Die Lage ist prekär. Die Spannungen mit Russland wegen der Ukraine nehmen zu. Schätzungen zufolge hat Russland etwa 100.000 Truppen an der ukrainischen Grenze aufziehen lassen. Mehrere Nato-Staaten verstärken deshalb ihre Truppen im Osten, die USA und Großbritannien reduzieren ihre Präsenz in der ukrainischen Botschaft. Doch ob es zur Invasion kommt, wagt derzeit niemand vorherzusagen – auch nicht Diplomaten wie der US-Generalkonsul in Frankfurt, Norman Thatcher Scharpf. „Ich kann Putins Gedanken nicht lesen“, sagt er in einem Pressegespräch mit verschiedenen Medien aus dem Südwesten, darunter der SÜDKURIER. Aber: „Russland wird alle Möglichkeiten nutzen, die Ukraine zu destabilisieren.“

Wie volatil die Lage ist, zeigen die Truppenbewegungen der USA: Noch am Montag erklärt Scharpf, es gebe keine Ankündigungen zu Truppenverschiebungen. Doch am Tag drauf ist klar: Die USA verstärken ihre Militärpräsenz in den osteuropäischen Mitgliedsstaaten des Verteidigungsbündnisses um 8500 Soldaten, eine offizielle Entscheidung steht aber noch aus.

Die Aliierten machen sich bereit

Doch die Nato-Alliierten machen sich bereit. Dänemark, Spanien, Frankreich und die Niederlande kündigten an, Truppen, Fregatten und Kampfflieger zu mobilisieren, die Truppen der Nato wurden in Alarmbereitschaft versetzt.

In den vergangenen Wochen hatte der Westen vor allem mit scharfen Sanktionen gedroht, sollte Russland die Souveränität der Ukraine erneut verletzen. Bereits 2014 hatte der russische Präsident die ukrainische Halbinsel Krim illegal annektiert, die darauf folgenden Sanktionen beeindruckten ihn nicht.

„Wir haben gelernt, dass wir deutlich höhere Kosten und schmerzhaftere Konsequenzen ziehen müssen als damals“, sagt Scharpf nun. Und: „Putin sollte 2014 nicht als Referenz nehmen, welche Konsequenzen sein Handeln haben wird, wenn er nun in die Ukraine einmarschiert“, macht er klar.

Sanktionen als Drohkulisse

Doch bislang halten sich die USA bedeckt über die Ausgestaltung der Sanktionen. Auch Scharpf will nicht konkreter werden. „Diese Sanktionen werden nicht vergleichbar sein mit anderen und massiven Einfluss auf die russische Wirtschaft haben“, kündigt er an.

Wann aber werden sie verhängt? „Wenn der Weg der Aggression weiter beschritten wird, wird es Sanktionen geben“, so der Diplomat. Doch bislang sind es nur Drohkulissen, die auf beiden Seiten aufgebaut werden. Unterdessen haben die USA ihre Unterstützung für die Ukraine hochgefahren, allein 2021 flossen 650 Million Dollar an die Ukraine, um ihre Sicherheit zu erhöhen. Dass Deutschland die Unterstützung mit Waffenlieferungen verweigert, wird von den USA nicht offen kritisiert – wohl aber von früheren Botschaftern wie Stanford-Professor Michael McFaul, der sein Unverständnis über die deutsche Haltung auf Twitter äußerte. Jemand müsse die Ethik hinter der Haltung mancher Verbündeter erklären, schrieb er dort. US-Diplomat Scharpf umschifft das Thema indes. Man stehe in engem Austausch auch mit Deutschland, betont er.

Dennoch sind US-Bürger, die in der Ukraine leben, aufgerufen, sich darauf vorzubereiten, das Land zu verlassen. „Die Situation ist heikel“, gesteht auch Scharpf ein.

Putin erreiche mit seinen Militäraufmärschen an der Grenze zur Ukraine jedenfalls nur, dass der Westen vereinter denn je gegen ihn stehe. „Das hat eine gewisse Ironie, weil er ja das Gegenteil erreichen will“, so Scharpf: „Wir sind bereit, gemeinsam und konzertiert zu antworten, wenn Russland seine Aggressionen fortsetzt.“

Ein Bild von vergangener Woche: Ein Konvoi gepanzerter russischer Fahrzeuge bewegt sich über eine Autobahn auf der Krim.
Ein Bild von vergangener Woche: Ein Konvoi gepanzerter russischer Fahrzeuge bewegt sich über eine Autobahn auf der Krim. | Bild: Uncredited/AP/dpa

Die USA wollen auch Sanktionen mit Blick auf die neue Gaspipeline North Stream 2 nicht ausschließen: Dass Deutschland das Projekt als privatwirtschaftlich titulierte, sorgte in den Vereinigten Staaten für Unmut.

Auch Großbritannien fordert, im Falle einer russischen Invasion das Pipelineprojekt zu beenden. Die europäische Energieversorgung ist maßgeblich von den Lieferungen aus dem Osten abhängig. Schon einmal hatte der Konflikt mit der Ukraine für Energieknappheit in Europa geführt. Deutschland bezieht einen Großteil seines Gases aus Russland. Befürchtet wird auch, dass der Kreml seinerseits die Gaslieferungen einstellen könnte, wenn Sanktionen gegen Moskau verhängt werden. Einigkeit scheint es über diese Frage jedenfalls nicht zu geben – wider aller Aussagen des US-Diplomaten Scharpf.