Die Beratungsstelle Hayat ist deutschlandweit aktiv. Aber es ist keine „aufsuchende Arbeit“, wie Claudia Dantschke, Mitarbeiterin der Beratungsstelle betont. Das bedeutet, Betroffene müssen sich selbstständig an die Stelle wenden. Häufig sind es Familien, deren Kinder nach Syrien gegangen sind und die Hilfe suchen. IS-Rückkehrer könnten sich aber auch selbst an die Beratungsstelle wenden. Das war nach Angaben von Hayat in 28 Fällen so.

Fälle wie jenen von Sarah kennt Dantschke. Sechs Fälle, die ähnlich gelagert seien, berate sie derzeit. Doch keiner von ihnen stehe vor Gericht. Die Beratungsstelle legt deshalb großen Wert auf Anonymität.

Zu den prominentesten Fällen gehört Leonora Messing. Die junge Frau wurde über einen Dokumentarfilm bekannt, der Vater hatte sich an die Beratungsstelle gewandt und Hilfe gesucht. Seine Tochter war 15, als sie plötzlich verschwand und sich Tage später aus Syrien meldete. Eine verzweifelte Suche begann, ein Fluchtversuch scheiterte. Heute lebt sie nach wie vor in einem Gefangenenlager für IS-Frauen mit ihren beiden Kindern.

Familie muss mithelfen

Die Herkunftsfamilie ist für die Beratungsarbeit ein wichtiger Baustein, betont Dantschke. „Im Fall von Leonora gibt es sozialen Schutz, eine emotionale Hängematte – darauf kann man aufbauen“, verdeutlicht sie. Schwieriger sei es bei Familien, die von ihren Kindern nichts mehr wissen wollten, nachdem sie zurückkehren. Wie das im Fall von Sarah O. ist, ist unklar. Zum Prozessauftakt war ihre Schwester vor Ort, nicht aber die Eltern.

Auch die Frage, ob der Ehemann noch lebe, spiele bei der Deradikalisierung eine wichtige Rolle, so Dantschke. Wenn ja, welches Verhältnis pflegt er zu der Frau? Hat er noch Einfluss auf sie? Sarahs Mann, ein Salafist aus Köln, wird in der Türkei festgehalten. In welchem Verhältnis die junge Frau zu ihm steht, ist unklar.

Wichtig sei für die Beratung, dass ein Gerichtsprozess, so vorhanden, bereits abgeschlossen sei, um auch in die Tataufarbeitung einsteigen zu können. Es gehe zunächst vor allem darum, Beziehungsarbeit zu leisten – auch und gerade mit der Familie: Wo gibt es Konflikte, offene Wunden? Diese Arbeit könne sehr langwierig sein, sagt Dantschke. Um wieder ein „vollwertiges Mitglied der Gesellschaft“ zu werden, dauere es „mindestens zwei bis fünf Jahre – wenn nicht sogar länger.“