Während draußen vor dem Reichstagsgebäude der Protest eskalierte, haben der Bundestag und später der Bundesrat dem 3. Infektionsschutzgesetz zugestimmt. Das soll, kurz gesagt, die Corona-Maßnahmen von Bund und Ländern auf eine stabilere rechtliche Grundlage stellen. Denn regiert wird mehr und mehr per Verordnung. Der Bundestag tritt in der Pandemie-Bekämpfung öffentlich nur wenig in Erscheinung.
Entschieden wird in Ministerrunden und Bund-Länder-Gipfeln, mit Hilfe von Experten. Vor diesem Hintergrund wollten wir von Abgeordneten aus der Region wissen, wie sie zu dem Vorwurf stehen, die Parlamente würden marginalisiert, ja, sich gar selbst entmachten, und wie sie zum Infektionsschutzgesetz stehen. Das haben sie geantwortet:
Agnieszka Brugger, Grüne, Wahlkreis Ravensburg, stimmte für das Infektionsschutzgesetz. Sie begründet das damit, dass das Gesetz erst eine klare und belastbare gesetzliche Grundlage für die aktuell nötigen Corona-Maßnahmen schaffe. „Es ist ärgerlich, dass die Koalition es erst jetzt schafft, diesen Schritt zu gehen, hier ist unnötig viel Zeit verschwendet worden.“ Die Parlamente sieht sie durch das Gesetz nicht geschwächt, im Gegenteil würden diese gestärkt, weil die Maßnahmen nun sehr genau begründet werden müssten. Kritik übt Brugger daran, dass kein Pandemierat mit Experten aus verschiedenen Bereichen gebildet wird und dass das Kindeswohl nicht ausreichend berücksichtigt wird.
Thorsten Frei, CDU, Wahlkreis Schwarzwald-Baar, hat mit Ja gestimmt. Seine Begründung: „Das 3. Bevölkerungsschutzgesetz sorgt dafür, dass die demokratische Legitimation der Schutzmaßnahmen in der Corona-Pandemie noch stärker wird.“ Das Parlament sieht Frei keinesfalls ausgebootet, es setze die Leitplanken für flexibles Regierungshandeln: „Wir geben den Ländern einen klaren Rahmen für die Schutzmaßnahmen vor und sorgen so für mehr Bundestagseinfluss und gleichzeitig für mehr Rechtssicherheit.“
Andreas Jung, CDU, Wahlkreis Konstanz, hat dem Gesetz zugestimmt. Dass dadurch die Rechte des Bundestags eingeschränkt würden, sieht er nicht so. Im Gegenteil: Der Bundestag habe erst die gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, dass die Regierungen auf Bundes- und Landesebene reagieren könnten. Diese Schutzmaßnahmen habe man nun angesichts der Dauer und der Intensität der Schutzmaßnahmen präzisiert. „Die rechtlichen Handlungsmöglichkeiten der Regierung werden also gerade nicht ausgeweitet, sondern konkreter bestimmt.“
Marcel Klinge, FDP, Wahlkreis Schwarzwald-Baar, hat mit Nein gestimmt. Seine Begründung: „Ich finde diese Art der andauernden Hinterzimmerpolitik der Kanzlerin mit den Länderchefs bei der Coronabekämpfung problematisch. Auch beim Infektionsschutzgesetz, das die große Koalition durch den Bundestag gepeitscht hat, fehlt mir angesichts der gravierenden Grundrechtseinschränkungen die öffentliche und fundierte Debatte. Reisebeschränkungen und pauschale Berufsverbote, die ganze Branchen lahmlegen, müssen in den Parlamenten von allen Seiten beleuchtet und diskutiert werden.“
Rita Schwarzelühr-Sutter, SPD, Wahlkreis Waldshut, stimmte mit Ja. Sie begründet dies damit, weil dadurch die Gesundheit der Bevölkerung in der Corona-Pandemie geschützt werde. „Für mich sind zentrale Bestandteile des neuen Gesetzes, dass allein der Bundestag darüber entscheidet, ob eine epidemische Lage vorliegt.“ Entsetzt habe sie der Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz des Nazi-Regimes von 1933 in vielen Zuschriften und Anrufen. „Er verhöhnt die Millionen von Menschenleben, die dem Nationalsozialismus zum Opfer gefallen sind.“
Benjamin Strasser, FDP, Wahlkreis Ravensburg, hat mit Nein gestimmt – nicht weil alles darin schlecht sei, sondern weil der Gesetzentwurf an wichtigen Stellen nicht klar genug regle, wann die Bundesregierung wie handeln dürfe. „Einen Blankoscheck für die Regierung wollen wir nicht ausstellen.“ Trotz dieser Kritik gehe der häufige Vergleich zum Ermächtigungsgesetz der Nazis aber viel zu weit. „Er ist geschichtsvergessen und gefährlich.“ Das Infektionsschutzgesetz sei keine Entmachtung des Parlaments.