Die Freude der AfD nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen ist berechtigt. In beiden Ländern hat sie mehr als 30 Prozent der Stimmen abgeräumt, den Diskurs bestimmt und vor allem bei jungen Wählern riesige Zugewinne erzielt. Ähnliche Ergebnisse hat nur noch die CDU erreicht, die Ampelparteien dagegen können nur davon träumen.

Auch wenn diese Ergebnisse ähnlich erwartet worden waren, sind sie ein politisches Beben, dessen Schockwellen noch lange wirken werden. Denn wie Regierungskonstellationen nun aussehen und wie sie sich auf den Bund auswirken können, ist unklar.

Ein Wahlsieg bedeutet nicht automatisch Regierungsamt

Klar ist nur: Die AfD soll nirgends an Regierungen beteiligt werden. Da sind sich alle einig und das ist auch gut so. Die Partei gilt in beiden Bundesländern als gesichert rechtsextrem und verfassungsfeindlich. Sie will einen anderen Staat und macht mit Nazi-Rhetorik Stimmung gegen alles, was nicht ihr Weltbild passt. Solche Scharfmacher sollten in Demokratien keine Verantwortung tragen – weil sie am Ende die Demokratie abschaffen wollen.

Dass man dadurch den Wählerwillen missachtet, ist Unfug. Wer in Deutschland regieren will, sei es im Bund oder in Ländern, benötigt Mehrheiten – und wer sie nicht findet, kann nicht regieren. Das ging Helmut Kohl 1976 schon so und das gab es auch bei früheren Landtagswahlen in West- und Ostdeutschland. Es ist also ein normaler Vorgang, dass ein Wahlsieg nicht automatisch zu einem Regierungsamt führt.

Ran an die großen Baustellen

Und trotzdem sind diese Wahlen eine Zäsur – weil sie dazu führen werden, dass sich bisher undenkbare Konstellationen finden müssen. Die CDU mit den Linken, die CDU mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) oder aber sogar mit beiden. Es dürfte das Ende der CDU-Brandmauern sein – zumindest mal nach links – und auch das ist gut so.

Vom Einbuddeln in ideologische Schützengräben haben die Menschen in der Bundesrepublik die Nase voll, sie erwarten Lösungen für die größten Probleme unseres Landes und kein Parteiengezänk. Und diese Erwartungshaltung kann man gut nachvollziehen.

Vielleicht findet die Ampel nun noch einmal Kraft

Die Menschen im Land sind schlicht ermüdet davon, etwa der Ampel beim Regieren zuzusehen: wo sich die Beteiligten wie im Sandkasten ums Schäufelchen streiten, statt die großen Baustellen zu bearbeiten. Zum Beispiel ihre Migrationspolitik, mit der die Wählerinnen und Wähler nicht mehr einverstanden sind. Es müssen bessere Lösungen her, wie irreguläre Migration gestoppt werden kann und wie straffällige Zuwanderer schneller ausgewiesen werden können.

Und es müssen Antworten her, wie unsere Wirtschaft gestärkt wird, um die Basis des Wohlstands zu sichern. Wenn die Wahlen in Thüringen und Sachsen dazu führen, dass sich die Ampelparteien zum Beispiel diesen Aufgaben kraftvoll und anders als heute zuwenden, wäre auch das ein gutes Ergebnis.

Die Unzufriedenheit wächst überall

Allerdings gibt es vor allem bei SPD und Grünen Wortmeldungen, die die Stimmenverteilung im Osten als regionales Phänomen abqualifizieren. Wer das wirklich so meint, der hat den (Warn-)Schuss nicht gehört. Es ist zwar richtig, dass es regionale Unterschiede gibt und beispielsweise die AfD-Ergebnisse bei den Europawahlen im Westen niedriger waren als im Osten.

Aber die Unzufriedenheit vor allem mit der Bundespolitik wächst überall und die färbt auf Landtagswahlen ab. Aus kleinen Feuern kann ein Flächenbrand erwachsen. Wer das verhindern will, muss sich ändern. Möglichst schnell und umfassend.

Merz sollte die Chance erkennen

Der CDU bietet sich nun eine Chance – auch wenn sie das selber so noch nicht sehen kann. Natürlich fürchten sich Parteistrategen davor, durch radikal neue Wege Stammwähler zu verprellen und Verhandlungen mit dem eigentlich verhassten Bündnis Sahra Wagenknecht wäre so ein radikal neuer Weg. Aber sie unterschätzen das Wohlwollen derer, die so eine Veränderung als pragmatische Politik anerkennen könnten.

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Wie groß der Saldo zwischen diesen Gruppen wäre, lässt sich nicht sagen. Aber es ist eine Chance, die sich im Moment weder SPD, noch Grünen oder der FDP bietet – sie ungenutzt verstreichen zu lassen, wäre unklug.

Für Parteichef Friedrich Merz klingt es heute noch nach einem unrealistischen Zukunftsszenario, dass es zwischen seiner CDU im Osten und dem Bündnis Sahra Wagenknecht Gemeinsamkeiten geben könnte – aber die aktuellen Ergebnisse der AfD hat er so vor fünf Jahren auch nicht prognostizieren können. Eine Hinwendung zu neuen Realitäten ist also unausweichlich und kann auch nicht schaden. Er muss ja nicht gleich sagen „Wir schaffen das“, aber ein „Wir haben verstanden“ könnte helfen.