Werbung für Schwangerschaftsabbruch ist verboten. Das mag auf den ersten Blick moralisch richtig erscheinen. Denn nichts sollte mehr wert sein als ein Leben. Aber schon da gibt es eine Abwägung zu treffen. Denn welches Leben zählt denn mehr? Das der erwachsenen Mutter, die eine bewusste Entscheidung gegen das Austragen des Kindes fällt, oder das des Embryos, der noch nicht über die kognitiven Fähigkeiten der Frau verfügt, in der er heranwächst. Jede Frau sollte das Recht haben, selbst darüber zu entscheiden, was mit ihrem Körper passiert. Tatsächlich haben Frauen in Deutschland zwar die Möglichkeit zu einer Abtreibung, aber kein festgeschriebenes Recht.
Im Strafgesetzbuch ist lediglich festgehalten, dass ein Schwangerschaftsabbruch straffrei bleibt, wenn der Abbruch durch einen Arzt innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis und nach einer Beratung erfolgt. Ohne eine Beratung darf niemand ein Kind abtreiben. Eine Frau ist damit nicht frei, über ihren Körper zu entscheiden. Sie läuft sogar Gefahr, mit bis zu drei Jahren Haft bestraft zu werden, wenn sie die Vorgaben nicht einhält. Dabei ist im Grundgesetz das Recht der körperlichen Unversehrtheit festgeschrieben. „Die Freiheit der Person ist unverletzlich“, heißt es in Artikel 2 des Grundgesetzes.
Abstimmung im Parlament zu Artikel 219
An diesem Mittwoch will der Bundestag über Artikel 219 entscheiden. Die Änderung sieht vor, Hinweise, dass in der betroffenen Praxis Abtreibungen durchgeführt werden, künftig zu erlauben. Bislang verbietet der Artikel die Werbung für Schwangerschaftsabbrüche, bei Zuwiderhandlungen drohen bis zu zwei Jahre Haft. Das Gesetz haben die Nazis 1933 eingeführt. Sie beanspruchten die Entscheidung über ungeborenes Leben für sich – und damit die Kontrolle über den weiblichen Körper.
Dass ein solches Gesetz seinen Weg in das Grundgesetz fand, das für den Neubeginn eines Rechtsstaats stehen sollte, erscheint aus heutiger Sicht fragwürdig. Doch der Zusatz erklärt sich auch und gerade durch die Lehren aus der Nazizeit. Die Kirchen machten sich für ungeborenes Leben stark, statt wegzusehen. Tatsächlich ist die Frage berechtigt, wer sich für die heranwachsenden Babys einsetzt, die nicht für sich selbst sprechen können.
Freies Informationsrecht ist notwendig
Dennoch muss und kann die endgültige Entscheidung nur bei der werdenden Mutter liegen, ob sie diese Rolle erfüllen kann und will. Dazu gehört auch, sich frei informieren zu können, wo ein Eingriff zum Schwangerschaftsabbruch möglich ist. Paragraf 219 steht im Widerspruch zur Informationsfreiheit, die ebenfalls im Grundgesetz verankert ist: Artikel 5 besagt, dass „jedermann ein Recht darauf hat, sich aus allgemein zugänglichen Informationsquellen ungehindert zu unterrichten“. Wie aber soll sich eine Frau ungehindert über Behandlungsstellen informieren, wenn es Ärzten verboten ist, öffentlich kenntlich zu machen, dass sie solche Operationen vornehmen? Frauen werden damit unnötig in Bedrängnis gebracht. Und Ärzte im 21. Jahrhundert an den Pranger gestellt, weil sie Betroffenen ihre Hilfe anbieten.
Dabei urteilte das Bundesverfassungsgericht schon 2006, dass die Information für potenzielle Patientinnen möglich sein muss: „Wenn die Rechtsordnung Wege zur Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen durch Ärzte eröffnet, muss es dem Arzt auch ohne negative Folgen für ihn möglich sein, darauf hinzuweisen, dass Patientinnen seine Dienste in Anspruch nehmen können.“ Geändert wurde aber nichts an dem Gesetz, das durch den Fall von Gynäkologin Kristina Hänel in Gießen 2017 erneut in die Diskussion geriet.
Der Schutz eines ungeborenen Kindes ist wichtig und richtig. Dennoch müssen Frauen, die sich zur Abtreibung entscheiden, in ihrer Entscheidung respektiert werden: Sie haben ihre Gründe. Es steht niemandem zu, sie in Zweifel zu ziehen. Das bisherige Gesetz erschwert die Umsetzung ihrer Entscheidung. Den Paragrafen wie geplant zu ändern, ist die einzig richtige Entscheidung.