Oympia auf Distanz – geht das überhaupt? Anders gefragt: Was bleibt von Olympia, wenn Sportler ohne Publikum agieren müssen, wenn sie auch außerhalb der Wettkämpfe am besten allein in ihren Zimmern bleiben sollen?

Die Olympischen Spiele von Tokio werden eine Aneinanderreihung von Sportveranstaltungen im TV sein. Mehr nicht. All das Drumherum, all die Ideale, das Hohelied der Völkerverständigung, der sich im friedlichen Wettstreit messenden Jugend – alles Firlefanz. Die Spiele von Tokio werden daher so sein, als wenn man bei der Fast-Food-Kette ums Eck einen Cheeseburger bestellt und in seine Einzelteile zerlegt. Corona hat Olympia Käse, Gurke, Salatblatt, Zwiebeln, Senf, Ketchup und auch noch das Brötchen genommen, jetzt liegt das pure Fleisch in der Auslage, der reine Sport, wie er aktuell ausgeübt wird. Und uns bleibt die Frage: Schmeckt das überhaupt noch?

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Schon die letzten Sportfeste im Zeichen der Ringe wirkten aus der Zeit gefallen. Die Spiele von Peking, Sotschi, Pyeongchang oder Rio de Janeiro kosteten jeweils Milliarden von Euro und wurden von Korruptionsvorwürfen überschattet. Anwohner wurden für gewaltige Bauprojekte vertrieben, die nach den Spielen brachlagen. Alles, damit ein einzelner Staat auf dicke Hose machen kann, im Idealfall noch die Nationenwertung gewinnt, besser ist als der Rest der Welt.

Verbände sind auf Olympia angewiesen

Geht so Einigkeit, Miteinander, Nachhaltigkeit? Ist ein zweiwöchiges Spektakel diesen Aufwand überhaupt wert? Und wann geht es eigentlich um Sport? Und um welchen?

Wie viele Sportstars kennen Sie, die nicht Fußballer oder Formel-1-Piloten sind? Wie viel kannten Sie früher? Eben! Früher waren es deutlich mehr. Von der Schnullerkette geht es inzwischen direkt zur Dreier- oder Viererkette, nicht aber zur Leichtathletik, den Schwimmern, Ruderern oder Schützen.

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Es sind diese Verbände, die auf die Olympischen Spiele angewiesen sind. Alle vier Jahre gibt es hier TV-Präsenz, alle vier Jahre folgt der Geldregen. Fünf Milliarden Euro nahm das Internationale Olympische Komitee mit den Spielen von Rio de Janeiro ein. 90 Prozent wurden an die Mitgliedsverbände weitergereicht. Der Sportler selber bekommt eine Prämie, die der eigene Verband bestimmt, hierzulande gab es für eine Goldmedaille vom Deutschen Olympischen Sportbund zuletzt 20 000 Euro.

Das ist viel Geld für einen Kanuten oder Bogenschützen. Und lediglich etwas für die Portokasse – sagen wir eines Tennis-Stars. Wer wundert sich da noch über die zahlreichen Absagen gerade aus dieser Szene für Tokio?

Ein Fest des Breitensports

Olympische Spiele sind das Fest des Breitensports, aber um wirtschaftlich erfolgreich zu sein, benötigen sie die Strahlkraft der Profis. Was 1992 in Barcelona noch gefeiert wurde, als die US-Basketballer erstmals mit ihren NBA-Profis antreten durften, spaltet inzwischen jedoch das olympische Lager.

Neben den Corona-Auswirkungen und der Kommerzialisierung der Spiele gibt es noch ganz andere Probleme. Etwa das leidige Doping-Thema. Es gibt keine sauberen Spiele, wahrscheinlich gab es noch nie welche. Schon in der Antike wurde bestochen und betrogen. Und in Zeiten der Pandemie war der Job der Doping-Kontrolleure noch schwerer, als er es ohnehin schon ist.

Ein TV-Experiment

Und wer verfolgt hat, wie die Nominierung von Laurel Hubbard in manchen Internet-Foren kommentiert wurde, die Neuseeland als erste Transgender-Athletin beim Gewichtheben vertreten soll, hätte am liebsten Regenbogenfahnen von Konstanz bis zum Gipfel des Fuji ausgelegt. Wettkämpfe brauchen Regeln, aber wenn jede Form von Anstand so mit Füßen getreten wird und das ausgerechnet im Kontext von Olympia, sind alle Ideale nichts wert.

Oder doch? Ob es der Sport vermag, ganz auf sich allein gestellt, ein Publikum vor den TV-Geräten zu begeistern, werden diese Spiele zeigen. Es ist ein TV-Experiment, das spannendste des Jahres.