebt die Stimmung. Das Singen von Volksliedern ist gesund und auch gut für das Gedächtnis“.

Familie kommt wegen der MBB nach Brennet

Seine Liebe zur Musik fiel nicht vom Himmel. Die Henles wurden am Ende des 19. Jahrhunderts von Karl August Hipp, dem Gründervater der Mechanischen Buntweberei Brennet, ins Wehratal geholt. Sie stammten aus Trillfingen (Haigerloch), das ganz in der Nähe von Binsdorf liegt, wo Hipp zur Welt kam und aufwuchs. Hipp kannte die „schaffige“ Mentalität des Menschenschlags dieser rauen Gegend und baut mit ihnen seine Stammbelegschaft auf. Die beiden Brüder Josef und Wendelin zogen nach Brennet, während ihr Bruder Stephan von 1897 bis 1900 sogar Direktor der Weberei in Wehr war.

Manfred Henles Großvater, der MBB-Meister Josef Henle im August 1936 mit seiner zweiten Ehefrau Prima, geborene. Moser.
Manfred Henles Großvater, der MBB-Meister Josef Henle im August 1936 mit seiner zweiten Ehefrau Prima, geborene. Moser. | Bild: Familienalbum Brunhilde Glatthar, geb. Henle

Manfred Henle stammt von Josef Henle ab, der am 26. August 1888 in Brennet begann und vom einfachen Arbeiter zum Meister aufstieg. „Großvater Josef war im wahrsten Sinne des Wortes mit Nachwuchs gesegnet. Durch zwei Ehen waren es sage und schreibe 18 Kinder.“ Deshalb bekam der in der Ausrüstung der MBB beschäftigte Meister eine besonders große Wohnung in der „Kaserne“ – dem großen MBB-Wohnhaus, das gegenüber der Fabrik lag und zu Beginn der 1990er Jahre abgerissen wurde. So die Erinnerung von Brunhilde Glatthar, geborene Henle, die ebenfalls Josef Henle zum Großvater hat.

Die Liebe zur Musik liegt in der Familie

Die Namen aller Kinder aufzuzählen, würde zu weit führen. Aber Manfred Henles Liebe für die Musik und den Gesang hat er nicht nur von seiner Mutter aus Schwörstadt geerbt, die viel mit ihm sang. Auch sein Vater Viktor hatte musikalische Gene. Dieser griff gern zu Gitarre und sang dazu.

Wie erstaunt war Manfred Henle, als er unlängst ein Foto aus dem Familienalbum seiner Cousine Brunhilde Glatthar aus Öflingen sah. Er hatte es zuvor noch nie zu Gesicht bekommen. Die Aufnahme wurde 1927 im Hof der MBB geschossen. Im Hintergrund ist der heute noch stehende schmiedeeiserne Zaun zu sehen. Dieses Jahr 1927 brachte nach den Turbulenzen der Chaoszeit von 1918 bis 1923 eine Phase der Prosperität in der Textilindustrie. Es herrschte Vollbeschäftigung und den Textilarbeitern ging es gut. So auch der Familie des Meisters Josef Henle.

Die Jazzband der Gebrüder Henle in Brennet 1927: Sie nannten sich „Club der Sorglosen Öflingen“, was sehr gut in diese Phase des ...
Die Jazzband der Gebrüder Henle in Brennet 1927: Sie nannten sich „Club der Sorglosen Öflingen“, was sehr gut in diese Phase des wirtschaftlichen Aufschwungs passte. Der Mandolinenspieler ist Manfred Henles Vater Viktor. | Bild: Familienalbum Brunhilde Glatthar, geb. Henle in Öflingen

Trotz allem ging es bei den Henles immer lustig zu. Es wurde viel gesungen. Und Manfred Henles Vater Viktor gründete zusammen mit seinen Brüdern sogar eine Jazz-Band. Sie nannten sich „Club der Sorglosen – Öflingen“. Ob sie in den Öflinger und Brenneter Kneipen auftraten, ist nicht überliefert. Das Foto beweist jedoch, dass Viktor mit der Mandoline (vorne, links), Otto am Schlagzeug und Franz an der Gitarre viel Spaß hatten. Auch die drei jungen Leute hinter den Musikern, von denen Manfred Henle in der Mitte seine Tante Agnes erkennt, waren begeistert.

„Bis ich das Foto sah, wusste ich nicht, dass mein Vater auch Mandoline spielen konnte. Ich habe ihn nur mit der Gitarre in Erinnerung“, so der Kommentar des ehemaligen Sägewerksbesitzers. Wollen wir hoffen, dass Manfred Henle sein wunderbares Hobby noch viele Jahre mit den Bewohnerinnen und Bewohnern der Altenheime unserer Region teilen kann.

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