Stellen Sie sich vor, ein Zahnarzt steht in seiner Praxis, Mundschutz und Schutzbrille griffbereit, die Instrumente säuberlich vorbereitet – doch der Patient erscheint nicht. Abgesagt hat er nicht. Das ist höchst ärgerlich für den Mediziner, der fest mit der Behandlung gerechnet und ein Zeitfenster für ihn freigehalten hat.
Doch es geht zu weit, deshalb Strafgebühren für säumige Patienten zu fordern, wie der Chef der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung aktuell und auch manche Ärzte es für gerechtfertigt halten.
Natürlich ist es ein Unterschied, ob jemand einen Termin beim Hausarzt platzen lässt, bei dem im Wartezimmer meist genügend Patienten sitzen, die die Lücke schließen können, oder ob ein Facharzt einen ambulanten Eingriff mit größerem Aufwand und größerem Team geplant hat.
Auch Zahnärzte finden für Behandlungen und damit verbundene Eingriffe meist kurzfristig keinen Ersatz. Es gibt Gerichte, die Ärzten in solchen Fällen Recht geben. Doch es kommt auf den Einzelfall an.
Ein Gebot des Anstands
Zunächst gebietet es der Anstand und ist nur fair, einen Termin abzusagen, den man nicht einhalten kann. Das ist auch im Job, im Restaurant oder bei Treffen mit Freunden nicht anders. Wer lässt andere schon gerne warten? Bestimmt gibt es schwarze Schafe unter den Patienten, die Termine ungenutzt verstreichen lassen, ohne sich zu melden, denen es sogar egal ist.
Wer aber zum Telefonhörer greift, weil er absagen muss, läuft vielfach ins Leere. Entweder ist der Praxisanschluss besetzt, oder man hängt ewig in der Warteschleife, bis eine freundliche Stimme meldet, dass man es wegen hohen Patientenaufkommens zu einem späteren Zeitpunkt versuchen solle.
Telefon wegen Personalmangel unbesetzt
Ein andermal kommt gleich die Meldung, dass die Telefonzentrale wegen Personalmangels derzeit nicht besetzt sei. Manche Praxen bieten Telefonzeiten an. Jemanden dann zu erreichen, gleicht aber einem Glücksspiel, denn die Leitungen laufen gerade dann heiß.
Wer versucht, bei einem Facharzt einen Termin zu bekommen, weiß, wie schwer das ist. Ist man endlich durchgekommen, wird man oft über viele Wochen und Monate vertröstet.
Zwei-Klassen-Medizin auch bei Terminen
Während Privatpatienten in angemessener Zeit einen Termin zur Vorsorge erhalten, müssen sich gesetzlich Versicherte anhören, dass der Kalender für dieses Jahr schon weitgehend geschlossen ist und es nur noch wenige freie Termine gibt.
Vor dem Hintergrund der schwierigen Vergabe in den Praxen erscheint es mehr als fraglich, dass Patienten absichtlich und bewusst einen Termin verstreichen lassen. Sie wissen ja, wie mühsam es war, ihn zu ergattern. Oder gibt es schon Patienten, die sich prophylaktisch einen holen, falls sie krank werden sollten? Schwer vorstellbar.
Statt Strafgebühren zu erheben, sollten Praxen ihre Kommunikation verbessern: telefonisch, per E-Mail oder mit anderen digitalen Hilfsmitteln. So erinnert eine SMS-Nachricht den Patienten wenige Tage vorher an den vereinbarten Zeitpunkt, mit der Frage, ob er kommen kann. Falls nicht, kann er direkt aus der SMS heraus absagen. Über einfach bedienbare Online-Programme ließen sich Termine canceln.
Es befremdet sehr, wenn der Patient Strafe zahlen soll. Möglicherweise steckt hinter dem verpatzten Termin ein Versehen und kein böser Wille oder die Nichterreichbarkeit der Praxis: Der Betreffende hat sich beim Eintrag in den Kalender vertan, ist krank oder etwas Wichtiges ist dazwischengekommen. Oder er steckt im Stau und verspätet sich so sehr, dass er, wenn er später kommt, den Terminkalender des Arztes bereits durcheinandergebracht hat.
Für die Behandlung ist das Vertrauen zwischen Arzt und Patient sehr wichtig. Eine Strafgebühr würde diese Beziehung massiv stören. Warum macht sich der Arzt nicht einen Vermerk in der Akte für den nächsten Termin? Dann spricht er den Patienten auf das Versäumnis an und erklärt die finanziellen Auswirkungen für die Praxis.
Bestimmt hat der ein oder andere keine Vorstellung davon, wie groß der Ausfall für den Mediziner sein kann, wenn er keinen anderen Patienten in dieser Zeit einbestellen kann. Nach einem solchen Gespräch wird es bestimmt nicht so schnell wieder vorkommen, dass der Arzt versetzt wird.