Herr Haas, seit einer Woche ist Donald Trump wieder Präsident der USA. Wie haben Sie seinen Amtsantritt wahrgenommen?

Zwiespältig. Man hat in gewisser Weise die Hoffnung, dass er sich vielleicht doch ein bisschen präsidialer gibt. Er hat zum Beispiel in seiner Rede gesagt, er möchte als Präsident für alle Amerikaner kämpfen. Hört man auf die Details, tut er es faktisch doch nur für seine Zielgruppen. Und das andere ist die Hoffnung, dass es vielleicht ein bisschen moderater zugeht. Aber er hat in seiner Rede sehr deutlich gemacht, wo die Reise hingeht. Also im Grunde ist es letztlich die Erfüllung der Erwartungen. Oder Befürchtung, je nachdem, wie man es nennen will.

In Deutschland überwiegt die Skepsis nach Trumps Wahlsieg. Zurecht?

Je nachdem, wie man es sieht. Zwei Sachen sind für die Deutschen besonders interessant. Das eine ist die Frage, wie es im Bereich der Sicherheitspolitik, also etwa gegenüber der Ukraine, weitergeht. In der Antrittsrede sagte er dazu im Grunde nichts. Und das andere ist die Frage der wirtschaftlichen Beziehungen. Und da ist Europa fürs Erste verschont geblieben. Die Zölle, die er unmittelbar an seinem ersten Amtstag angedroht hat, betreffen vor allem Kanada und Mexiko. Jedoch kann sich Europa nicht entspannt zurücklehnen, hat aber etwas Zeit sich für den Ernstfall zu wappnen.

Bild 1: Darf Trump machen was er will? „Ganz freie Hand hat er nicht“
Bild: privat

Würde uns im Umgang mit Trumps vielen Ankündigungen ein bisschen Gelassenheit guttun?

Vor allem ist anzuraten, die Realität zu akzeptieren. Donald Trump ist Präsident. Jetzt gilt es zu schauen, was hohle Ankündigungen sind und was von Trump tatsächlich umgesetzt wird. Man sollte, meine ich, nicht den Fehler machen, mit purer Ablehnung zu reagieren. Man muss schauen, ob das, was er sagt, sich in irgendeiner Form in Erlassen oder Gesetzgebung niederschlägt. Und das ist das, worauf man reagieren muss, nicht auf die ganzen Worthülsen. Was dieses Mal jedoch anders ist: Trump und sein Mitarbeiterstab sind auf diese Amtszeit eindeutig besser vorbereitet als vor acht Jahren.

Friedrich Merz hat gesagt, er hält vernünftige Gespräche für möglich. Sehen Sie das auch so?

Trump ist ein Dealmaker (dt.: Geschäftemacher). Und die Europäer haben einiges an Verhandlungsmasse, mit der sie reagieren können. Das war ja damals schon so, dass man auf US-Zölle auf europäische Produkte mit eigenen Zöllen reagiert hat. Der Handel zwischen Europa und den USA macht 30 Prozent des Welthandels aus. Also gibt es Verhandlungsmasse, deswegen sage ich: Ja, man kann mit ihm reden, man kann mit ihm Deals machen.

Die Republikaner haben sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus die Mehrheit. Kann Trump jetzt also alles umsetzen, was er will?

So einfach wird es nicht werden. Die Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus ist hauchdünn. Das heißt, es reicht nicht mal eine Handvoll Abweichler in den eigenen Reihen und schon ist es um ein Gesetz geschehen. Auch im Senat gibt es ein paar Republikaner, die nicht mit allem, was Trump will, einverstanden sind. Es werden also Kompromisse gemacht werden müssen, damit die Republikaner tatsächlich ihre Mehrheiten beieinander haben.

Die ganz freie Hand hat Trump nicht. Vieles von dem, was er jetzt an präsidentiellen Erlassen unterzeichnet hat, ist jedoch ein Hinweis an seine Wählerinnen und Wähler, dass er jetzt da ist und anpackt. Aber dass davon vieles zunächst noch von Gerichten geprüft werden muss, vergisst sich schnell oder es wird verdrängt.

Ein Tänzchen in Ehren: Präsident Trump nach einer Rede über die Wirtschaft.
Ein Tänzchen in Ehren: Präsident Trump nach einer Rede über die Wirtschaft. | Bild: John Locher, dpa

Von außen sieht es aus, als hätte Trump hat sich vor allem mit Ja-Sagern umgeben. Gibt es da überhaupt jemanden, der ihm auch mal Kontra gibt?

Jeder dieser Gruppe um ihn herum will natürlich seinen Platz haben. Alle sind in gewisser Weise Ja-Sager, aber was hinter den Kulissen ohne Trump vorgeht, das wissen wir nicht. Da gibt es ganz sicher unterschiedliche Interessenlagen. Man kann sich jetzt schon ausrechnen, dass eine Weile Ruhe sein wird, aber irgendwann geht‘s los, das Hauen und Stechen, wer denn die Nachfolge von Trump antritt.

Wie könnte so eine Ära nach Trump denn aussehen, wenn nach der zweiten Amtszeit wirklich Schluss ist?

Verfassungsrechtlich ist da nichts zu machen. Das ist eindeutig. Trump müsste eine Verfassungsänderung durchbekommen und das wird nicht passieren. Zwei-Drittel-Mehrheiten in beiden Kammern des Kongresses und dann noch drei Viertel der Einzelstaaten, die zustimmen müssen.

Deswegen wird also die Frage sein, ob Trumps Politik weitergeführt wird, etwa durch einen der Söhne. Oder von JD Vance, von dem als Vizepräsidenten der ersten Zugriff erwartet werden wird. Es gibt noch andere, die sich hervortun. Die Gruppe der republikanischen Senatoren, Abgeordneten oder auch Gouverneure, die ganz fleißig Trump-Wähler-Politik machen, ist ja einigermaßen groß. Deswegen glaube ich, dass spätestens nach den Zwischenwahlen in zwei Jahren der Kampf um die Nachfolge ausbrechen wird.

Trump unterschreibt an seinem ersten Tag im Amt stapelweise Dekrete, mit denen der Präsident in den USA durchregieren kann.
Trump unterschreibt an seinem ersten Tag im Amt stapelweise Dekrete, mit denen der Präsident in den USA durchregieren kann. | Bild: JIM WATSON, AFP

Sehen wir uns die Gegenseite an, die Demokraten. Deutet sich jemand an, den sie als Kandidaten für 2028 aufbauen können?

Die Demokraten sind immer noch in einer gewissen Schockstarre. Wenn man die Leute durchgeht, die bei Bidens Rückzug ihren Hut in den Ring hätten werfen können, dann sind es zum Beispiel Josh Shapiro, der Gouverneur von Pennsylvania, der auch als Vizepräsidentschaftskandidat im Gespräch war. Ich glaube, Kamala Harris ist verbrannt. Dann haben wir Gretchen Whitmer, die als Gouverneurin von Michigan damals auch in der Diskussion war. Man könnte auch Tim Walz ins Spiel bringen, der als Vizepräsidentschaftskandidat von Harris vielleicht nicht ganz außen vor ist. Es gibt also ein paar denkbare Kandidatinnen und Kandidaten.

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Von vielem, was Trump im Wahlkampf angekündigt hat, ist er schon abgewichen. Schadet ihm das?

Ich glaube nicht. Letztlich wissen doch auch viele Wählerinnen und Wähler, dass da vieles aufgebauscht war. Aber wenn nach einer bestimmten Zeit nicht geliefert wird, dann werden die Fragen schon kommen. Ich glaube aber, das war nicht die wichtigste Frage für die größte Gruppe der Wählerinnen und Wähler. Bei ihnen ist die größte Frage: Geht die Inflation runter? Also ob der Geldbeutel in, sagen wir mal, sechs Monaten voller ist, als heute. Da bin ich gespannt.

Was ich langfristig interessant finde, ist der massive Eingriff in die Bürokratie, den Trump geplant hat. Wenn man die Verwaltung umbaut und dann Leute aus dem Trump-Orbit hereinbringt, die womöglich gar nicht die fachliche Kompetenz haben, die verwaltungstechnisch, verwaltungsrechtlich nicht ausgebildet sind, dann ist das nichts anderes als das Spoils-System aus dem 19. Jahrhundert: Klientelwirtschaft, Begünstigungspolitik, die in handwerklich unzureichender, aber auch einseitig parteiisch-ideologischer Gesetzgebung mündete. Die USA haben damals lange gebraucht, ihre Verwaltung zu professionalisieren.