Es war einer der kuriosen Augenblicke des TV-Duells zwischen der Demokratin Kamala Harris und Ex-Präsident Donald Trump. Voller Empörung hatte der Republikaner plötzlich behauptet: Illegal ins Land gewanderte Migranten würden die Haustiere von US-Bürgern, vor allem Hunde und Katzen, verspeisen.

Seitdem hat diese Bemerkung eine ungeheure Dimension erreicht. Auf der Plattform X – früher Twitter – beschäftigen sich mehr als eine Million Einträge mit dieser Thematik.

Wahlverhalten der Tierliebhaber beeinflusst?

Trump hat dort, ebenso wie Elon Musk, das vermeintlich grausame Schicksal von Hunden, Katzen und Enten kommentiert. Und politische Analysen trauen der Debatte zu, am 5. November das Wahlverhalten vor allem tierliebender Bürger zu beeinflussen – zum Nachteil von Kamala Harris, die wie Joe Biden eine Politik der offenen Grenzen betrieben hat.

Die Diskussion hat nur einen Schönheitsfehler: Bisher gibt es keine eindeutigen Beweise dafür, dass der Vorwurf von Trump auf Wahrheit beruht. Im Mittelpunkt der Behauptungen Trumps und vieler seiner Anhänger steht dabei die Stadt Springfield im Bundesstaat Ohio. Dort hat die massive Zuwanderung vor allem von Migranten aus Haiti dazu geführt, dass die Bevölkerung durch 20.000 Flüchtlinge auf insgesamt 60.000 Menschen gewachsen ist – und die Neuankömmlinge das Stadtbild dominieren.

Klima der Stadt ist vergiftet

Die Migranten wurden aufgrund einer Entscheidung der Biden/Harris-Regierung legal ins Land gelassen und genießen damit Schutz vor Abschiebung. Rob Rue, der Bürgermeister von Springfield, konstatierte nun am Wochenende erneut: Es gebe keinerlei glaubwürdige Hinweise bei der Polizei, dass sich Migranten bisher an Haustieren vergriffen haben. Das Klima in der Stadt ist jedoch mittlerweile so vergiftet, dass am Freitag nach Bombendrohungen sowohl Schulen wie auch die Stadtverwaltung geschlossen werden mussten.

Das Gerücht, das nun die Emotionen landesweit so hoch schlagen lässt, wurde offenbar durch einen einzigen Facebook-Post gestartet. Darin behauptete eine Frau, sie habe durch einen Nachbarn gehört, dass ein Freund dieses Nachbarn gesehen habe, wie vor einem Haus mit Haitianern eine Katze geschlachtet und gegessen worden sei. Diese Frau räumte jetzt ein, ihre Aussage sei nicht wahr. Klare Indizien für andere Vergehen an Tieren gibt es ebenfalls nicht.

Donald Trump und Kamala Harris während der Präsidentschaftsdebatte auf einem Bildschirm in Portland
Donald Trump und Kamala Harris während der Präsidentschaftsdebatte auf einem Bildschirm in Portland | Bild: Robert F. Bukaty/dpa

Es kursiert eine einzige unscharfe Aufnahme, auf der ein dunkelhäutiger Mann ein Tier – das als tote Gans identifiziert worden ist – durch die Straßen trägt. Schnell machte sich deshalb das Gerücht breit, Migranten würden sich an den Teichen der Stadt an Enten und Gänsen bedienen.

Doch auch hierfür fehlen laut der Stadtverwaltung klare Beweise. Fest steht nur, dass das Foto nicht in Springfield, sondern in der Stadt Canton (Ohio) aufgenommen wurde – und es noch keinen schlüssigen Beweis dafür liefert, dass diese tote Gans aus einem städtischen Teich gestohlen wurde.

Haitianer als Sündenböcke?

Dennoch sorgen immer neue Aussagen aus dem Trump-Umfeld dafür, dass vor allem Migranten aus Haiti ins Visier genommen werden. „Jemand vermisst seine Katze? Sie werden sagen, dass die Haitianer es getan haben“, beschrieb jetzt ein örtlicher Friseur aus Springfield das Reiz-Klima in der Stadt.

In einigen Bundesstaaten wie Arizona haben Republikaner Werbetafeln an Freeways mit der Aufschrift „Esst weniger Katzen!“ gemietet. Am Freitag versuchte nun Präsident Joe Biden, die Thematik zu entschärfen. „Was hier erzählt wird, ist schlichtweg falsch und darf keinen Platz in Amerika haben.“ Und: Trump müsse dies stoppen.

Spannungen verschärft

Seit Donald Trump in der TV-Debatte mit Rivalin Kamala Harris das Lügenmärchen wiederholte, dass Haitianer in Springfield die Haustiere der Einheimischen aufessen würden, haben sich die Spannungen noch verschärft – obwohl die Behörden der Stadt sofort widersprachen.

Eine Bombendrohung gegen das Rathaus und eine Schule mit vielen haitianischen Schülern gab es am Donnerstag, am Freitag wieder Schul-Räumungen und Drohungen gegen ein Zentrum der haitianischen Gemeinschaft. „Es ist die traurige Realität, die Panik auslöst“, berichtet der Direktor des Zentrums, Viles Dorsainvil. (AFP)