Ein Verrückter, dieser Kapitän Franz Romer aus dem Bodanrück-Dorf Dettingen: Startet am 10. Juni 1928 in einem Klepper-Faltboot mit einem kleinen Hilfssegel, um von Lissabon aus nach New York zu paddeln. In 58 Tagen erreicht er die Karibikinsel St. Thomas. Bei der Weiterfahrt nach New York gerät er in einen Hurrikan und bleibt verschollen. Der Autor Gerd Zahner hat daraus ein wunderbares Einpersonenstück gemacht, das am vergangenen 18. November in der Konstanzer Zimmerbühne uraufgeführt wurde.

Man möchte fast sagen, das Stück hatte einen sehr aktuellen Bezug. Denn Romer hat Nachahmer, nicht ganz so Verrückte zwar, aber ähnlich Wagemutige: Am vergangenen 6. November stachen 29 Männer in Les Sables d'Olonne an der französischen Atlantikküste in See, um nicht nur den Atlantik zu überqueren, sondern gleich die ganze Welt zu umrunden: in einem 18,28 Meter langen Einrumpf-Segelboot den Atlantik nach Süden, beim Kap der Guten Hoffnung nach Osten in den Indischen Ozean, südlich von Australien vorbei in den Pazifischen Ozean und schließlich um Kap Hoorn herum wieder zurück nach Les Sables d'Olonne.

Alle vier Jahre findet diese Regatta statt, zur Zeit läuft die achte Ausgabe des Rennens. Es gilt als das härteste Segelrennen der Welt, weshalb es auch als der "Everest der Meere" bezeichnet wird. Die Bedingungen sind in der Tat fast übermenschlich: Nonstop, ohne Landgang und ohne Hilfe von außen gilt es, die Welt zu umrunden.

Bevor der Startschuss fällt, liegen die Boote drei Wochen lang im Yachthafen von Les Sables d'Olonne. Dann strömen die Massen, stehen eisern Schlange, um einen Blick auf die Boote zu erhaschen und vielleicht sogar einen der bewunderten Segler zu entdecken. 1,5 Millionen Menschen kamen in diesem Zeitraum in die 15000-Einwohner-Stadt, die sich ganz auf dieses Rennen eingestellt hat. Sie nennt eine der wichtigsten Hauptstraßen Boulevard du Vendée Globe, und an der herrlichen Strandpromenade sind bronzene Gussabdrücke der Hände der bisherigen Sieger im Boden eingelassen. Künstler werden engagiert, um die Stadt für den großen Start zu schmücken und die Segelhelden zu ehren.

Wer sind diese Helden, die sich ein solches Rennen antun? Da gibt es die Ehrgeizigen, die ganz klar den Sieg anstreben, wie zum Beispiel der Brite Alex Thomson, der bei der Ausgabe vor vier Jahren Dritter wurde. Thomson fährt innerhalb des Starterfelds mit das modernste Boot mit sogenannten Foilern. Das sind Tragflächen an den Seiten des Bootes, gebogen wie Schnauzer, die dem Boot möglichst viel Auftrieb geben. Oder der Bretone Armel Le Cleac'h, bereits zweimal Zweiter (2009 und 2013) geworden, der endlich siegen will. Auch er fährt schon mit Foilern. Die beiden liefern sich derzeit ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen an der Spitze. Dabei ist der Brite dadurch behindert, dass er den Backbord-Foil verloren hat, weil er gegen etwas gestoßen ist – ein unbekanntes Treibobjekt.

Dann gibt es die alten Kämpen, wie Jean Le Cam. Der Bretone ist zum vierten Mal am Start, wurde 2005 Zweiter, kenterte 2009 im südlichen Pazifik, wurde damals vom Mitsegler Vincent Riou aus seinem Boot gerettet, das kieloben im Meer trieb. Das hat ihn nicht davon abgehalten, 2012 wieder an den Start zu gehen und Fünfter zu werden. Der 57-Jährige ist auch jetzt wieder dabei, genauso wie Vincent Riou übrigens. Auch Riou startete zum vierten Mal, gewann die Vendée Globe 2005 – und hat seither Pech: 2008 bei der Rettung Jean Le Cams riss ein Stag, das den Mast hält. Riou wurde dennoch als Dritter gewertet. 2012 zertrümmerte eine herumtreibende Tonne seinen Bug und brachte das Ende, und dieses Jahr war es vor dem Kap der Guten Hoffnung wieder ein unbekanntes Treibobjekt, das ihm die Achse des Pendelkiels und damit alle Hoffnung zerstörte.

Eine dritte Kategorie sind die Missionare, die die Vendée Globe nutzen, um Spenden zu sammeln. Tanguy de Lamotte etwa ist mit der gleichen Mission unterwegs, wie Christa Fritschi aus Orsingen-Nenzingen: Er sammelt Geld, um herzkranke Kinder aus Afrika nach Europa zu bringen und ihnen eine Operation zu finanzieren. Für 30 Kinder sollte das Geld reichen, hat er sich für diese Vendée Globe vorgenommen. Leider fiel er schon bei den Kapverden aus – Mastbruch an der Spitze. Dennoch hat er sein Ziel bereits übertroffen: 34 Kinder können nun operiert werden.

Schließlich gehören zur Vendée Globe auch die Abenteurer. Sie starten auf schon etwas älteren Booten, wollen einfach dabei sein und haben kaum sportliche Ambitionen. Der Ire Enda O'Coineen ist so einer. Gedichte und Sprüche von William Butler Yeats oder James Joyce sind auf seinen Bootsseiten abgedruckt, und von unterwegs schickt er ein Video, das ihn in bester Laune und ansteckender Begeisterung ein Gedicht von Joseph Mary Plunkett rezitieren zeigt.

Nach schätzungsweise 70 bis 80 Tagen erwartet den Sieger ein triumphaler Empfang in Les Sables d'Olonne. Egal, ob dieser das Ziel am Mittag oder um Mitternacht erreicht – die Massen werden da sein und ihn feiern. Aber auch der Letzte, der diese Vendée Globe beendet, wird ein Sieger sein: Das Publikum feiert auch ihn. Denn eines ist klar: Helden sind sie alle.

Geschichte und Geschichten zur Vendée Globe

Die Anfänge

Das erste Einhand-Segelrennen nonstop um die Welt war der Golden Globe Challenge der Sunday Times 1968/69. Neun Segler starteten zu unterschiedlichen Zeiten in England, einer Robin Knox-Johnston, kehrt nach 313 Tagen zurück. Ein weiterer segelt, Bernard Moitessier, segelt einfach weiter bis Tahiti, dreht also eineinhalb Runden um die Welt. Ein anderer, Donald Crowhurst, bleibt im Atlantik, schickt aber falsche Positionsbestimmungen, um die Weltumrundung vorzutäuschen. Er verliert den Verstand und begeht Selbstmord. Dessen Geschichte wird in dem Hollywood-Streifen "The Mercy" verfilmt, der 2017 in die Kinos kommt.

Robin Knox-Johnston lanciert dann 1982 ein weiteres Einhand-Rennen. Von Newport/Rhode Island in Etappen über Kapstadt, Sydney und Rio de Janeiro – das war die BOC Challenge. BOC, ursprünglich Brin's Oxygen Company, war der Sponsor. Mit dabei waren zwei Franzosen, Titouan Lamazou und Philippe Jeantot. Sie treffen sich an den Etappenorten und stellen beim gemeinsamen Bier fest, dass diese Etappen den Rhythmus beim Segeln zerstören. Nonstop, allein und ohne Hilfe sollte es um die Welt gehen wie beim Golden Globe, aber ab einem gemeinsamen Startort. Jeantot fand Mitstreiter in Les Sables d'Olonne im Département Vendée. Die Vendée Globe Challenge war geboren. Erster Start war am 26. November 1989. Erster Sieger nach 109 Tagen Titouan Lamazou selbst. Von 13 Startern kommen sieben ins Ziel, der letzte nach 163 Tagen. Drei Jahre später startete die Vendée Globe erneut.

Die Dramen

Der Amerikaner Mike Plant verunglückt 1992 im Atlantik noch auf dem Weg zum Start. Das Rennen beginnt daher unter einem schlechten Vorzeichen. Ein Sturm im Golf von Biscaya kostet dem Engländer Nigel Burgess das Leben. Bertrand de Broc – auch dieses Jahr am Start – bekommt einen saftigen Peitschenhieb von der Großschot und beißt sich dabei so heftig auf die Zunge, dass er sich unter der telefonischen Anleitung der Ärzte an Land die Wunde selbst näht. Die Rolling-Stones-Zunge mit Zickzacknaht wird fortan sein Markenzeichen. 2012 ist er wieder am Start und wird 9. Dieses Jahr ist er ausgefallen: Begegnung mit unbekanntem Treibobjekt.

Sieben Segler erreichen 1993 das Ziel, darunter auch der Ungar Nandor Fa, der auch dieses Jahr wieder dabei ist. Ein gewaltiger Sturm im Indischen Ozean mit Böen von bis zu 70 Knoten fordern beim Rennen 1996 ihre Opfer. Der Engländer Pete Goss rettet nach einer dreitägigen Suchaktion den Franzosen Raphael Dinelli, dessen Schiff untergegangen war und der in einem Schlauchboot im Polarmeer treibt. Für Gerry Roufs, dem Kanadier, gibt es keine Rettung. Er bleibt verschollen. Sein letzter Funkspruch an die Französin Isabelle Autissier: "Hier sind Wellen so hoch wie die Alpen". Die Geschichte wird im sehr lesenswerten Buch von Derek Lundy mit dem Titel "Gnadenlose See" erzählt.

Die Frauen

Die Vendée Globe ist keineswegs eine Männerdomäne. Das dramatische Rennen von 1996/97 beendet Catherine Chabaud an 6. Stelle. Vier Jahre später schafft die Engländerin Ellen MacArthur den zweiten Platz. Vor acht Jahren starteten zwei Engländerinnen, Samantha Davies und Dee Caffari. Sie wurden vierte beziehungsweise sechste. Nur dieses Jahr ist keine Frau am Start. Samantha Davies, die auch vor vier Jahren startete, aber schon früh ausfiel, hat ihrem Lebensgefährten Romain Attanasio den Vortritt gelassen, ist aber überzeugt, dass 2020 gleich mehrere Frauen am Start sein werden.

Das Boot

Während die ersten Ausgaben der Vendée Globe noch ohne strenges Reglement, was die Bootsklasse betrifft, vonstatten gingen, müssen die Boote heute alle der IMOCA-Norm von 60-Fuß-Booten entsprechen. IMOCA steht für International Monohull Open Class Association. Es ist also eine offene Klasse, keine Einheitsklasse, wie beispielsweise bei der Volvo Ocean Race. 18,28 Meter lang, ca. 29 Meter hoher Mast, zwischen 5,35 und 5,95 Meter breit, 4,50 Meter Tiefgang des Kieles – das sind die Normen. Die ältesten Boote stammen aus dem Jahre 1998 und haben zum Beispiel noch keinen Pendelkiel. Die jüngsten Boote von 2015 sind mit Foilern ausgestattet, kleinen gebogenen Tragflächen, die dem Boot in Lee etwas mehr Auftrieb verschaffen.

Das Bootekarussell

Eine Materialschlacht wie beispielsweise die Formel 1 ist die Vendée Globe nicht. Es herrscht ein reger Gebrauchtboothandel: Das Siegerboot der letzten Ausgabe wird jetzt von Paul Meilhat gesteuert und liegt derzeit auf dem dritten Platz. Der Viertplatzierte Jeremie Beyou fährt mit dem Boot, das vor vier Jahren mit dem aktuell führenden Skipper Armel Le Cleac'h den zweiten Platz belegte. Das Siegerboot von 2008/09 wird jetzt von Jeam Le Cam gesteuert. Er belegt derzeit den 7. Platz. Und jenes Boot, mit dem die Engländerin Ellen MacArthur im Jahre 2001 den zweiten Platz belegte, ist auch dieses Jahr wieder dabei mit dem Spanier Didac Costa.

Die Zeiten

109 Tage brauchte der erste Sieger Titouan Lamazou, um die Runde zu drehen. 78 Tage nur war der letzte Sieger François Gabart unterwegs. Dabei legte Lamazou nur 25 485 Seemeilen zurück mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 9,7 Knoten, Gabart segelte 28 646 Seemeilen mit im Schnitt 15,3 Knoten. Zur Zeit liegt der Führende Armel Le Cleac'h 2200 Seemeilen vor dem Ort, an dem Gabart vor vier Jahren nach der gleichen Renndauer lag.

Der Nachschlag

Nach einem Mastbruch am 17. Dezember 2000 ankert Yves Parlier vor der Insel Campbell südlich von Neuseeland. An Land gehen darf er ja nicht. Aber es gelingt ihm, einen Hilfsmasten zu errichten und das Rennen fortzusetzen. Er ist natürlich viel langsamer und die Vorräte gehen zur Neige. Parlier sammelt Regenwasser, ernährt sich von Fischen so gut es geht und vor allem auch von Algen. Er schafft es nach 126 Tagen ins Ziel. Sein neuer Spitzname: Robinson der Meere.

Weitere Segelevents auf Hoher See

Vendée Globe: Einhand-Rennen nonstop um die Welt, ab Les Sables d'Olonne in Frankreich an den drei Kaps (der Guten Hoffnung, Leeuwin/Australien, Hoorn) vorbei. Bootsklasse Einrumpf-Imoca 60. Alle vier Jahre. Start zur 9. Vendée Globe: November 2020.

The Transat: Ältestes Einhand-Rennen seit 1960 ab Plymouth/England nach New Port/Rhode Island bzw. nach New York. Vier Bootsklassen. Alle vier Jahre. Nächster Start: Mai 2020.

Route du Rhum: Einhand-Rennen ab St.Malo/Frankreich nach Point-à-Pitre, Guadeloupe. Fünf Bootsklassen. Alle vier Jahre. Nächster Start: 1. November 2018.

Barcelona World Race: Zweihand-Rennen ab Barcelona, nonstop um die Welt. Alle vier Jahre. Bootsklasse Einrumpf-Imoca 60. Nächster Start zwischen 20. Dezember 2018 und 6.Januar 2019.

Volvo Ocean Race: Mannschafts-Rennen in Etappen um die Welt. Start in Alicante, Ziel unterschiedlich. Bootsklasse Einrumpf-VOR 65. Alle drei Jahre. Nächster Start: 22. Oktober 2017.

The Bridge: Einmaliges Rennen zum 100. Jahrestag der Landung der ersten amerikanischen Soldaten auf französischem Boden zwischen vier großen Trimaranen und dem Kreuzfahrtschiff Queen Mary II. Start am 25. Juni 2017 in St. Nazaire, Ziel New York.

Trophée Jules Verne: Rekordfahrt um die Welt ab einer Startlinie, die zwischen der Insel Ouessant in Frankreich und Cap Lizard in Südwest-England liegt. Der Rekord liegt seit 2011/12 bei 45 Tagen, 13 Stunden, 42 Minuten und 53 Sekunden mit Skipper Loick Peyron. Skipper Francis Joyon verpasste den Rekord im vergangen Jahr um zwei Tage. Mit an Bord war der Deutsche Boris Herrmann. Das gleiche Team versucht es dieses Jahr erneut. Das Boot ist startklar und wartet auf günstiges Wetter.

Golden Globe Race: Einhand-nonstop-Rennen um die Welt 50 Jahre nach dem ersten Golden Globe Challenge. 30 Skipper segeln jeweils auf einem etwa 10 Meter langen Langkieler, das vor 1988 gebaut worden sein muss. Ohne Satelittennavigation, ohne Computer, nur mit Seekarten auf Papier und Sextant. Ältester Teilnehmer wird Jean Luc van den Heede sein. Er ist 71 Jahre alt und wurde bei der ersten Vendée Globe 1990 Dritter, bei der zweiten 1993 Zweiter. Start der Golden Globe Race in Südengland: 16. Juni 2018.

Die Vendée Globe mit allen Infos:

www.vendeeglobe.org

Das Rennen kann verfolgt werden unter:

http://tracking2016.vendeeglobe.org/hp5ip0/