Die US-Demokraten und ihre Spitzenkandidatin Kamala Harris hatten sich alles so schön ausgemalt: Frauen und die junge Generation Amerikas würden in bisher unvorstellbarem Umfang in die Wahlkabinen strömen und Harris einen Erdrutsch-Sieg bescheren. Doch je später es am Wahlabend wurde, desto länger wurden die Gesichter.

Am Ende stand ein Ergebnis, das sich wohl Harris in den düstersten Prognosen nicht ausgemalt hätte: Auch in den sogenannten „Swing States“, wie Pennsylvania und Michigan, zeigte sich Trump in einer unerwarteten Stärke – vor allem bei Minderheiten wie Latinos und Afroamerikanern, auf die Harris so gesetzt hatte. Die Niederlage der Demokratin lässt sich vor allem auf fünf Gründe zurückführen:

Ihre Wahlkampagne

Harris übernahm im Juli von US-Präsidenten Joe Biden – und hatte dann gerade einmal vier Monate, um um Stimmen zu werben und sich bekannt zu machen. Das Problem: Harris hat als Vizepräsidentin so gut wie keine Erfolge und Führungserfahrung vorzuweisen, und diente zuvor nur kurz im Senat. Das machte sie politisch zu einem weitgehend unbeschriebenen Blatt.

Dies paarte sich mit der fragwürdigen Taktik, Interviews von Harris möglichst zu limitieren, weil sie sichtbar Probleme hatte, unvorbereitet auf Fragen überzeugend und nicht ausweichend zu antworten. Am Ende gab es zwar jede Menge Wahlkampfauftritte – doch dort fanden sich vor allem Demokraten ein, die Harris nicht mehr überzeugen musste, für sie zu stimmen. Die Medien als Mega-Multiplikator wurden von ihr sträflich vernachlässigt.

Der Biden-Faktor

Als Vizepräsidentin hat Kamala Harris nicht die Macht eines Joe Biden, Entscheidungen zu treffen. Es ist ein undankbarer Job, der vor allem aus Terminen zweiter Klasse besteht. Und doch nahm ein großer Teil des Wahlvolks Harris mit Biden in Sippenhaft für Zustände im Land, die es subjektiv so sah: ein kaum erträgliches Preisniveau, eine unkontrollierte Grenze zu Mexiko mit einer Rekordzahl an illegalen Migranten und eine Verbrechenswelle in den US-Metropolen.

Sie sei nicht Joe Biden, betonte Harris und versuchte, maximale Distanz zu schaffen. Und sie wolle ihre eigene Politik mit der Perspektive einer jüngeren Generation durchsetzen. Das alles half am Ende nichts gegen die historisch tiefen Zustimmungswerte für Biden, der mit seinem späten Rückzug Harris keine Chance zur Profilierung ließ – auch wenn die Kandidatin Biden mitteilen ließ: Er sei im Wahlkampf als Partner an ihrer Seite nicht erwünscht.

Polemik statt Programmatik

Die Zeit war zwar kurz, doch Harris hätte sie für die Vorlage eines wirklich konkreten Programms nutzen können. Stattdessen blieben von ihrem Wahlkampf nur ein gutes Dutzend teilweise fragwürdige Ideen hängen. Jeder Erstkäufer von Immobilien sollte 25.000 US-Dollar aus der Staatskasse erhalten. Dann wollte sie Mieten „deckeln“, obwohl dies die einzelnen Bundesstaaten tun müssten. Und für hohe Lebensmittelpreise wollte sie eine Supermarkt-Polizei einführen, um Wucher zu vermeiden.

Ein unausgegorenes, personalintensives Rezept, dem auch der Kongress hätte zustimmen müssen. Stattdessen gab es massive Kritik an Trump, den sie als „Gefahr für die Demokratie“ ansah. Dieser Slogan lief sich bei Wählern, denen es um Sachfragen geht, dann tot. Und auch die Abtreibungsproblematik mobilisierte die Frauen nicht in dem Umfang, wie Harris es erwartet hatte.

Die Partei-Strategie

Die Basis der US-Demokraten hatte nie eine Chance, über die Berufung von Harris als neue Spitzenkandidatin abzustimmen. Eine Handvoll Top-Funktionäre drängte zunächst im Sommer den widerwilligen Biden zum Rücktritt, um dann eine Automatik für die Nachfolge im Hinterzimmer durchzusetzen.

Dabei gab es talentierte Demokraten, die ebenfalls denkbar gewesen wären – wie Kaliforniens Gouverneur Gavin Newsom oder sogar Michelle Obama, die man zwar zur Kandidatur hätte drängen müssen. Doch gerade sie hätte gegen Trump erheblich bessere Chancen gehabt.

Die Wahlkampf-Strategie

Es gab einen erheblichen Unterschied zwischen Republikanern und Demokraten, was die Mobilisierung der Bürger anging. Die Demokraten setzten auf ihre traditionelle Strategie, Stammwähler durch Hausbesuche und Textnachrichten in die Wahlkabinen zu treiben.

Trump wiederum konzentrierte sich – unterstützt von Elon Musk und dessen Social Media-Aktivitäten – auf jene Wähler, die gerne den Wahltag aussitzen. Dieses Konzept ging am Ende auf. Auch weil Trumps Kernwählerschaft ohnehin stärker motiviert war als die der Demokraten, nachdem die Kontroverse darum aufkam, ob US-Präsident Joe Biden Trumps Anhänger als „Müll“ bezeichnet hat.