Eine halbe Stunde vor Spielbeginn. Star einer Marketingaktion des VfB Stuttgart ist ein Knirps, der ein Trikot einheimst. Zum Schluss wird er nach seinem Tipp befragt. „Fünfnull“, sagt der Bub, was Raunen und auch Gelächter auslöst. Knapp zwei Stunden später ist der Schwabenbengel glücklich und darf als Hellseher gelten, denn auf der Anzeigetafel in der MHP Arena steht was? VfB Stuttgart – SC Freiburg 5:0.

Stuttgarts Chris Führich (links) bejubelt mit Woo-yeong Jeong seinen Treffer zum 1:0.
Stuttgarts Chris Führich (links) bejubelt mit Woo-yeong Jeong seinen Treffer zum 1:0. | Bild: dpa

Nein, mit diesem Ergebnis hätte außer dem Stuttgarter Knaben niemand gerechnet. Und hätte man kurz nach Anpfiff noch Geld wetten dürfen auf das Endresultat, dann wären die Euro auf einen Freiburger Erfolg gesetzt worden. Schuss Grifo – in den blauen Cannstatter Himmel. Kopfball Gregoritsch, VfB-Torhüter Nübel lenkt den Ball mit Mühe um den Pfosten. Ecke Grifo, Kopfball Ginter, Latte, drei Meter vor dem Kasten kriegt Lienhart die Kugel nicht über die Linie. Gespielt sind da gerade mal drei Minuten. Oh je, VfB!

VfB führt 3:0 nach 15 Minuten

Oh je, VfB? Von wegen. Eine Viertelstunde später steht es 3:0 für den Verein für Bewegungsspiele 1893 Stuttgart. Und das, weil sich die Spieler von Trainer Sebastian Hoeneß bewegten – und zwar richtig und schnell und selbstbewusst. Fußball sei nicht nur „Ding“, hatte Giovanni Trapattoni, vom 1. Juli 2005 bis zum 9. Februar 2006 Kurzzeittrainer beim VfB, einst philosophiert, sondern „Ding, Dang, Dong“. Genau, Führich, Guirassy, Guirassy, dreinull, Spiel nach 19 Minuten entschieden. Die Zugabe durch Führich und Millot erfolgt nach dem Seitenwechsel.

Wie ist das möglich? Wo waren all die Stärken, die den SC Freiburg in den Augen vieler Experten nach und nach zu einem Top-Team der Liga gemacht haben? „Wir eine Spitzenmannschaft? Da lach‘ ich mich kaputt“, sagt Christian Streich. Der SC-Trainer ist bedient. „Bei uns ging‘s zuletzt immer den Berg hoch, den Berg hoch, den Berg hoch, aber wir müssen schon wissen, wer wir sind“, fährt Streich fort, „wir müssen immer alles abarbeiten, wenn wir das tun, dann sind wir gut.“ Kurzes Innehalten, dann der verbale Schlussgong: „Wenn nicht, verliersch fünfnull in Stuttgart.“

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Es gibt nach diesem rätselhaften Auftritt viel zu besprechen in Freiburg. Nur sind eben einige der SC-Kicker erst mal weg zu ihren Nationalmannschaften. Die Österreicher Lienhart und Gregoritsch, der Ungar Sallai und der Japaner Doan sind unterwegs, ebenso die U21-Nationalspieler Noah Atubolu, Kenneth Schmidt und Merlin Röhl. „Die Länderspielpause gefällt mir gar nicht“, sagt Streich, „wir müssten jetzt nach Hause fahren, uns eingraben und alles intensiv aufarbeiten, und da sollten eigentlich alle dabei sein.“ Die Fehlleistungen der SC-Kicker auf dem Stuttgarter Rasen fasst der Trainer an Ort und Stelle noch zusammen:

Die Offensive

„Vorne fehlte uns wieder die Effizienz. Da muss mal einer reingehen bei diesen Chancen.“ Es wäre die frühe Führung gewesen. „Auch unsere Standards waren nicht gut. Vom Vince darf man erwarten, dass er zwei von drei Freistößen auf den Punkt bringt.“ Daumen runter für Vincenzo Grifo.

Die Defensive

„Keine Kommunikation unter den Spielern, wir haben nicht verteidigt.“ Kopfschüttelnd zählt Streich auf: „Beim einsnull geht Führich nach innen, das weiß man, und dann blockt man auch den Schuss nicht.“ Mit „man“ gemeint ist Kiliann Sildillia, der den VfB-Torschützen als Spaziergänger begleitete. Zum zweinull liefert Gregoritsch mit einem misslungenen Rückpass in des Gegners Hälfte die Vorlage zum VfB-Konter, dann darf Guirassy vor dem Strafraum eine zirkusreife Pirouette drehen, ehe er abschließt. „Fehlpass, kein Stören, kein Blocken.“

Und das Dreinull? „Das ist der Gipfel“, erregt sich Streich, „da gibt es auf unserer rechten Seite null Kommunikation.“ Flanke Ito, Abschluss Guirassy, Tor. Dieser Vorwurf geht an die Adresse von Roland Sallai und wiederum Sildillia.

Generelle Kritik

„Uns fehlt die Stabilität. Das war auch schon gegen Bremen so.“ Gut möglich, dass das späte 1:0-Siegtor den Sinn fürs Wesentliche trübte.

Was nun? Ruhe bewahren, Video gucken, Sinne schärfen. Das 0:5 ist zwar heftig und dem Trainer sei sein Missmut zugestanden. Die Hoffnung, dass seine Kicker mit dem Warnschuss umgehen können, ist aber durchaus berechtigt. Und, ja, das weiß natürlich auch Christian Streich.