Lieber Herr Habeck,

man tritt Ihnen vermutlich nicht zu nahe mit der Behauptung, dass es nach der vergangenen Bundestagswahl auffallend still geworden ist um Sie. Alle Spitzenfunktionen bei den Grünen haben Sie aufgegeben, und die Ambitionen auf eine weitergehende politische Karriere offenbar auch.

Am Rednerpult des Bundestags, wo Sie ja immerhin noch einfacher Abgeordneter sind, wurden Sie zuletzt ebenfalls nicht mehr gesichtet. Wo also sind Sie, was planen Sie?

Künftig mehrere Gastprofessuren

Einen Hinweis auf Ihr künftiges Wirken gab es in einer Mitteilung des Bundesanzeigers zu lesen. Demnach arbeiten Sie künftig am Dänischen Institut für Internationale Studien, werden mehrere Gastprofessuren an außereuropäischen Universitäten wahrnehmen und als freiberuflicher Redner zu verschiedenen Anlässen in Erscheinung treten.

Dazu haben Sie selbst bekanntgegeben, dass Sie Gastgeber eines Gesprächsformats am Berliner Ensemble werden. Kurzum: Sie werden in den kommenden Jahren sehr viel reden.

Worüber werden Sie reden?

Doch worüber eigentlich? Ich erinnere mich noch, als Sie das erste Mal für mich wahrnehmbar auf der politischen Bühne in Erscheinung getreten sind. Damals waren Sie Landwirtschaftsminister von Schleswig-Holstein, saßen im Schneidersitz auf einer Wiese in Kiel und erzählten, was man in der Bundespolitik alles anders machen müsste.

Seither hat sich vieles verändert. Ihr Auftreten, Ihre Sprache, Ihre Beliebtheit. Wird es darum gehen, in Ihren künftigen Reden? Oder um trilaterale Konfliktlösung in Regierungsbündnissen?

Einblicke in den Maschinenraum

Keine Frage, Herr Habeck, Sie werden eine Menge Einblicke in die Welt der Politik geben können, die den meisten Menschen ansonsten so fremd wie unverständlich ist. Sie haben im Maschinenraum der Macht selbst erlebt, wie schnell die eigenen Überzeugungen durch eine veränderte Weltlage unter die Räder kommen können.

Wie man plötzlich Gas-Deals mit zweifelhaften Gestalten abschließen muss, statt sich um den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft zu kümmern. Damals auf der Wiese in Kiel haben Sie sich das vermutlich anders vorgestellt.

Mit den Ideen zu früh

Ich habe Sie nie als jene Lichtgestalt gesehen, für die Sie anfangs so manche Beobachter gehalten haben. Aber ich konnte auch die Verachtung nicht nachvollziehen, die Ihnen später entgegenschlug. Ich vermute, Sie waren mit Ihren Ideen schlicht zu früh. Sie haben schon vor der russischen Invasion mehr Hilfe für die Ukraine eingefordert.

Dass die Industrie in Deutschland ebenso klimaneutral werden muss wie alle anderen Wirtschaftsbereiche, dürfte kaum noch jemand bezweifeln. Der Atomausstieg wird sich im Nachhinein nicht als verfrüht erweisen und die Wärmepumpe wird sich wie das E-Auto durchsetzen. Nicht, weil Sie das so möchten, sondern weil es technisch sinnvoll ist und uns sonst der Planet unter den Füßen wegbrennt.

So gesehen sind Sie an den Universitäten dieser Welt sicherlich nicht schlecht aufgehoben, werden dort doch seit jeher jene Erkenntnisse behandelt, die im Leben der breiten Bevölkerung noch nicht angekommen sind. Da dürften Sie sich wohler fühlen, als auf der Regierungsbank.

Viele Grüße, oder wie man auf
Dänisch sagt: Venlig hilsen!