Armin Laschet gibt den Freundlichen. Der neu gewählte CDU-Vorsitzende geht scheinbar vorbehaltlos auf die Parteifreunde in Baden-Württemberg zu, spricht die Spitzenleute mit Namen an und lobt sie einzeln. Es ist, als wollte er durch Umarmung aus Gegnern Unterstützer machen. Das Problem zwischen ihm und den Christdemokraten im Südwesten spricht Laschet offen an: „Die Mehrheit von euch hat vielleicht Friedrich Merz gewählt.“ Aber das hat er abgehakt, ehe an diesem Samstag nach Stuttgart gefahren ist. „Ich bin bekommen, um im Wahlkampf zu unterstützen“, gibt er den Versöhner. Sein Ziel von „35 Prozent plus X“ bei der Bundestagswahl im Herbst werde die Union nur erreichen, „wenn wir alle zusammenstehen“.
Es ist schon eine gewisse Ironie des politischen Schicksals. Am ersten Tag nach der förmlichen Bestätigung Laschets als neuer CDU-Bundesvorsitzender steht der Parteitag in Baden-Württemberg an. Ausgerechnet jener Landesverband, dessen Delegierte geschätzt zu zwei Drittels seinen Gegenspieler Friedrich Merz offen unterstützt haben. Das ging von Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann über CDU-Landeschef Thomas Strobl bis zum Vorsitzenden der Landtagsfraktion, Wolfgang Reinhart. Zu jedem fallen dem neuen Parteichef ein paar freundliche Sätze ein. In Corona-Zeiten sei „Kultusministerin ein schwerer Job“. Eisenmann sei eine „gute Ministerin“. Dann stellt er Strobls Sicherheitspolitik im Innenministerium als Vorbild dar. Nicht einmal Landwirtschaftsminister Peter Hauk vergisst er. Sogar über das Kandidatenfeld für die Wahl am 14. März weiß er Bescheid. „Tolle Leute“ seien das, jung und ziemlich viele Frauen darunter.

Obwohl die meisten Delegierten am Parteitag vom heimischen Wohnzimmer aus teilnehmen, will Laschet Präsenz zeigen im Stuttgarter Kulturzentrum Wagenhallen, wo die CDU eine Art Parteitagsbühne aufgebaut hat. Inhaltlich bleibt er in seiner nur 20-minütigen Rede vage. Die Hoffnung der Merz-Fans auf klare Kante in der Wirtschaftspolitik erfüllt der nordrhein-westfälische Ministerpräsident nicht. Er beschwört den Gründergeist und den Freiraum für Unternehmer. Und natürlich fehlt auch nicht der Hinweis auf die Schönheit Baden-Württembergs und die Ankündigung des nächsten Urlaubs am Bodensee.

Genau 50 Tage vor dem 14. März will die baden-württembergische CDU in die heiße Phase des Landtagswahlkampfs starten. Neben dem kurzfristig arrangierten Laschetauftritt sollen die Delegierten das „Regierungsprogramm“ verabschieden und Eisenmann sich mit ihrer Rede profilieren. Betont sachlich gibt sich die Spitzenkandidatin, die den beliebten Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann herausfordert. „Es geht nur um die Inhalte“, betont sie. Auf direkte Angriffe verzichtet sie. Man muss schon genau hinhören, um die Anspielung zu verstehen: „Das nächste Jahrzehnt wird darüber entscheiden, ob Baden-Württemberg die Herausforderung der Zukunft annimmt oder darüber nur auf hohem Niveau und sehr intensiv philosophiert.“ So grenzt sie sich von Kretschmann und seiner Vorliebe für große Denker ab.

Auf vollmundige Ankündigungen verzichtet Eisenmann. Sie hangelt sich an den Forderungen des Wahlprogramms entlang, kündigt für die nächste Legislaturperiode 1,5 Milliarden Euro Investitionen für die Digitalisierung an und redet viel über die strukturellen Herausforderungen nach der Corona-Pandemie. „Bei der Globalisierung wird die Welt neu vermessen. Da wollen wir dabei sein“, sagt sie. Die 20er seien ein „Schlüsseljahrzehnt“.
Gemeinsamer Kurs durch die Corona-Krise
Den Streit um ihren Kurs zur möglichst schnellen Wiederöffnung von Kitas und Schulen spart die Kultusministerin nicht aus. „Lassen wir uns nicht einreden, dass jede Diskussion Wahlkampf ist und deshalb schlecht“, betont sie. Vielleicht hat sie da die heftige Kritik von Hans Georg Koch im Kopf, mit der am gleichen Tag der frühere CDU-Regierungssprecher und Vertraute des langjährigen Ministerpräsidenten Erwin Teufel seinen Parteiaustritt per Leserbrief öffentlich gemacht hat. „Das dem Ernst der Lage in keiner Weise angemessene Gezerre“ habe ihn veranlasst, die Mitgliedschaft nach über 40 Jahren zu beenden. Eisenmann wirft er vor, aus der Corona-Krise politisches Kapital schlagen zu wollen.
Der Konflikt hinterlässt unübersehbare Risse im sorgsam gemalten Bild der Geschlossenheit, die der virtuelle Parteitag ausstrahlen soll. Nach vielen Stunden interner Diskussionen über die 100 Punkte des Regierungsprogramms mit dem Titel „Baden-Württemberg entfesseln – unser Weg aus der Krise“ werden die 54 Seiten ohne jede Änderung mit 100 Prozent Zustimmung verabschiedet. Der bei normalen Parteitagen fällige Applaus bleibt zwangsläufig aus. Dass die direkte Begegnung nicht möglich ist, beklagt auch Eisenmann: „Es fühlt sich komisch an und es sieht komisch aus hier.“