Herr Leki, der SC Freiburg startete mit einem 2:1 im DFB-Pokal beim 1. FC Kaiserslautern in die neue Saison. Sind damit die Nachwehen vom verlorenen Pokalfinale in Berlin endgültig vorbei?

Unser Spiel auf dem Betzenberg war typisch für den Pokal, ein Spiel wie man es sich als Fan wünscht. Daran merkt man auch: Der Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft, und der Fokus liegt längst wieder auf dem Hier und Jetzt. Ein, zwei Wochen nach dem Pokalfinale hatte es mich aber schon sehr beschäftigt, gerade weil es gefühlt vielleicht eine einmalige Gelegenheit war.

Am Finale im Mai war ja nur das Ergebnis ungut, alles andere dafür einmalig. Mehr als 35 000 SC-Fans in Berlin können seither Geschichten erzählen, wie sie alte Freunde oder gar lange nicht gesehene Familienmitglieder wiedergesehen haben – das bleibt, oder?

Wir haben als Verein, nicht nur die Mannschaft auf dem Platz, sondern auch die Fans drumherum einen besonderen Moment kreiert, der noch lange nachhallen wird. Wie uns die Berliner begegnet sind, so unfassbar zugewandt, hat mich emotional bewegt. Mit ein bisschen Abstand bleibt: Berlin war ein tolles Erlebnis. Dazu Rang sechs in der Liga, die Qualifikation zur Europa League – es war eine super Saison.

Wie nehmen Sie die Sympathie wahr, die dem Sport-Club auch weit jenseits von Freiburg entgegengebracht wird?

In der Region, aber auch bundesweit hat uns das Pokalfinale in der Tat zusätzlich große Sympathien verschafft. Es ist enorm, welche Reichweite und Strahlkraft das Pokalfinale hat. Es wird weltweit übertragen, manche haben den SC Freiburg wahrscheinlich erstmals wahrgenommen, und zwar positiv. Die gestiegene Wahrnehmung merken wir im Bereich Ticketing, den Mitgliedschaften oder gerade auch bei Sponsorenanfragen. Es zeigen Unternehmen Interesse, die den Sport-Club bisher nicht auf dem Schirm hatten. Das ist am Ende auch eine Bestätigung der sehr guten Entwicklung des Vereins in den vergangenen Jahren – sportlich wie wirtschaftlich.

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Der gestiegene Stellenwert des SC Freiburg zeigt sich auch auf sportlicher Ebene. Von den vier Neuzugängen wollten Ginter und Gregoritsch unbedingt zum SC, der japanische Nationalspieler Doan und der ghanaische Nationalspieler Kyereh hatten mehrere Angebote, aber letztendlich entschieden sie sich für Freiburg. Wie beurteilen Sie das?

Die Grundlage dafür ist die stetige Entwicklung des Vereins in den vergangenen Jahren. Es ist uns ja auch zuletzt schon gelungen, Leistungsträger zu halten, und nicht mehr wie noch vor wenigen Jahren, als wir regelmäßig wie selbstverständlich immer die besten drei oder vier Spieler abgegeben mussten. Verbunden mit den sportlichen Ambitionen kann der SC Freiburg mittlerweile auf einem sehr ordentlichen und vor allem kontinuierlichen Niveau agieren. Klar war die vergangene Saison sportlich etwas Besonderes, und wir haben unser neues Europa-Park Stadion fertiggestellt, das wirkt ebenfalls.

Das Einzugsgebiet des Sport-Clubs geht weit über Freiburg hinaus. Ausdrücklich sprechen Sie auch von den Regionen Bodensee und Oberschwaben, um die man sich bemüht. Zeigt sich das denn bereits in der Fan- und Mitgliederstruktur?

In der Regionen Bodensee und Hochrhein, dem Schwarzwald-Baar-Kreis, im Landkreis Tuttlingen und in Oberschwaben haben wir viele Fans, die Dauerkarteninhaber und teilweise auch Mitglieder sind. Ich habe immer gesagt, dass unser Heimatmarkt bis 150 Kilometer um Freiburg herum geht. Im Bereich des Sponsorings haben wir aber sicher in den erwähnten Regionen noch Luft nach oben. Da gibt es einige sehr interessante Unternehmen, die gut zum Sport-Club passen würden, aber auch der Sport-Club gut zu ihnen. Damit beschäftigen wir uns gerade. Wir sind seit dieser Saison in der Eigenvermarktung, arbeiten also nicht mehr über eine Agentur. Dadurch wird die Ansprache deutlich individueller und persönlicher, weil sie direkt vom Verein kommt.

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Das Europa Park-Stadion gilt als Schmuckstück. Ihr Urteil: alles richtig gemacht oder gibt es Korrekturbedarf?

In all den Jahren der Planung und des Baus war an Herausforderungen so ziemlich alles dabei, was man sich vorstellen kann. Und dann kam auf der Zielgeraden erschwerend auch noch Corona hinzu. Es war deshalb organisatorisch schwierig: die neue Umgebung und Abläufe, die unterschiedlichen Bedingungen, mal 500 Zuschauer, dann Vollbesetzung, ständig kurzfristig Veränderungen, ein völlig unsteter Verlauf.

Und dann gab‘s in der neuen Arena noch Probleme mit Kinderkrankheiten. Die Fans standen sich auf den Füßen, wenn sie in der Halbzeitpause entweder auf die Toilette mussten oder sich etwas zum Essen oder Trinken kaufen wollten.

Es ist wie beim Häuslebauer: Wenn das Haus fertiggestellt ist, sieht man, was man hätte anders oder teilweise auch besser machen können. Es sind auch noch einige Mängel zu beseitigen. Das Platzangebot im Umlauf des Stadions muss vergrößert werden. Wir mussten in diesem Bereich bei den ersten Spielen improvisieren, sind aber jetzt dabei, eine tragfähige, gute und dauerhafte Lösung hinzubekommen.

In Summe sind Sie glücklich mit der neuen Heimat?

Ja, sogar sehr. Es ist ein tolles Stadion geworden! Es gibt eine riesige Nachfrage nach Karten. Obwohl wir deutlich mehr verkaufen könnten, haben wir den Verkauf bei 25 000 Dauerkarten gestoppt, weil wir nicht zu einer geschlossenen Veranstaltung werden wollen. Die Sponsoring- und Hospitality-Pakete sind ebenfalls gut verkauft, es gibt in einigen Bereichen schon Wartelisten. Eine kleine Anekdote noch dazu: Als wir vor sieben Jahren entscheiden mussten, wie groß bauen wir das neue Stadion, habe ich gesagt: Unter 35 000 Zuschauern und unter 2000 Businesseinheiten, das bedeutete eine Verdoppelung, werde ich es nicht machen. Damals gab es Stimmen, die sagten: Wie kann man nur? Das wird in Freiburg nie funktionieren, das ist ja größenwahnsinnig. Und dieselben Leute sagen mir heute: Das hätte man schon auch etwas größer bauen können (lacht). Ich sage, es ist gut so wie es ist. Schön, wenn es immer voll ist, das ist gut für die Stimmung auf den Rängen, gut für die Unterstützung auf dem Platz und gut für die Planbarkeit des Vereins.

Als Haupt- und Trikotsponsor wirbt das britische Unternehmen Cazoo beim Sport-Club. Der Online-Autohändler ist auch Sponsor bei weiteren europäischen Erstligisten. Da passt es, dass sich Freiburg für die Europa League qualifiziert hat. Darf man das als Zukunftsperspektive werten, ist also nicht mehr nur der Klassenerhalt vorrangiges Ziel?

Die Frage stellt sich Jahr für Jahr: Wie verändern sich Ziele oder Ambitionen? Bei uns intern haben die sich gar nicht groß verändert. Die waren auch vor der herausragenden letzten Saison schon hoch. Wir sind immer ambitioniert, wollen die bestmögliche Leistung abrufen und haben nichts dagegen, wenn wir auf einem einstelligen Tabellenplatz landen. Aber wir wissen auch – und das ist wichtig – dass es immer wieder mal Situationen geben kann, in denen es sportlich nicht so rund läuft. Dass sich im Umfeld unter den Fans manche höhere sportliche Ziele wünschen, das ist absolut in Ordnung. Wichtig ist, dass wir, die in der Verantwortung stehen, ambitioniert, aber auch realistisch draufschauen und handeln.

Wie viel Abenteuer ist denn die Europa League – und wie viel Geschäft?

Seit 2013 ist der SC Freiburg erstmals wieder in der Gruppenphase dabei. Es ist etwas Besonderes, die Vorfreude ist riesengroß. Es ist nicht mehr vergleichbar mit unserer letztmaligen Teilnahme, weil wir sportlich weiter sind als damals. Organisatorisch bedeutet die Europa League eine neue Anstrengung für uns, weil die Uefa-Vorgaben noch einmal andere sind wie in der Bundesliga und dem DFB-Pokal. Generell werden wir einen hohen Aufwand betreiben müssen bei drei Wettbewerben und dem engen Zeitplan bis zur WM-Pause ab Mitte November. Wirtschaftlich ist die Europa League ein durchaus attraktiver Wettbewerb, besonders wenn man weit kommt (lacht)

Wenn man die Europa League ernst nimmt, kann das positive Wirkung haben – siehe Eintracht Frankfurt.

Da gebe ich Ihnen recht. Bei den Fans herrscht Euphorie, es werden uns viele auch zu den Auswärtsspielen begleiten, das hat sich in Kaiserslautern mit 5000 SC-Fans schon gezeigt. Vielleicht wird es ja eine Art Fortsetzung dessen, was wir in Berlin erlebt haben.

Wirtschaftliches Wachstum, sportliche Erfolge: Wie schafft es der Verein, sein Credo zu bewahren, nämlich bei sich zu bleiben und seine Identität zu wahren?

Bei allen Ambitionen, die wir haben, mache ich mir da keine Sorgen. Weil das Bewusstsein und der Wille aller handelnden Akteure groß sind, den Verein so zu bewahren und seine Identität im Kern nicht infrage zu stellen. Das wird im Übrigen auch von den Mitgliedern, den Fans und von der überwiegenden Mehrheit derer, die sich dem Verein verbunden fühlen, mitgetragen. Der SC Freiburg ist für viele Menschen eine Herzensangelegenheit. Damit sorgsam umzugehen, ist eine echte Aufgabe und eine Verantwortung, der man gerecht werden muss. Damit beschäftigen wir uns in unterschiedlichen Fragestellungen permanent. Es ist ja keine abstrakte Frage, auf die man einmal eine Antwort gibt. Du musst es tagtäglich leben.