Der Bundeskanzler hat schon per Brief abgestimmt. Olaf Scholz lebt in Potsdam, er ist am Sonntag bei der Landtagswahl in Brandenburg wahlberechtigt, aber nicht vor Ort. Der SPD-Politiker verfolgt das Ereignis in New York, er nimmt dort am Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen teil. Auf der Veranstaltung wird dem UN-Slogan zufolge darum gehen, „wie wir eine bessere Gegenwart schaffen und die Zukunft sichern können“.

Der Kanzler hält eine der Eröffnungsreden, vor allem aber wird er nach Brandenburg blicken, denn seine eigene Zukunft wird maßgeblich von deren Ausgang bestimmt. Diese 5 Aspekte sind wichtig für den Wahlsonntag:

1. Wie ist die Ausgangslage?

Den Umfragen zufolge wird die AfD stärkste Kraft in Brandenburg. Sie liegt zwischen 27 und 29 Prozent. Die SPD muss nicht fürchten, erneut abgestraft zu werden. Sie steht jetzt bei etwa 25 Prozent. Drittstärkste Kraft wäre nach derzeitigem Stand die CDU mit 16, gefolgt vom BSW mit 14 Prozent.

Die AfD könnte in Brandenburg stärkste Kraft werden. Das Bild zeigt (von links) Hans-Christoph Berndt, Fraktionsvorsitzender, Steffen ...
Die AfD könnte in Brandenburg stärkste Kraft werden. Das Bild zeigt (von links) Hans-Christoph Berndt, Fraktionsvorsitzender, Steffen Kubitzki, Landtagsabgeordneter, Alice Weidel, Co-Vorsitzende der AfD Deutschland, und René Springer, Landesvorsitzender in Brandenburg bei einer Wahlkampfveranstaltung. | Bild: Frank Hammerschmidt/dpa

Die FDP wird es den Meinungsforschern zufolge erneut nicht in den Landtag schaffen. Eine Klatsche droht Grünen und Linken. Beide hatten bei der letzten Wahl fast 11 Prozent der Stimmen geholt und könnten nun an der 5-Prozent-Hürde scheitern.

2. Wer könnte regieren?

Derzeit regiert Ministerpräsident Dietmar Woidke in Potsdam mit seiner SPD zusammen mit den Grünen und der CDU. In dieser Kenia-Koalition könnte er nur weitermachen, wenn die Grünen den erneuten Einzug in den Landtag schaffen.

Falls das nicht der Fall sein sollte, müsste Woidke auf das BSW zugehen, denn eine Zusammenarbeit mit der AfD ist für alle anderen Parteien ausgeschlossen. Eine Regierung unter CDU-Führung leitet sich aus den Umfrageergebnissen bisher nicht ab.

3. Was macht Woidke?

Der ebenso erfahrene wie beliebte Landeschef Dietmar Woidke hat seinen Rückzug für den Fall erklärt, dass die SPD hinter der AfD landet. Dazu gibt es im politischen Berlin zwei Lesarten.

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Die einen sagen, dass er trotz dieser Ansage Ministerpräsident bleiben würde, wenn man an seine Verantwortung fürs Land appelliert. Die anderen sagen, er wird seinen Worten Taten folgen lassen. Wer Woidke kennt, der ahnt bereits, dass Letzteres eintreten dürfte. Namen für eine mögliche Nachfolge werden nicht gehandelt.

4. Was macht Scholz?

Der Kanzler hat am Sonntag zunächst einmal ein Kommunikationsproblem. Zum Zeitpunkt der ersten Prognosen ist es Mittag in New York. Eigentlich genug Zeit also, den Journalisten vor Ort ein Statement zu geben. Doch noch ist offen, ob das passiert. Sollte seine SPD die Wahl gewinnen, fiele ihm der Schritt vor die Mikrofone leicht. Alles andere wäre ein schwerer Gang.

Woidke hat im Wahlkampf auf Schützenhilfe des Regierungschefs verzichtet. Mit der dahinterstehenden Einschätzung, dass Scholz der Partei eher schadet, steht der Brandenburger nicht allein da. Für den Kanzler, der seine erneute Kandidatur bereits angekündigt hat, könnte die Landtagswahl der Einstieg in eine zermürbend lange Debatte über seine politische Zukunft werden.

Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter lieferte schon mal einen Vorgeschmack. „Wenn jemand wie Boris Pistorius ein solches Ansehen hat, muss die SPD auch darüber nachdenken, ob er die beste Wahl für die Kanzlerkandidatur ist oder ob man mit dem amtierenden Bundeskanzler ins Rennen geht“, sagte er. Es war der vorsichtige Versuch, dem von sich und seiner Politik überzeugten Amtsinhaber mitzuteilen: Lieber Olaf, es gibt noch andere, die es auch machen könnten. Sollte Brandenburg verloren gehen, könnte das bei den Sozialdemokraten eine „Jetzt reicht‘s“-Reaktion und mit anschließender Unmuts-Lawine auslösen, die Scholz unter sich begräbt.

5. Was macht die Wahl mit den anderen Parteien?

An der Bundes-CDU wird sie geräuschlos vorbeiziehen. Sie hatte zuletzt knapp 16 Prozent geholt und dürfte in diesem Bereich bleiben. Die FDP konnte nie wirklich hoffen, den Einzug in den Landtag zu schaffen, sie macht sicherlich ebenfalls einfach weiter, als sei nichts geschehen.

Ganz anders bei den Grünen. Fliegen sie aus dem Parlament, wird das die Debatte über das Profil der Partei und einen Verbleib in der Ampel-Koalition weiter anheizen. Die Linke wiederum hat im Oktober einen Parteitag, bei dem sie ihre Parteispitze ohnehin neu aufstellt – die Debatte über Brandenburg wird bis dahin verschoben. Das BSW hingegen dürfte ähnlich triumphierend auftreten wie nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen vor drei Wochen. Übertreffen würde sie nur die AfD, falls die tatsächlich nach Thüringen ein zweites Mal stärkste Kraft in einem Bundesland wird.